Magazinrundschau - Archiv

MIT Press Reader

2 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 21.03.2023 - MIT Press Reader

Der Optimierungsdrang macht auch vor Müttern nicht Halt - und die zunehmenden Möglichkeiten der modernen Medizin tragen ihren Teil dazu bei, meinen Jessica Clements und Kari Nixon in der MIT Press. Wenn eine Schwangere trotz aller bekannten Risiken dennoch krank wird, war sie wohl nicht aufmerksam genug, lautet manchmal das implizite moralische Urteil: "Als die theoretische Möglichkeit eines risikofreien Lebens mehr und mehr als real erschien, passierte etwas Seltsames: Die Gesellschaft wurde ängstlicher gegenüber gesundheitlichen Risiken, gerade weil sie das Gefühl hatte, sie vermeiden zu können. In anderen Worten, je näher die Fantasie vom rundum sicheren und gesunden Leben gerückt ist, desto mehr Menschen haben den Druck verspürt, immer wachsam zu bleiben und alle Risiken zu vermeiden. Wenn Krankheiten theoretisch vermeidbar sind, scheint es so, dass auch jeder alles tun müsste, eben um sie zu vermeiden. In genau dem Moment, als Krankheiten nicht mehr als unvermeidlich gesehen wurden, hat sich der neoliberale Gedanke eingeschlichen, gute, verantwortungsbewusste Menschen würden immer ein Mittel finden, solchen Risiken aus dem Weg zu gehen." Das, so die Autorinnen, trägt insbesondere für leicht zu verunsichernde Schwangere dazu bei, ein Ideal der perfekten Mutter zu schaffen, das unerreichbar bleiben muss. Was genau der Neoliberalismus damit zu tun hat, erschließt sich einem allerdings nicht.

Magazinrundschau vom 20.12.2022 - MIT Press Reader

Atemberaubend, welche Fortschritte Künstliche Intelligenz im Jahr 2022 in Sachen Ästhetik vollzogen hat - ob nun in der Bildproduktion (unser Resümee) oder zuletzt auch im Bereich der Sprache. Schon kursieren Gedichte, die sich zumindest auf den ersten Blick von menschgemachter Lyrik nicht unterscheiden lässt. Kommt damit das große Projekt des Surrealismus - der "Cadavre Exquis", die "ecriture automatique" - an seinen logischen Endpunkt? Oder können Computer gar keine Poesie schaffen? Das sind Fragen, die sich der Psychologe und Dichter Keith J. Holyoak in seinem Essay stellt. Der Begriff des Bewusstseins ist dabei für ihn zentral: "Die einzig unstrittige Aussage, die sich über das Bewusstsein fällen lässt, ist die, dass es unter Philosophen, Psychologen, Neurowissenschaftlern und K.I.-Forschern keinen Konsens gibt. Einige Neurowissenschaftlern glauben, dass sie kurz vor dem Durchbruch stehen und eine materielle Beschreibung von Bewusstsein leisten können, und einige K.I.-Forscher glauben, dass Maschinen unausweichlich Bewusstsein erlangen werden - und zwar als emergente Eigenschaft, sobald ein kritisches Maß an Komplexität erreicht ist. Soweit ich das beurteilen kann (und ich räume gerne ein, dass meine Mittel dafür begrenzt sind), schenke ich diesen Behauptungen keinen Glauben. Das Komplexitätsargument schien vor einem halben Jahrhundert zwar plausibel, als Computer noch in der Wiege lagen. Doch was die Gegenwart betrifft, wagen Sie ein einfaches Gedankenexperiment: Was ist komplexer - das Internet (inklusive jedes einzelnen Computers, der daran angeschlossen ist) oder das Gehirn eines Frosches? Ich würde sagen, das Internet. Und was hat wohl am wahrscheinlichsten eine Art inneres Erleben - das Internet oder der Frosch? Ich setze mein Geld auf die Amphibie. ... Auch wenn ich offiziell Agnostiker bleibe, führt mich die Übermacht der Beweislage für den Sinn und Zweck der spezifischen Frage, die uns hier beschäftigt - kann Künstliche Intelligenz authentische Poesie schaffen? - zur Antwort 'nein'. Künstliche Intelligenz hat allem Anschein nach keinen Zugang zu einer inneren Erfahrung, die für mich (und viele andere) die ultimative Quelle authentischer Poesie ist. Ein wichtiger Folgeschluss dieses Resultats verdient es, ebenfalls erwähnt zu werden: Innere Erfahrung kann nicht als Rechenprozess definiert werden."