Shulamit Volkov

Deutschland aus jüdischer Sicht

Eine andere Geschichte
Cover: Deutschland aus jüdischer Sicht
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406781711
Gebunden, 336 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Ulla Höber. Juden in Deutschland haben Revolutionen und Kriege, nationale und demokratische Bewegungen, Reichsgründung und Wiedervereinigung oft anders erlebt als ihre nichtjüdischen Zeitgenossen. Die israelische Historikerin Shulamit Volkov erzählt die deutsche Geschichte erstmals konsequent aus jüdischer Sicht. Zu hören sind die Stimmen von bekannten Schriftstellern wie Heinrich Heine und Stefan Zweig, aber auch von unbekannten Beobachtern des deutschen Weges in Nationalstaat, Demokratie und Diktatur, Kriegs- und Nachkriegszeiten. Ein faszinierender Durchgang durch eine "andere" Geschichte, der uns auch die Gegenwart mit anderen Augen sehen lässt. Shulamit Volkov verwebt verschiedene jüdische Perspektiven auf Revolutionen und Kriege, politische Bewegungen und Ideologien, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse zu einem neuen Bild von der deutschen Geschichte. Sie lässt uns die Aufklärung mit den Augen Moses Mendelssohns sehen, den Wiener Kongress aus der Perspektive jüdischer Delegationen und die Revolution von 1848 aus Sicht der Opfer antijüdischer Ausschreitungen. Die Familien Liebermann und Rathenau haben Kaiserzeit, Ersten Weltkrieg und den Beginn der Weimarer Zeit anders erlebt als nichtjüdische Deutsche. Bertha Pappenheim, Käte Frankenthal und Hannah Arendt geben der Zwischenkriegszeit eigene Konturen. Besonderes Augenmerk gilt dem Holocaust, dem Zweiten Weltkrieg und den Jahrzehnten danach, in denen Fritz Bauer oder Ignatz Bubis kritisch auf die Zeit von Wirtschaftswunder und deutscher Einheit blickten. In ihrem Buch führt Shulamit Volkov die deutsche und die deutsch-jüdische Geschichte so zusammen, dass sie am Ende untrennbar erscheinen. Die erste deutsche Geschichte aus jüdischer Perspektive Ein Blick auf Deutschland mit den Augen von Moses Mendelssohn, Heinrich Heine, Hannah Arendt, Käte Frankenthal und anderen

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.08.2022

Für den Rezensenten Cord Aschenbrenner legt die Historikerin Shulamit Volkov mit ihrem Buch eine "wichtige Ergänzung der Geschichtsschreibung über Deutschland" vor. Wie Intellektuelle und Wissenschaftler das Leben in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert prägten und zu einer deutsch-jüdischen Geschichte formten, erzählt Volkov laut Aschenbrenner "aus jüdischer Sicht", ebenso die Erfahrung der zunehmenden Diskriminierung, des Antisemitismus und des Holocaust. Auch Versuche liberaler Zeitgenossen, die rechtliche Stellung von Juden in Deutschland zu verbessern, erwähnt die Autorin, stellt der Rezensent fest. In einem zweiten Teil bietet das Buch laut Rezensent eine jüdische Sicht auf die jüngere deutsche Geschichte, etwa indem die Autorin fragt, wie ein Ignatz Bubis das wiedervereinigte Deutschland sah. Kenntnis und Klarheit der Erzählung findet Aschenbrenner bemerkenswert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.05.2022

Einen "wertvollen Beitrag" zur deutschen Geschichte sieht Rezensentin Victoria Eglau in diesem Buch der israelischen Historikerin. Shulamit Volkov untersucht darin aus jüdischer Perspektive die so oft gescheiterten Bemühungen um Demokratie und Emanzipation in Deutschland, unter denen die jüdische Bevölkerung besonders zu leiden hatten. Wie Eglau darstellt, beginnt Volkov mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, deren Toleranzversprechen nie ganz eingelöst wurde, blickt auf die Deutsche Revolution von 1848, die ebenso scheiterte, ihrer Ansicht nach aber auch eine antijüdische Schlagseite hatte, und beurteilt schließlich ebenso ambivalent das Kaiserreich. Bereichernd findet Eglau dieses Werk und lobt seine tiefschürfenden Analysen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2022

Rezensent Gustav Seibt spürt den Wind der Aufklärung, der aus Shulamit Volkovs Arbeit weht. Volkovs deutsche Geschichte aus Sicht der Juden besticht für ihn durch Faktenreichtum, Knappheit, Lesbarkeit. Beginnend mit dem 18. Jahrhundert und der Aufklärung zeigt ihm die Autorin die Ambivalenzen der Integration der Juden in die deutsche Gesellschaft, aber ohne das "Signum der Unvermeidlichkeit des Holocaust". So anspruchsvoll die Arbeit Seibt erscheint, so gut und nüchtern gelingt es Volkov dem Rezensent zufolge, den Leser von der Aufklärung über das Kaiserreich bis ins wiedervereinigte Deutschland zu führen und den Holocaust und die Gedenkkultur "zu bilanzieren". Eine Lücke des Bandes erkennt Seibt darin, dass er das Judenbild in der realistischen Literatur des 19. Jahrhunderts und seine Wirkung nicht behandelt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.03.2022

Rezensent Micha Brumlik preist Shulamit Volkovs Studie über die Geschichte der Juden in Deutschland, in der es fast gar nicht um deren Leiden in der NS-Zeit geht. Stattdessen lege die früher in Tel Aviv lehrende Europa-Historikerin "ungemein informativ" und trotzdem "bestens lesbar" die Gründe des Antisemitismus dar, etwa bereits in der sonst so "progressiv" geglaubten Revolution 1848, und zeige dabei, wie wichtig das Judentum für die Modernisierung Deutschlands war, lobt Brumlik. So erfährt er etwa, dass Antisemitismus und Ressentiment gegen die wirtschaftliche Liberalisierung nicht zufällig Hand in Hand gingen, denn die Juden profitierten vom Niedergang des in Zünften organisierten Handwerks. Daneben behandle Volkov auch noch die jüdischen Beiträge zur modernen deutschen Kultur "prägnant". Einzig eine Thematisierung der Juden in der DDR und jüdischen kommunistischen Kriegsheimkehrern wünscht Brumlik sich für eine weitere Auflage, empfiehlt die Studie sonst aber wärmstens.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2022

Rezensent Christoph Schulte lernt von Shulamit Volkov, dass Juden in der deutschen Geschichte nicht nur als Opfer von Antisemitismus auftreten, sondern z. B. als erfolgreiche Politiker, Wissenschaftler und Frauenrechtlerinnen. Die Historikerin stellt dem Rezensenten Lebensläufe von Max Liebermann bis Käte Frankenthal vor und zeigt die "Vernachlässigung" deutsch-jüdischer Geschichte in großhistorischen Darstellungen, aber blickt auf optimistisch in die Zukunft, so Schulte. Die Ambivalenzen des deutsch-jüdischen Verhältnisses stellt de Autorin laut Schulte entlang der politische Geschichte Deutschlands dar, schildert "Rechtssituationen" und Befindlichkeiten. Für den Rezensenten eine anregende Lektüre.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.03.2022

Vieles bleibt unerwähnt oder lediglich angedeutet in Shulamit Volkovs Buch, und ihr Versprechen, eine "Geschichte Deutschlands aus jüdischer Sicht" zu schreiben, hält sie nicht, meint Rezensent Hannes Stein. Als Einführung in die Geschichte des deutschen Antisemitismus' eignet sich Volkovs Buch dennoch, räumt er ein, da es durchaus unterhaltsam geschrieben ist. Vor allem aber, weil es bekannte Persönlichkeiten wie Rahel Varnhagen oder Heinrich Heine im Kontext dieser Geschichte platziert und ihren Umgang mit dem Antisemitismus schildert. Was dagegen fehlt oder nur am Rande wenig Platz findet, sind Beschreibungen des Alltags gewöhnlicher, nicht-berühmter Jüdinnen und Juden, vor allem derjenigen, die sich nicht assimilieren wollten. Ihre Geschichte, so der Rezensent, wird jemand anderes erzählen müssen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.03.2022

Rezensent Marko Martin ist enttäuscht von dem Buch der israelischen Historikerin Shulamit Volkov. Dem Anspruch, deutsche Geschichte aus jüdischer Sicht zu schreiben, wird die Autorin seiner Meinung nach nicht vollständig gerecht. Zu wenige tiefe Analysen und zu viel Bekanntes, vom Auschwitz-Prozess bis zur Walser-Bubis-Debatte, das Volkov nurmehr nacherzählt, wie Martin feststellt. Dabei verlässt die Autorin immer mal wieder die bekannten Pfade und spürt laut Martin durchaus gekonnt Brüchen und Inkonsequenzen der vielbeschworenen deutsch-jüdischen Symbiose nach. Davon hätte er sich mehr gewünscht, wie auch eine Mascha Kaleko und ihre Verse im Band ihren Platz hätte finden sollen, meint er.