Magazinrundschau
Bekenntnis zur Realität
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
21.03.2023. Prospect beschreibt die polnisch-ukrainischen Beziehungen, die nicht immer ungetrübt waren. American Scholar lauscht ihrem Tinnitus. Der New Yorker porträtiert Balenciaga-Couturier Demna Gvasalia. Hakai überprüft, ob Seetang Klima- und Hungerkrise lösen könnte. Die LRB kramt ihre Baudelaire-Anthologie hervor. Die NYT besucht traumatisierte ukrainische Soldaten im Krankenhaus. Criterion Collection erinnert an die tschechische Regisseurin Ester Krumbachóva. Granta überlegt, was normal ist.
Prospect (UK), 01.04.2023

Eurozine (Österreich), 17.03.2023

New Yorker (USA), 27.03.2023

Die Hoffnung, dass sich durch die (vermeintliche) Wunderdroge Ozempic etwas an der Wahrnehmung und Bewertung von Körpern ändert, hält Essayistin Jia Tolentino für verfrüht. Der Wirkstoff Semaglutid verspricht durch seine das Hungergefühl hemmende Wirkung zwar große Erfolge in der Behandlung von Diabetes-bedingtem chronischen Übergewicht, kann allerdings von Übelkeit bis Erschöpfung unangenehme Nebenwirkungen haben - die größte Gefahr besteht aber vielleicht in der Zweckentfremdung des Medikaments zum Erreichen eines dünnen Traumkörpers. Tolentino beschreibt eine besorgniserregende Sorglosigkeit, mit der profitorientierte Medizinunternehmen das Medikament einfach so verschreiben - und mit der völlig Normalgewichtige Risiken auf sich nehmen: "Als ich anderen Leuten von meinem Semaglutid-Vorrat erzählt habe, waren sie sehr interessiert. 'Soll ich es mal ausprobieren und dein Versuchskaninchen sein?', hat mich ein Freund gefragt. Ich habe ihn daran erinnert, dass er sowieso schon dünn ist. 'Ich bin eher schlank wie Gigi Hadid', hat er geantwortet, 'aber ich könnte so dünn sein wie Bella Hadid.' Es war scherzhaft gemeint, zumindest so halb. Ich war neugierig, ob ich auch dann ein Rezept dafür bekommen könnte, wenn ich nicht über mein Gewicht lüge. Ich habe die Website eines Telehealth-Unternehmens gefunden, das Semaglutid bewirbt und dieses Mal meine richtige Größe und mein tatsächliches Gewicht eingegeben, das einer Frau, die Größe 36 trägt. Ein Arzt hat mich am nächsten Morgen angerufen; ich habe ihm erzählt, ich hätte 2020 ein Baby bekommen und würde gerne 15 Pfund abnehmen. 'Genau für solche Fälle gibt es unser Programm', hat er behauptet. Er hat die möglichen Nebenwirkungen mit mir diskutiert - 'das einzige, das man befürchten muss, wäre eine leichte Übelkeit' - und erklärte mir, ich müsste während der Behandlung weder ärztlich begleitet werden noch Blut abgenommen bekommen. 'Es ist total harmlos, es sind doch nur Peptide', beschwichtigt er. 'Damit alles wieder ins Gleichgewicht kommt.'"
Hakai (Kanada), 20.03.2023

American Scholar (USA), 16.03.2023

London Review of Books (UK), 20.03.2023

Und hier kann man Ferré hören:
MIT Press Reader (USA), 20.03.2023

Elet es Irodalom (Ungarn), 17.03.2023

Granta (UK), 01.03.2023

Criterion Collection (USA), 10.03.2023

The Critic (UK), 12.03.2023

Tablet (USA), 20.03.2023

Info (Tschechien), 18.03.2023
Marek Kerles erinnert an die wenig bekannte Tatsache, dass die tschechoslowakischen Deutschen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik (1918-1938) das Recht hatten, bei offiziellen Anlässen die Nationalhymne "Kde domov můj" auf Deutsch zu singen. "Bis heute streiten Historiker darüber, ob Hitlers Expansion [die Besetzung der Sudetengebiete und anschließend des ganzen Landes] hätte verhindert werden können, wenn die Tschechoslowakei der zahlreichen deutschen Minderheit stärker entgegengekommen wäre, deren Klagen über die Unterdrückung ihrer Rechte ein wichtiges Instrument von Hitlers Expansionspolitik wurden." Viele Deutsche in den Sudeten und andernorts störte zum Beispiel, dass alle Beamten eine Prüfung in der tschechischen Amtssprache ablegen mussten, und dies auch in rein deutsch bewohnten Gebieten. Auch in anderen Bereichen habe sich die deutsche Minderheit unterdrückt gefühlt. Gerade das Beispiel der deutschen Hymnenfassung "Wo ist mein Heim, mein Vaterland" zeige jedoch, dass sich die Staatsverwaltung nach dem Zerfall der Monarchie mit konkreten Schritten darum bemühte, dass auch die Deutschtschechen sich mit dem neuen Staat identifizierten und ihn als den ihren ansahen. Laut dem Historiker Petr Koura vom Collegium Bohemicum wählte das tschechoslowakische Schulministerium bereits 1918 die offizielle Übersetzung der Nationalhymne aus, die dann auch an den deutschsprachigen Schulen in den Lehrbüchern und im Unterricht gelehrt wurde.
New York Times (USA), 19.03.2023

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