Magazinrundschau - Archiv

Commentary

9 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 05.01.2016 - Commentary

Zugegeben: Jonathan Foremans Artikel ist so polemisch, wie man es vom Commentary Magazine erwarten darf. Aber er ist ausführlich und trägt eine Menge Informationen zu Jeremy Corbyns Herkunft aus der Betonfraktion der britischen Linken zusammen. Foremans Ausblick ist nicht so optimistisch: "Es ist noch nicht so klar, ob Corbyn ein solches Gift für Wahlen ist, wie es Mainstreammedien und -politiker glauben. Beobachter innerhalb der Labour-Partei fürchten, dass Corbyn Premierminister wird, nachdem er die Partei verwandelt und die britische Politik nach links gerückt hat. Auch sie glauben, dass Corbyn nur geringe Chancen hat, die Wechselwähler 'Mittelenglands' zu gewinnen. Aber sie fürchten, dass Corbyn etwa eine Million Jungwähler gewinnen könnte, die keine Erinnerung an den Kalten Krieg oder gar das Versagen von Labour in den Siebzigern haben und die glauben, dass Corbyn etwas Frisches und Neues anzubieten hat."

Magazinrundschau vom 07.01.2014 - Commentary

Der Computerwissenschaftler David Gelernter ist empört über die Reaktionen auf Thomas Nagels letztes Buch. Nagel, ein Philosoph, hatte in "Mind & Cosmos" die Auffassung vertreten, dass Darwin und die moderne Kognitionswissenschaft nicht zu erklären vermögen, wie das Bewusstsein entstanden ist. Darauf hin wurde er von einem akademischen "Lynchmob", so Gelernter, "(symbolisch) zu Tode geprügelt". Dabei habe Nagel vollkommen recht. Die weit verbreitete Vorstellung, dass das Gehirn ein Computer und Bewusstsein eine Art Softwareapplikation sei, hält Gelernter aus mehreren Gründen für völligen Blödsinn. "Das Konzept der reinen Informationsverarbeitung behandelt den Geist, als sei sein Zweck einzig und allein Handeln und nicht auch Sein. Aber der Geist kann tun und sein. Computer sind Maschinen und ungenutzte Maschinen sind Verschwendung. Das gilt nicht für Ihren Geist. Er mag völlig ruhig sein, nichts tun (rechnen). Dennoch fühlen Sie sich vielleicht unglücklich oder aufgeregt oder ergriffen von der Schönheit eines Objekts vor Ihnen oder inspiriert oder entschlossen - und solche Momente könnten das Zentrum Ihres geistigen Lebens sein. Oder Sie sind einfach bewusst. 'I cannot see what flowers are at my feet,/Nor what soft incense hangs upon the boughs….Darkling I listen….' Das schrieb ein Computer namens John Keats."
Stichwörter: Gelernter, David, Keats, John

Magazinrundschau vom 14.02.2012 - Commentary

Christopher Hitchens mochte den Ruhm mehr als Andrew Ferguson lieb war. Er erinnert sich an eine Szene auf einer Party, mit Hitchens und Richard Dreyfuss. "Hitchens, der damals Washington-Kolumnist von The Nation war, stand ausdruckslos da, während Dreyfus einen Artikel, den Hitchens gerade geschrieben hatte, mit ausgiebigsten Lob überschüttete, und dann seine Arbeit insgesamt, und schließlich die Tatsache, dass er überhaupt existierte und mit seiner Person und dem, wofür er einstand, ein Beispiel für die ganze Menschheit abgebe... Nach dem Ende dieses Vulkanausbruchs dankte Hitchens Dreyfuss, und der Kinostar wandte sich um und schwebte davon wie ein Schulmädchen nach einem Backstage-Flirt mit Justin Bieber. Noch bevor ich meinem Erstaunen Ausdruvck geben konnte, bremste mich Hitchens mit eine Wolke aus seiner Rothman-Zigarette ab. 'Das passiert mir immerzu', sagte er."

Magazinrundschau vom 06.04.2010 - Commentary

Anne Bayefsky vom Hudson Institute kritisiert die Menschenrechtspolitik der Obama-Regierung, die sich nicht aus dem UN-Menschenrechtsrat zurückzieht. Und sie resümiert noch einmal den Verfall dieser Institution, die sie heute dominiert sieht von der Organisation der Islamischen Konferenz. Seit Jahren konzentriert sich der UN-Menschenrechtsrat vor allem auf Israel: "Die anderen 187 Staaten auf diesem Planeten bekommen einen Freifahrtschein des Rats, trotz der in Nigeria ermordeten Christen, der Geschlechterapartheid in Saudi Arabien, der systematischen Folter in Ägypten, Chinas eiserner Faust, des Genozids im Sudan und der ermordeten Menschenrechtskämpfer in Russland. Alles in allem richteten sich in der vierjährigen Geschichte des neuen Rats mehr als die Hälfte aller einen Staat betreffenden Resolutionen und Entscheidungen gegen Israel."

Magazinrundschau vom 23.06.2009 - Commentary

Nach dem Desaster von George W. Bushs Politik der "Ermunterung" zur Demokratie, etwa im Irak, die auch von der neokonservativen Zeitschrift Commentary mitgetragen wurde, fragt sich der Politologe Joshua Muravchik, warum Barack Obama und Hillary Clinton die Wörter "Menschenrechte" und "Demokratie" geradezu ängstlich zu vermeiden scheinen. Seiner Meinung nach hätten sie auch einen alternativen Zugang zum Thema suchen können: "Obama hätte die Bush-Regierung für ihre Art der Demokratieförderung geißeln und eine bessere Variante versprechen können. Statt dessen erklärte Michael McFaul, der für das Thema Demokratie in Obamas Wahlkampagne zuständig war, dass die neue Regierung 'weniger reden und mehr tun' würde als Bush. Aber als McFaul in den nationalen Sicherheitsrat berufen wurde, wurde ihm das Russland-Portfolio zugeordnet und nicht die Demokratieförderung. Dieser Posten, der unter Bush eine hohen Rang hatte, blieb leer."

Magazinrundschau vom 21.10.2008 - Commentary

Der Wirtschaftsjournalist John Steele Gordon sieht die gegenwärtige Finanzkrise nicht als Resultat eines losgelassenen Kapitalismus, sondern im Gegenteil als Folge des Versagens der quasi staatlichen, nur scheinbar unabhängigen Banken Fannie Mae und Freddie Mac, die auf Weisung der Politiker - unter anderem im Rahmen der "affirmative action" - Schulden in nie gekanntem Maße anhäuften und dabei "politisch bis in die Fingerspitzen" waren: "2007 wurden Fannie und Freddie 1.200 Milliarden Dollar an Außenständen in Hypotheken zugeschrieben". Nach Neuregulierungen in der Clinton-Ära "durften Fannie und Freddie das bis zu Vierzigfache ihres Kapitals in Hypotheken investieren. Normale Geschäftsbanken waren dagegen auf das Zehnfache ihres Kapitals begrenzt. Kurz gesagt erlaubte die Regierung Fannie und Freddie eine flagrante Unterkapitalisierung, um so die Zahl der Hypotheken erhöhen zu können - somit waren sie gegen die Pleite nicht mehr versichert... Dies war schlimm genug, aber die Politik machte es noch schlimmer. Fannie und Freddie gehörten bald zu den größten Finanzinstituten auf der Welt, aber anders als andere profitorientierte Institute hatten sie ihre Hauptquartiere in Washington, D.C. Managment und Aufsichtsrat kamen aus der politischen Welt. Und einige waren korrupt... Beide Firmen vergaben großzügig Spenden, vor allem an Kongressmitglieder, die in ihren Kontrollgremien saßen."

Magazinrundschau vom 15.04.2008 - Commentary

Mit großem Interesse hat Terry Teachout Kenneth Hamiltons Buch über die Geschichte des Klavierabends gelesen: "After the Golden Age - Romantic Pianism and Modern Performance". Das Goldene Zeitalter war das 19. Jahrhundert, als die Pianisten noch als Entertainer auftraten, improvisierten und mit dem Publikum sprachen. Heute kommen sie als stumme Frackschawalben, die in immergleicher Werktreue den immergleichen Beethoven exekutieren. Horowitz war der letzte Paradiesvogel - und Teachout resümiert: "Man muss Horowitz nicht als den Abgott interpretativer Tugend ansehen um zu verstehen, was Hamilton mit der nicht seltenen Fadheit des 'internationalen Stils' meint, der die Aufführungen klassischer Musik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dominiert."

Magazinrundschau vom 13.11.2007 - Commentary

Terry Teachout erinnert an den Cricketreporter und Musikkritiker des Manchester Guardian, Neville Cardus, dessen Autobiografie in einer "besser geordneten Welt" nicht vergessen, sondern zwischen H.L. Menckens "Newspaper Days" und A.J. Lieblings "Zwischen den Gängen" stehen würde. Dabei war Cardus, Sohn einer Gelegenheitsprostituierten, gerade mal vier Jahre zur Schule zur Schule gegangen, wie Teachout nicht zu erwähnen vergisst: "Wenn er über Arturo Toscanini schreibt, er dirigiere Brahms wie ein 'gigantisches Musikrad, das sich in einer unnachgiebigen Furche dreht', oder dass ihn Fritz Kreislers Geigenspiel 'an ein schönes Gesicht erinnert, das noch schöner wäre, wenn es Linien oder Falten hätte', begreift man seinen Punkt sofort. Kein Zweifel, Cardus schrieb auf diese Art nicht nur, weil er es konnte, sondern weil es musste. Seine musikalische Ausbildung bestand aus einem Jahr Gesangsunterricht, und die Nonchalance, mit der er sich über Partituren-lesende Kritiker äußerte, führt einen zu der Vermutung, dass seine eigenen Fähigkeiten in dieser Hinsicht äußerst begrenzt waren."

Magazinrundschau vom 17.05.2005 - Commentary

Am 28. Mai wird Dietrich Fischer-Dieskau achtzig Jahre alt. Der Musikkritiker Terry Teachout fragt sich, was von diesem Bariton bleiben wird, den die einen als größten Liedersänger seiner Zeit feierten, die anderen ebenso vehement als pingelig, schlaff und schmachtend kritisierten. Teachout zählt zu den Bewunderern, doch hat er sich im Laufe der Jahre auch mit einer älteren Schule angefreundet - der von Richard Tauber. Den Unterschied verdeutlicht er an einem Beispiel, Schuberts "Gute Nacht", das Tauber mehr wie eine Ballade sang, Fischer-Dieskau dagegen wie ein Schauspieler, der einen Monolog in der ersten Person hält. "Sicher, Fischer-Dieskau singt 'Gute Nacht', er rezitiert es nicht. Seine Interpretation ist genauso tief in Schuberts Musik verwurzelt wie in Müllers Worten. Dennoch könnte der Unterschied zu Tauber kaum größer sein. Ich bin versucht, die beiden Stile mit denen von Frank Sinatra und Bing Crosby zu vergleichen: Sinatras emotionale Aufrichtigkeit steht in starkem Kontrast zur undurchdringlichen Reserve Crosbys, der einst den Lyriker Johnny Burke gebeten hatte, keine Lieder für ihn zu schreiben mit der Phrase 'Ich liebe dich'. Anders als Sinatra war er nie ein bekennender Künstler und die Intensität, die frühe Aufnahmen von Balladen wie 'Stardust' hatten, war eher musikalisch als dramatisch."

Weitere Artikel: Unbedingt lesenswert ist eine Studie des britischen Publizisten David Pryce-Jones über das Verhältnis der französischen Elite zu Arabern und Juden. "Viel wurde geschrieben über die Rolle europäischer Akademiker, Intellektueller und Journalisten, die muslimischen Antisemitismus entschuldigen, rechtfertigen oder damit sympathisieren. Nicht weniger, ja sogar mehr, gilt dies für (französische) Politiker." Und dann macht sich Pryce-Jones auf (ausgedruckten) 19 Seiten daran, die in dieser Hinsicht wenig ruhmreiche Geschichte des Außenministeriums am Quai d'Orsay auseinanderzunehmen.