Vom Nachttisch geräumt
Diese Verunsicherung der Mitte
Von Arno Widmann
28.10.2019. Verlag ohne Verleger: "Fundus" erzählt in 2313 O-Tönen vom Verlag der Autoren 1969-2019.
Es ist ein Band, in dem man zu blättern beginnt und den man nur schwer wieder niederlegt, bevor man ihn zu Ende gelesen hat. All die Namen! Botho Strauß, Peter Handke, Heiner Müller. Wie sie mitmachten und dann wieder verschwanden, wieder kamen. Der Verlag der Autoren umfasst heute die Bereiche Theater, Hörspiel, Film & TV, Choreographie, Literaturagentur. Wann was dazu kam und warum, kann man alles dem Buch entnehmen. Auch wie die Gewichte sich verschieben, andere Autoren, anderes Theater, andere Hörspiele relevant werden. Jedes Projekt ist das Projekt einer Generation. Wenn es fünfzig Jahre besteht, hat es mindestens einen Generationswechsel überstanden.

In der Saison 1978/1979 - zehn Jahre vor dem Mauerfall - war "Bezahlt wird nicht" von Dario Fo das meistgespielte Stück an deutschen Bühnen. Man sollte es heute - angesichts der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen - wieder zeigen. Daneben stehen inzwischen vergessene Namen, die ich mir notiert habe. Zum Wiederlesen. Was ist mit den Dialektstücken, die in den 70er Jahren so großen Erfolg hatten? All diese Entdeckungsfahrten in die unbekannten Nähen der Arbeitswelt, der Intimbeziehungen? Wir glaubten uns klüger geworden durch sie. Ein Irrtum? Wer erkundet heute die unbekannten Terrains mitten unter uns? Tut das noch das Theater? Macht das noch der Verlag der Autoren? In einem Protokoll der Vollversammlung vom 25. Mai 2001 heißt es: "Diese Verunsicherung der Mitte, die durch den Verlust und die Infragestellung von Sichergeglaubtem, ja geradezu Gepachtetem ausgelöst ist: dem Verlust nämlich von Jobs und Aktiengewinnen ebenso wie von allgemeinverbindlichen Werten, ist ein Thema, das vielleicht in der Luft liegt." Seit zwanzig Jahren. Sind wir schlauer geworden? Wir benutzen noch immer dieselben Wörter. Für noch immer dieselbe Situation?
Fundus - Das Buch vom Verlag der Autoren 1969-2019, hrsg. von Wolfgang Schopf und Marion Victor, Verlag der Autoren, 302 Seiten mit weit über 300 Abbildungen, 39 Euro.
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