Snapshots Blog - von Sascha Josuweit

Schwarzmann und der weiße Tod (1)

Von Sascha Josuweit
18.08.2014. Aleatorisch Bildmaterial, Netznews und Gossip verarbeitend erkundet unser Autor die Möglichkeiten eines Parallelfeuilletons
Der Rio Lagos war eine Sandkiste. Seit wie vielen Monaten hatte es nicht geregnet, 4, 5? Das Löschflugzeug war fast täglich zu sehen. Es erhob sich schwerfällig vom Plateau am Punta de las Ballenas und flog dann im Tiefflug in östlicher Richtung die Küste entlang. Wenn Maria ihre Bar öffnete, machte Paco einen Schlenker vor ihrer hübschen Nase. "Hola, Maria." Ihre Schenkel zitterten jedesmal, wie bei einem Teenager.
Abb.: Das Halbe kostete bei Maria nur noch zwei Euro.Abb.: Das Halbe kostete bei Maria nur noch zwei Euro.

Enrico Delgado Schwarzmann schaltete in den ersten Gang runter. Der Motor des alten Seat Marbella heulte auf, als er die Steigung nahm. Dann ließ er den Wagen einfach ausrollen bis vor Marias Bude. "Hola, Schätzchen, geht's dir gut?" Klaro. Wenn er Maria sah, ging es ihm blendend. Sie war die Königin der Costa del Sol zwischen Málaga und Motril, ach was, Almeria oder noch weiter, Herrscherin über kalte Drinks und einen Haufen schräger Vögel - Säufer, Surfer, Wannabes, Busfahrer, Angeber und neuerdings Pleitegeier. Die hatten hier investiert, Ferienanlagen mit Pool, Tennis und allem Pipapo, wahlweise direkt am Strand oder auf den sanft ansteigenden Hügelketten, Sicht bis zur algerischen Küste. Von wegen. Die Baufirmen waren bankrott, noch ehe der Beton trocken war. Da standen sie, an den schönsten Plätzen der Costa, und rosteten vor sich hin: hässliche Gerippe, die einem den Blick verstellten. Vielleicht hatte jemand irgendwann wenigstens die Kohle, die Abrissbirne zu bezahlen. Das alles zog weite Kreise. Jeder kannte jemanden, der in so einer Ruine Geld versenkt hatte. Victoria, zum Beispiel, seine Haushälterin. Ihr halbes Leben lang hatte sie gespart, von der Hand in den Mund gelebt, und dann kam so ein schmieriger Typ von der Bank mit einem astreinen Portfolio unterm Arm und alles war futsch. Den Typen sah sie nie wieder, genau wie ihr Geld. Es machte ihn rasend. "Se vende" stand in dieser Saison an jedem dritten Haus, von den Wohnungen ganz zu schweigen. Und wer sollte das kaufen? Die Leute hier waren so blank, dass Maria mit den Bierpreisen runtergehen musste. Das Halbe kostete nur noch zwei Euro. Das machte wieder Sinn. Auch wenn man die Raten nicht mehr zahlen konnte, sich zudröhnen ging immer noch. "Maria, una cerveza." Maria stellte ihm ein eiskaltes Mahou hin und legte die Ducados daneben. "Für dich immer. Ein Wort und ich mach hier dicht und geh mit dir, wohin du willst." Das Problem war nur, er ging nirgendwo hin. Sie wusste das. Paco war da anders, auch wenn er selten über Murcia hinauskam mit seinem Vogel. Er hatte diesen Blick ins Weite, das zog sie an. Aber wenn es nicht bald regnete, war sowieso alles Asche hier …