Bücher der Saison

Kinder- und Jugendbücher

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
12.04.2021. Beim Jahrmarkt um Mitternacht fahren Fuchs und Hase Karussell. Lille findet einen mürrischen Wal im Garten und Jolanda will die beste Fußballerin aller Zeiten werden.
Bis 6 Jahre

Die kleine Lille wacht eines morgens auf, und findet einen Wal im Garten. Schlechte Laune hat er auch noch. Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, versichert in der FAZ ein entzückter Anreas Platthaus, der mit Sabine Rufenders "Der Wal im Garten" (bestellen) glatt wieder zum gutgläubigen Kind wird. Lille ärgert sich erst über den Wal, dann freundet sie sich mit ihm an und schließlich muss sie ihn ziehen lassen. Im Kern eine Erfahrung, die jeder kennt, meint Sylvia Schwab im Dlf Kultur. Ein sparsamer Text und ausdrucksstarke Bilder vermitteln ihr diese Erfahrung auf großartige Weise. In der SZ empfiehlt Heike Nieder Paul Maars Bilderbuch "Die goldene Schildkröte" (bestellen) jedem Kindergarten. Nicht nur Maars Geschichte über eine königliche Schildkröte, die versucht, eine Schrift auf ihrem Panzer zu entziffern, gefällt ihr. Ein dickes Lob geht auch an Eva Muggenthaler, deren Illustrationen für das Buch so witzig und detailverliebt sind, dass die Kritikerin jeden "Fliegenrüssel" im Buch entdeckt. Gut besprochen wurde auch Mariachiara Di Giorgios Bilderbuch "Jahrmarkt um Mitternacht" (bestellen), das von einer rauschhaften Nacht erzählt, in der Bär, Fuchs und Hase Achterbahn fahren, Zuckerwatte essen und Spaß haben. Ein "leuchtendes" Leseerlebnis, lobt in der SZ Marlene Zöhrer.

"Schlafen wie die Rüben" (bestellen) sollen Kinder mit diesem Einschlafbuch von Finn-Ole Heinrich, Dita Zipfel und der Illustratorin Tine Schulz, das dem unbändigen Willen der Kinder, wach zu bleiben, mit Durcheinander begegnet. Ob's klappt? Nicht unbedingt bei Marija Bakker (Dlf Kultur), die sich zwar gut amüsiert, aber wach bleibt. Ob sie das Buch an Kindern getesten hat, sagt sie freilich nicht. In der SZ amüsiert sich Marlene Zöhrer mit den sprachwitzigen Reimen. Und warum auch nicht? Zum Vorlesen verpflichtete Eltern müssen schließlich auch unterhalten werden. Sonst schlafen sie ein. Kristin Roskiftes Wimmelbuch "Alle zählen" (bestellen) macht Fridtjof Küchemann (FAZ) ganz wunde Augen. Was eine gute Nachricht ist, denn er kann sich kaum satt sehen an 64 randvollen Seiten mit Strandleben, Sternenhimmel und Schulhofkindern.


6-12 Jahre

Jolanda will die beste Fußballerin aller Zeiten werden, aber das kann sie nur in einem Jungsclub (shame on you, DFB). In den temporeichen Szenen des Jugendromans "Der Himmel über dem Platz" (bestellen) von Martina Wildner werden die Geschlechterstereotype und die aus ihnen resultierenden Rollenzwänge greifbar, schreibt Karin Hahn im Dlf: "Fair Play gilt nicht für Jo." Wie man Selbstzweifel überwindet, darum geht es in diesem Buch, und das ist eine universelle Frage, findet FAZ-Kritikerin Elena Geus, die auch die "poetisch klare" Sprache des Buches lobt.

Als wahren Augenschmaus empfiehlt Kim Kindermann (dlf Kultur) das Sachbilderbuch "Sehen" (bestellen) der ukrainischen Autorin Romana Romanyschyn und des Zeichners Andrij Lessiw. Auf "betörend schönen", in Neon-Orangerot, Gelb, Blau und Beige gehaltenen Bildern lernt die Kritikerin alles, was man über das Sehen wissen muss: Dass Babys kurz nach der Geburt alles verschwommen wahrnehmen, welche Hilfsmittel wir für das exakte Sehen brauchen oder welche Tiere besser sehen als Menschen. Großes Lob auch in der Zeit von Klaus Humann, den nicht nur die Darstellungsweise, sondern auch die Poesie der "philosophischen Fragen" begeistern, die sich an das Sehen stellen lassen. In der SZ empfiehlt Franziska Augstein Fleur Daugeys "Freiheit!" (bestellen), die Geschichte der afroamerikanischen Heldin Harriet Tubman, die der Sklaverei entkam und anderen Sklaven zur Flucht aus den Süd- in die Nordstaaten verhalf.

Gut besprochen wurden außerdem Oskar Kroons "Warten auf Wind" (bestellen), eine Sommergeschichte über zwei ungleiche schwedische Freundinnen und eine Scheidung, Jenny Jägerfelds optimistische Geschichte "Mein geniales Leben" (bestellen) über einen Jungen, der sich mithilfe seiner schrägen Oma neu erfindet, Paul Biegels ursprünglich schon 1974 erschienenes Buch "Die Uhr schlug Mitternacht" (bestellen), das die Logik von Träumen benutzt, um ein Unglück zu heilen, und Sara Pennypackers "Hier im echten Leben" (bestellen) über zwei Außenseiter in einem Sommercamp.


Jugendbuch

Okay, diese Jugendlichen haben ein ordentliches Päckchen zu tragen: fehlende Eltern, Heime, einen toten Bruder, so Zeit-Kritikerin Katrin Hörnlein über Michael Gerard Bauers "Dinge, die so nicht bleiben können" (bestellen). Aber erwecken sie darum Mitleid? Nicht die Bohne, meint Katharina Laszlo in der FAZ. Die reden über ganz gewöhnliche Dinge statt über intime Probleme. Die lügen, was das Zeug hält. Was der Autor hier beschreibt, sind realistische Flucht- und Befreiungsstrategien, so Laszlo, für die das Buch ein "Meisterwerk" ist. In der SZ sekundiert Hilde Elisabeth Menzel: ein "dramaturgisches Meisterstück, wie Bauer von witzigen Improvisationen zu sehr ernsten Lebenserfahrungen gleitet. Marlen Hobrack annonciert in der taz mit den ersten beiden Bänden von Taiyo Matsumotos "Sunny"-Reihe (bestellen) ein "Ereignis" unter den Manga-Erscheinungen. Fasziniert taucht sie ein in die "melancholischen" Tuschezeichnungen, die ihr die Geschichten von japanischen Kindern erzählen, die aufgrund Verarmung, Überforderung oder Alkoholabhängigkeit der Eltern in Heimen oder bei Pflegeeltern aufwachsen.

Eva-Maria Magel (FAZ) ist tief beeindruckt von Kirsten Boies Buch "Dunkelnacht" (bestellen), das in "straffer Novellenform" von den Lynchmorden von Penzberg erzählt, einem unsäglichen Verbrechen aus den letzten Kriegstagen in Deutschland. Die drei jugendlichen Hauptprotagonisten sind fiktiv, doch das Geschehen, bei dem zwei Tage vor Kriegsende noch 16 Menschen von den Nazis hingerichtet wurden, ist wahr. Auch Roswitha Budeus-Budde findet in der SZ das Grauen der Autorin und "politischen Kämpferin" über diese Taten so nachvollziehbar dargestellt wie ihr Entsetzen, dass die Täter trotz Todesurteilen am Ende alle wieder frei kamen. Dass sie den "Totentanz" jener Nacht durch knappe Szenen und Dialoge beteiligter und betroffener junger Menschen darstellt, preist die Kritikerin besonders angesichts heutiger Parolen von Pegida und AfD, die zur Verharmlosung jener Zeit beitragen. Dirk Reinhardts Jugendroman "Perfect Storm" (bestellen) erzählt von einer Gruppe junger Hacker aus der ganzen Welt, die im Netz Menschenrechtsverletzungen, Machenschaften der Rohstoff- und Rüstungsindustrie und Ausbeutung in Afrika nachspüren. Das Thema ist nicht neu, aber hier rasant und topaktuell erzählt, versichert Bernd Graff in der SZ.

Sehr gut besprochen wurden außerdem "Schön wie die Acht" (bestellen) von Nikola Huppertz, die in ihrem Buch so disparate Themen wie Mathematik, Liebe, Lyrik und Patchworkfamilie vereinigt und daraus laut FAZ eine lesenswerte Geschichte macht, Lea-Lina Oppermanns "Fürchtet uns, wir sind die Zukunft" (bestellen), eine Coming-of-Age-Story um einen Jungpianisten und eine grünäugige Muse mit Spannung und Dylan Farrows Fantasyroman "Hush - Verbotene Worte" (bestellen), der von einem jungen Mädchen namens Shae erzählt, das in ärmlichsten Verhältnissen im fiktiven Reich Montane unter einem Alleinherrscher aufwächst und dem vorgeworfen wird, Realität und Einbildung zu verwechseln.