Andre Kubiczek

Junge Talente

Roman
Cover: Junge Talente
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783871344466
Gebunden, 223 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Infolge historischer Missgeschicke in einem Harzer Städtchen zur Welt gekommen, gerät Less bereits als Junge in stille Opposition zu seiner Umgebung. Später drückt sich seine Verweigerung im Erscheinungsbild aus, das es dem werdenden Dandy unmöglich macht, ein passendes weibliches Pendant zu finden. Einzig Less' Kusine Radost, die während eines denkwürdigen Sommers eine Prise Berliner Boheme in die Provinz bringt, vermag ihn wirklich zu fesseln... Andre Kubiczeks Debüt beschwört die träge und zugleich spannungsgeladene Atmosphäre der DDR-Endzeit herauf. Die jungen Talente, die diesen eigentümlichen Kosmos bevölkern, sind allesamt Exzentriker und Träumer, die sich auf unterschiedlichste Weise der staatlichen Bevormundung entziehen - und so ganz unbeabsichtigt zum Zusammenbruch des Systems beitragen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.07.2002

Mit diesem Roman über einen Jugendlichen in den letzten Jahren der DDR habe der 1969 in Potsdam geborene Kubiczek einen Roman vorgelegt, der über die bloße Talentprobe weit hinausreiche, findet Rezensent Michael Grus. Dieser "etwas andere Erziehungsroman" erzähle "atmosphärisch und detailgenau" die Geschichte eines jungen Punks aus der thüringischen Provinz, dessen oppositionelle Haltung zunächst von Leichtsinn und Langeweile getragen ist, sich aber in Ostberlin allmählich zu einer kritisch-reflektierten entwickelt, wie Grus zusammenfasst. Kubiczeks Impressionen sind ihm dabei so atemberaubend wie die meterhohe Staubschicht in den Köpfen der Kollektive - oder auch die Luft der Ostberliner Eckkneipen. Allein die oppositionellen Kreise des Prenzlauer Bergs sind Grus als Batikschnepfen, Öko-Hippies, Teetrinker und Kirchgänger zu grell karikiert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.06.2002

"Junge Talente" setzt sich von den üblichen Romanen, die vom Leben in der DDR erzählen, durch die Tatsache ab, dass er eine Gegenwelt erschaffen will, die "wahrhaftig" und "offen für Visionen und für Schönheit" ist, lobt Rezensent Andreas Nentwich in seiner ausführlichen Besprechung. Es handelt sich hier um den "Bildungsroman eines Empfindlichen". Nentwich ist froh, dass der Autor nicht in dem für dieses Genre üblichen Desillusionierungston erstarrt. Überhaupt weckt der 1969 in Potsdam geborene Autor in ihm die "Hoffnung auf künftige poetische Epiphanien". Nentwich lobt Kubiczeks Fähigkeit, mit wenigen Worten genaue Bilder entstehen zu lassen. Leider, schränkt er ein, fehlt dem Roman eine einheitliche Tonlage. Auch gebe es in diesem Buch auch zu viele "Brillanzbeweise", die sich negativ auf die Imaginationslust des Lesers auswirkten. Nentwich ist jedoch überzeugt, dass Kubiczek es zu "literarischen Meisterleistungen" bringen wird, wenn er sich in Zukunft in "Beschränkung" übt

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.04.2002

Der Rezensent Gerrit Bartels zeigt sich fasziniert von dem Erstlingswerk des ostdeutschen Autor Andre Kubiczek, für dessen Geschichte um den jungen "Romantiker" Less und seinen Weg in die weite Welt (Ostberlin) die Zeitgeschichte oder etwa das Staatssystem der DDR keine Rolle zu spielen scheinen. Wie Bartels überhaupt feststellt, dass die deutsche Jugend der achtziger Jahre in ihrer orientierungslosen Auflehnung schon immer geeint war: Durchschnittsbürger wollten sie um keinen Preis sein und hoben sich darum mit wohldurchdachter Kleidung ab. Begeistert ist Gerrit Bartels von dem "Figurenpersonal" der Subkultur mit den dazugehörenden Songs und Büchern, das Kubiczek auffährt, gleichsam ein "Exzerpt aus dem Pop-Kanon der achtziger Jahre" verfassend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.04.2002

Was für ein Buch! In Rezensent Jens Bisky hat es glatt eine Persönlichkeitsspaltung ausgelöst: Seine Rezension kommt in der eigenwilligen Form eines Dramoletts daher. Darin debattieren die drei letzten Mitglieder der Arbeitsgruppe zur "Förderung realistischer Tendenzen", Frau Dr. Scherlein, "prinzipienfest und offenherzig", der "bärtige" Professor Tör, "ein Kenner", und Kotte, "Mitte dreißig, der noch immer dort wohnt, wo der Untergang des Sozialismus ihn überraschte" über André Kubiczeks Roman "Junge Talente". Die wichtigsten Ergebnisse der Debatte seien hier kurz referiert: Frau Scherlein erblickt in "Junge Talente" ein "eindrucksvolles Panorama der späten DDR", während Prof. Tör sich kleinlich über die sprechenden Namen im Roman (Onkel "Mahner", der biertrinkende Punk "Beck", der Dichter "Schnabel", usw.) mokiert, und Kotte den Blick auf die Liebesgeschichten zu lenken sucht. Darauf weist Scherlein Törs Vorwurf zurück, es handle sich um eine bloße Pubertätsgeschichte. Vielmehr seien hier privates und politisches Schicksal ineinander verwoben. "Meisterhaft" findet Scherlein denn auch, wie der Autor Beobachtungen und Geschmacksurteile zu einer "Aussage über die gesellschaftlichen Zustände verdichtet". Was Scherlein "meisterhaft" nennt, schimpft Tör ein Sammelsurium aus "Kurzrezensionen, bissigen Kritiken, Schimpfreden", jede Erscheinung der Wirklichkeit werde eine vorhersagbare Diagnose zugeteilt und auf die Komposition des Romans sei nicht viel Mühe verwendet worden. Kotte stimmt insofern zu, als er sich die ersten sechzig Seiten ziemlich gelangweilt hat. Dann aber, in Berlin, gewinnt die Geschichte seiner Meinung nach doch an Fahrt, wird farbig, lebensnah. Kotte jedenfalls hat sich köstlich amüsiert. Tör findet das Buch schlampig, und Scherlein ist zumindest beeindruckt. Unser armer Rezensent aber kann sich nicht entscheiden.
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