Thomas Biebricher

Geistig-moralische Wende

Die Erschöpfung des deutschen Konservatismus
Cover: Geistig-moralische Wende
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2018
ISBN 9783957576088
Gebunden, 320 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Nach 13 Jahren Großer Koalition wird klar, dass sich neben der Sozialdemokratie auch der Konservatismus und seine traditionelle politische Heimat, die CDU, in einer tiefen Identitätskrise befinden. Das zeigen nicht zuletzt das Aufkommen der AfD und ministeriale Revolutionsaufrufe gegen die vermeintliche liberale Kulturhegemonie. Erstaunlicherweise waren schon bei der Wahl der schwarz-gelben Kohl-Regierung 1983 ähnliche Töne zu hören: Gegen die Vorherrschaft der 68er-Ideen sollte eine "geistig-moralische Wende" dem Konservatismus wieder zu seiner rechtmäßigen Stellung verhelfen. Doch während zur gleichen Zeit Reagan und Thatcher die Gesellschaft nachhaltig umgestalteten, ist der geistig-moralische Aufbruch hierzulande fast völlig vergessen; grundlegende Strukturreformen blieben den rot-grünen Nachfolgern überlassen. Doch warum? In seiner Untersuchung der Erschöpfung des Konservatismus unternimmt Thomas Biebricher eine Reise in das politisch-kulturelle Klima der letzten Jahre der alten Bundesrepublik und der Wendezeit und beschreibt die wachsende Orientierungslosigkeit zwischen Neue Rechte und Neoliberalismus.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.02.2019

Die Themenstellung des Bandes findet Jens Balzer interessant, und er scheint auch mehr oder weniger die Diagnose Biebrichs zu teilen: Der Konservatismus sei konstitutiv in einem Selbstwiderspruch gefangen, weil er stets auf äußere, die Gesellschaft verändernde Kräfte reagiere. Wenn er gestaltet, und nicht bewahrt, tritt er schon aus seiner Rolle heraus. Diesen Widerpruch gebe es schon bei Edmund Burke, aber er charakterisiere auch die prägende Figur Helmut Kohl, der durch eine wirtschaftsfreundliche Politik etwa die Familie ins "'Säurebad' der Modernisierung" gesteckt habe. Während Angela Merkel, die allenthalben als Totengräberin des Konservatismus gelte, durch ihre vorsichtig taktierende Poltik, "den Status quo so geräuschlos wie möglich" bewahrende Politikerin die eigentliche Konservative sei. Balzer kritisiert an dem Band, dass Biebricher keine trennscharfe Definition des Rechtspopulismus liefere, so dass er das grundsätzlichste Problem des heutigen Konservatismus gar nicht in den Griff bekomme.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.2019

Philip Manow erkennt das Verdienst der Studie von Thomas Biebricher darin, lesbar den deutschen Konservatismus als Zeitperiode dargestellt zu haben, Debattenrekonstruktion und politische Ereignisgschichte ab 1982 inklusive. Auch wenn der Autor ihm keine Begriffssoziologie und gerade mal ein Fünkchen Hoffnung, was die Bewahrung vor dem Umschlagen des Konservatismus in autoritären Populismus angeht, bieten kann - wie sich der Autor an die Aporie seines Gegenstands anschmiegt und mitunter den Weichzeichner einsetzt, um das konservative Milieu abzubilden, wie er mit Edmund Burke die Frage, was Konservatismus sei, angeht, all das findet Manow doch sehr lesenswert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.01.2019

Faszinierende Ideen- und Politikgeschichte bekommt Wolfgang Stenke mit dem Buch des Politikwissenschaftlers Thomas Biebricher. Wie der Autor die Französische Revolution und die Ära Merkel verknüpft, Edmund Burke und seinen Hass auf die Stürmer der Bastille und die Abneigung der CSU gegen die 68er parallelisiert, findet Stenke anregend und erhellend. Die Schwächen des Konservatismus von heute, der dem Autor zufolge an inhaltlicher Auszehrung und Erschöpfung leidet, sucht der Autor nicht nur bei Merkel, sondern bei inhaltlichen Aspekten, deren Wirkungsgeschichte er weiter zurückverfolgt, betont der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.01.2019

Jakob Hayner liest beim Politikwissenschaftler Thomas Biebricher über die Krise des Konservatismus. Kenntnisreich findet er Biebrichers mit Edmund Burke vorgenommene Analyse der Geschichte konservativen Denkens und Tuns im Nachkriegsdeutschland. Biebrichers Blick auf Konservative wie Odo Marquard und Ernst Nolte sowie seine Feststellung, die Wirtschaftskrise habe den Konservatismus diskreditiert, scheint Hayner lesens- und bedenkenswert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.01.2019

Klug und elegant sieht Isabell Trommer von Thomas Biebricher Zeit- und Ideengeschichte verbunden, wenn der Politikwissenschaftler den Niedergang des Konservatismus nachzeichnet. Dessen Erschöpfung, erfährt die Rezensentin aus dem Buch, habe lange vor Angela Merkel eingesetzt, nämlich schon unter Helmut Kohl, auch wenn dieser bekanntlich die geistig-moralische Wende einleiten wollte. Doch nicht nur der Sieg der Reformkonservativen Kräfte um Rita Süßmuth und Heiner Geißler über die rechtskonservativen Haudegen wie Alfred Dregger und Heinrich Lummer in den achtziger Jahren, sondern auch wegen eines immanenten Widerspruchs konservativer Wirtschaftspolitik. Wer den technologischen und ökonomischen Wandel wolle, müsse sich nicht über Folgen für Familie und Tradition wundern. Da kann Trommer nicht widersprechen. Treffend findet sie auch, dass Biebricher an der Person von Jens Spahn ausmacht, dass der Konservatismus in der Union nur noch verflacht oder aufgesetzt wirke.
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