Walter Kempowski

Alkor

Tagebuch 1989
Cover: Alkor
Albrecht Knaus Verlag, München 2001
ISBN 9783813526042
Gebunden, 608 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Das Jahr, in dem die Mauer fiel, hat Kempowski mit besonderer Intensität erlebt, verbüßte er doch einst als Regimegegner acht Jahre Haft in Bautzen. Politische Betrachtungen stehen daher im Mittelpunkt dieses Tagebuchs, das zugleich Einblick in den Alltag eines großen Schriftstellers gewährt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.03.2002

Alkor ist der Stern im großen Wagen, den das bloße Auge nur schwer erkennen kann, erläutert Stephan Reinhardt den Titel des neuen Werks von Walter Kempowski. In dem Tagebuch aus dem Jahr 1989 hat der Autor die Ereignisse und seine Eindrücke dieses "friedlichen Revolutionsjahres" festgehalten, und, berichtet der Rezensent, Kempowski schildert seine mühsame Arbeit an der "monumentalen Chronik" 'Das Echolot'. Daneben gibt es Anekdoten aus seinen Literaturseminaren, über Verehrerinnen, nächtliche Anrufe von Psychopathen und "gleichgültige Studenten", so Reinhardt. Er hat diese Aufzeichnungen mit Spannung und Vergnügen gelesen, denn Kempowskis Selbstironie, schwarzer Humor und Sinn für Skurriles mache manch belanglose Passage zum kurzweiligen Lesespaß. Nur wenn es um die politische Linke geht, ist dem Rezensenten aufgefallen, verliert der Schriftsteller, der selbst acht Jahre in Bautzen inhaftiert war, jedweden Humor. Trotzdem hätte sich Kempowski über die "Linken" etwas differenzierter auslassen können, meint Reinhardt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.01.2002

Klaus Modick nimmt die Rezension von Walter Kempowskis Tagebuch aus dem Jahr 1989 zum Anlass, sehr umfänglich über Wesen und Werk des Autors nachzudenken. "Alkor" scheint ihm dabei ein Zwitter aus "Arbeitsjournal" und "Autobiografie" - als Text bewegt sich das Buch, so Modick, zwischen sehr loser Form "spontaner Reaktionen" und einer "Konstruktion", die Methode hat: indem etwa den Aufzeichnungen zu jedem Tag die Schlagzeilen von "Bild" und "Neuem Deutschland" vorangestellt wird. Als Autobiografie ist das Buch, findet Modick, ein "selbstironisches Posenalbum" - das immer dann, wenn Kempowski im "Selbstkultus des Verkannten und Ausgegrenzten" die Selbstironie verloren geht, unangenehm zu werden droht. Alles in allem aber will Modick Kempowski durchaus rühmen, und zwar für die dem Erzähler (im Unterschied zum Philosophen) von Adorno ganz allgemein zugeschriebene "Dummheit", die aber nur ein "Verzicht auf Erklärungen" ist. Was beim großen Erzähler spricht, ist das Material, nicht sein analytischer Verstand. Kempowski, den Modick in dieser Hinsicht mit Arno Schmidt in eine Reihe stellt, werde so als Erzähler und Belauscher der Welt zum Retter der "Dingwelt".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.12.2001

Zugegeben: das "Echolot" umfasste vier Bände, und auch "Alkor" ist über 600 Seiten dick. Und schon ein neues Großprojekt Kempowskis kann Volker Breidecker ankündigen: dem manischen Sammler und Archivar Kempowski schwebt vor, das vergangene Jahrhundert Tag für Tag tiefenzuvermessen. Das macht dann hundert Bände? Bredecker quält sich sichtlich erstmal durch die Produktlinien aus dem Hause Kempowski, bevor er zum Inhalt von "Alkor" vorstößt. Da geht es tagebuchmäßig um das Wendejahr 1989, mal mit und mal ohne TV. Der Heiligenkalender, die 'Bild'-Zeitung und das 'Neue Deutschland' sind auch Tag für Tag dabei. Die Eintragungen bewegen sich auf Stammtischniveau, befindet der gereizte Rezensent, Kempowski sei sich für keinen Kalauer und kein Ressentiment zu schade. Ein Enzyklopädist der Allgemeinplätze, so Breidecker, kein Sammler vom Balzac'schen Schlag, sondern "der traurig vor sich hin pfeifende Vetter Pons der Postmoderne".
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