Susan Neiman

Von den Deutschen lernen

Wie Gesellschaften mit dem Bösen in ihrer Geschichte umgehen können
Cover: Von den Deutschen lernen
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446265981
, 576 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Christina Goldmann. Deutschland als Vorbild? Susan Neiman vergleicht den deutschen und den amerikanischen Umgang mit dem Erbe der eigenen Geschichte. Wie können Gesellschaften mit dem Bösen der eigenen Geschichte umgehen? Lässt sich - politisch gesehen - etwas von den Deutschen lernen? Als Susan Neiman, eine junge jüdische Amerikanerin, in den achtziger Jahren ausgerechnet nach Berlin zog, war das für viele in ihrem Umfeld nicht nachvollziehbar. Doch sie blieb in Berlin und erlebte hier, wie die Deutschen sich ernsthaft mit den eigenen Verbrechen auseinandersetzten: im Westen wie im Osten, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Als dann mit Donald Trump ein Mann Präsident der USA wurde, der dem Rassismus neuen Aufschwung verschaffte, beschloss sie, dorthin zurückzukehren, wo sie aufgewachsen war: in die amerikanischen Südstaaten, wo das Erbe der Sklaverei noch immer die Gegenwart bestimmt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.06.2020

Rezensentin Angela Gutzeit findet Susan Neimans vergleichende Beschäftigung mit der deutschen und der US-amerikanischen Vergangenheitsbewältigung anregend und lehrreich, auch wenn Neimans Vergleich zwischen DDR und BRD in diesem Punkt für die Rezensentin Fragen offen lässt und sogar die Realität verzerrt. Vor allem Neimans anekdotenreicher, subjektiver, windungsreicher Ansatz bei der Beschreibung des amerikanischen Rassismus scheint Gutzeit erkenntnisfördernd, weil er den schwierigen Prozess der Aufarbeitung abbildet, wie sie meint.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.06.2020

Fabian Wolff meldet Zweifel an, ob von den Deutschen wirklich zu lernen ist, wie eine finstere Vergangenheit sich sinnvoll bewältigen lässt. Eben das behauptet die Philosophin Susan Neiman laut Wolff in ihrem Buch, wenn sie den Umgang mit dem Holocaust in Deutschland und den Umgang mit dem Rassismus in den USA miteinander vergleicht. Wie Neiman Debatten und Momentaufnahmen nachvollzieht, Erinnerungskulturen auf beiden Seiten des Atlantik durchmisst und mit ihrer eigenen Geschichte als amerikanische Jüdin in Berlin verschneidet, hält Wolff gleichwohl für aufschlussreiche, anregende Lektüre. Vor allem die argumentativen Teile des Buches, in denen Interviewpartner wie Bettina Stangneth oder Jan Philipp Reemtsma zu Wort kommen, scheinen Wolff lesenswert, wenngleich die Realität auf den Straßen der USA die Argumente im Buch gegen "identitätspolitische Positionen" gerade "fast täglich" einholt, wie der Rezensent feststellt, weil dort für eine andere "identitätspolitische" Erinnerungskultur gestritten wird, die der "black lives".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.05.2020

Christoph Nübel liest Susan Neimans Buch als Plädoyer für die Überwindung limitierter Weltanschauungen, das Fragen nach Gedenkkulturen diesseits und jenseits des Atlantiks stellt. Neimans aus persönlichen Erfahrungen und Gesprächen gespeister Vergleich zwischen deutscher Vergangenheitsbewältigung und dem Umgang mit Rassismus in den USA hat laut Nübel zwar Längen, überzeugt den Rezensenten aber letztlich durch seine "richtige" Intention, die für Nübel nicht etwa darin besteht, Holocaust und Segregation zu vermengen, sondern in dem Aufruf, Verantwortung zu übernehmen für das Gewesene. Ob Deutschlands Geschichte in dieser Hinsicht wirklich als Erfolgsgeschichte zu lesen ist, wie Neiman vorschlägt, bleibt für Nübel allerdings dahingestellt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.04.2020

Wolf Lepenies nennt das Buch von Susan Neiman eine "eindrucksvolle vergleichende Ethnografie der Vergangenheitsaufarbeitung". Dass Neiman es wagt, die Erinnerung an den Holocaust mit der Bewältigung von Rassismus und Sklaverei in den USA zu vergleichen, kann Lepenies nur begrüßen. Denn: Der Autorin gelingt die Balance zwischen der Kritik der Nichtbewältigung und dem Lob der Aufarbeitung, meint er. Besonders lesenswert erscheinen dem Rezensenten Neimans Schilderungen des Falls Emmett Till und seiner Aufarbeitung. Das sind Erfahrungsberichte voller Empathie und Dichte, schwärmt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2020

Frauke Steffens liest das Buch von Susan Neiman mit Interesse. Den Versuch der aus Atlanta stammenden Leiterin des Berliner Einstein Forums, den Umgang mit Holocaust und Sklaverei zu vergleichen, hält Steffens offenbar nicht für heikel. Wenn die Philosophin über den Auschwitz-Prozess und die Diskussionen um das Berliner Holocaust-Denkmal berichtet, die Unabgeschlossenheit der NS-Aufarbeitung konstatiert und Parallelen zu amerikanischen Verhältnissen zieht, freut sich Steffens vor allem über die eingebundenen Interviews mit Bürgerrechtlern und Aktivisten. Anregungen zum Thema, nicht Rezepte, runden das Buch für Steffens ab.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 09.03.2020

Hannah Bethke hätte sich weniger Anekdotisches gewünscht und mehr Komprimierung von Susan Neimans Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Schuld in drei unterschiedlichen Nationen, der BRD, der DDR und den USA. So spannend Bethke die Ausgangsfrage nach Verdrängungsmechanismen und Aufarbeitung findet, so fragwürdig erscheint ihr die Vergleichbarkeit von Vergangenheitsaufarbeitung in den USA und in Deutschland. Mehr Konzentration auf die enthaltenen provokanten Thesen hätten dem Buch gut getan, glaubt die Rezensentin.