Knapp ein Monat nach der
Veröffentlichung in Portugal erscheint das neue Buch von
Jose Saramago, "Ensaio sobre a lucidez" (Essay über die Klarheit) nun auch auf Spanisch. Der Literatur-Nobelpreisträger malt sich aus, was passieren würde, wenn bei einer Wahl alle Bürger plötzlich
leere Stimmzettel abgäben. "Wir leben in einer Schein-Demokratie, in der sich die politische der wirtschaftlichen Macht unterordnet oder einfach nur ihre Komplizin ist, während der
resignierte Bürger sich auf seine Rolle als Wähler beschränkt",
erklärt Saramago in einem Interview mit
El Cultural, der Kulturbeilage der spanischen Tageszeitung
El Mundo. Mit seinem Buch trete er allerdings keineswegs für leere Stimmzettel ein. "Ich zeige nur eine Möglichkeit auf und beschreibe die Konsequenzen". Alles andere stünde dem strammen Kommunisten auch nicht gut zu Gesicht: immerhin ist er
Kandidat eines Linskbündnisses für die anstehenden Europawahlen.
Norberto Fuentes dürfte mit Saramagos Parolen nur wenig anfangen können. Der seit 1991 im US-amerikanischen Exil lebende kubanische Schriftsteller - vom
Spiegel einmal "
Rächer der Erschossenen"
genannt- hat ein bemerkenswertes Projekt in Angriff genommen: so zu tun, als sei er
Fidel Castro, der seine Memoiren schreibt. Der erste Band dieser fiktiven Erinnerungen erscheint nun in Spanien, und
El Cultural veröffentlicht Auszüge: "Meine Feinseligkeit gegenüber den USA wurzelt tief in meiner
Psyche. Erstens war mein Vater Soldat unter Valeriano Weyler, und schon der litt an einem tiefen Ressentiment wegen der Niederlage Spaniens gegen die USA ..."
Interessanter ist "
Der siebte Tag", der neue Film von Spaniens Regie-Altmeister und Fotograf
Carlos Saura. Es geht um eine wahre Begebenheit in einem kleinen Ort in Extremadura, Puerto Hurraco: eine
Familienfehde, die 1990 in einem wahren Massaker endete und neun Tote und zwölf Verletzte hinterließ. Ursache waren anscheinend Streitigkeiten um
Landbesitz. "Alles Übel und alle Kriege wurzeln in Territorialkonflikten... es gibt da etwas
Tierisches im Menschen",
meint Saura im Interview. Das Drehbuch schrieb übrigens einer der erfolgreichsten jüngeren Schriftsteller Spaniens,
Ray Loriga.
Eine weitere frei zugängliche Beilage von El Mundo ist die sonntags erscheinende "
Cronica". Hier werden noch einmal die
Terroranschläge des 11. März analysiert. Lesenswert (wenngleich, wie häufig in dieser Zeitung, etwas reißerisch) sind etwa das
Tagebuch einer Marrokanerin über den seitdem wachsenden
Rassismus im Einwandererviertel
Lavapies in Madrid sowie ein
Besuch in Marokko bei der Familie eines der vermeintlichen Terroristen.