Magazinrundschau - Archiv

The Hudson Review

3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 15.09.2020 - Hudson Review

Für das aktuelle Heft des Magazin für Literatur und Kunst schickt Alia Ahmed einen Brief aus Karatschi, genauer aus Lyari, dem ältesten und am dichtesten besiedelten Stadtteil: "Ähnlich wie Kibera in Nigeria ist Lyari bekannt als 'Klein-Brasilien', wegen seiner Fußballverrücktheit in einer ansonsten dem Kricket verschriebenen Nation. Lyari ist außerdem Heimat von Karatschis schwarzer afrikanischer Community, Nachfahren der Sklaven aus dem Oman, die schließlich Teil der lokalen Baloch Community wurden; sie heißen Makranis oder Sheedis. Einige von Lyaris buntesten und lebendigsten Straßen erinnern an ihre Wurzeln: Mombasa Street etwa. Als Obama in die zweite Amtszeit ging, feierten Sheedi ihn mit einem traditionellen afrikanischen Tanz. Während der WM 2018 sah es hier aus wie in einer brasilianischen Favela. Überall waren die brüchigen Wände mit den brasilianischen Nationalfarben bemalt, brasilianische Fahnen hingen von den Überlandleitungen. Die Spielerkonterfeis prangten auf den Mauern. Auch andere Teams waren präsent, aber vor allem Brasilien. Handgemalte Porträts von Neymar und Messi statt der üblichen politischen Graffiti dekorierten die Mauern. Ronaldinho kam und spielte ein Match. Ich frage mich, ob die Brasilianer wissen, wie sehr sie geliebt werden an diesem problembehafteten Ende Pakistans, aus dem die besten Fußballer des Landes kommen. Die Missachtung Lyaris hat eine lange Geschichte. Die Hindu-Händler, die Karatschi noch vor der britischen Herrschaft groß machten, hatten kein Interesse, die arme muslimische Bevölkerung durchzufüttern, ebenso die Kolonisten … Lyari ist ein Mikrokosmos, in dem sich die Hauptfrage Karatschis seit der Unabhängigkeit spiegelt: Wem gehört die Stadt? Benazir Bhutto feierte ihre Hochzeit hier, um die Beziehung der Partei mit dem Viertel zu bekräftigen. Früher mag die Frage mit Messern ausgetragen worden sein, mit den russischen Waffen aus dem Sowjetisch-Afghanischen Krieg wurde sie immer tödlicher. Seit 09/11 kamen neue Bewerber: Extremisten, entschlossen, die indigenen Formen islamischen und sufistischen Glaubens, ihre Heiligenfiguren und Schreine, zu zerstören."

Magazinrundschau vom 16.09.2014 - Hudson Review

Sehr gelehrt, aber wunderbar lesbar begibt sich der Musikwissenschaftler Peter Bloom auf die Spur von Hector Berlioz" Liebe zu Shakespeare, die sich in einigen Werken, aber auch in einer Parodie des Hamlet-Monologs artikulierte, in der sich Berlioz über das damals entstehende musikalische Starsystem mokierte. "An anderer Stelle beklagt er die Dumpfheit des Publikums. In der Grabszene, dem fantasievollsten Moment in seiner Oper nach "Romeo und Julia", hält er in einer Notiz in der Partitur fest: "Das Publikum hat keine Fantasie. Werke, die sich allein an die Fantasie richten, haben also kein Publikum." Er fordert dazu auf, die Szene nur dann zu spielen, wenn sich im Publikum einige sensible Hörer und Leser des Stücks befinden. Mit anderen Worten: "In 99 Prozent der Fälle sollte auf sie verzichtet werden.""

Hier Berlioz" wegen schwieriger Besetzung (ein im Hintergrund vokalisierender Chor) selten aufgeführter Trauermarsch für Hamlet:



Noch ein Artikel für Musikinteressierte: Carol J. Oja bespricht im TLS David C. Pauls Studie "Charles Ives in the Mirror" über die Ives-Rezeption in den USA.

Magazinrundschau vom 26.08.2008 - Hudson Review

In einem ganz wunderbaren Artikel erzählt Jefferson Hunter die Geschichte des Boxer-Films "The Set Up" - eine RKO-Produktion von 1949. Regie führte Robert Wise, die Hauptrolle spielte Robert Ryan, in einer Nebenrolle gibt Weegee einen der Zeitnehmer, "Fedora auf dem Kopf, Zigarre im Mund, Stoppuhr und Hammer in den Händen". Der Film basiert auf dem gleichnamigen, 1928 veröffentlichten Versepos von Joseph Moncure March. "Für den Film behielt RKO den größten Teil des originalen, gewalttätigen Plots bei, folgte Marchs blitzschnell wechselnden Stimmungen von Verachtung, Angst und voraussehbarer Niederlage, erfand sogar brillante filmische Entsprechungen für seine hämmernden Versrhythmen. Aber RKO nahm auch Veränderungen vor, einige größer, andere kleiner - Veränderungen von der Art, die March, immer zynischer werdend, aus der Zeit in den 1930ern kannte, als er als Drehbuchautor für die Studios selbst künstlerische Kompromisse machen musste. Die Geschichte darüber, was Hollywood 'The Set Up' angetan hat ist kompliziert - genauso kompliziert und faszinierend, wie Marchs Gedicht selbst und genau so eine Mischung aus hartnäckiger Treue und schäbigem Verrat."

Hier ein Filmausschnitt:


Stichwörter: Versepos