Charlie Kaufman

Ameisig

Roman
Cover: Ameisig
Carl Hanser Verlag, München 2021
ISBN 9783446268333
Gebunden, 864 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. B. Rosenberg kriegt nichts auf die Reihe, außer Kritiken zu schreiben, die keiner liest. Der New Yorker Stadtneurotiker prahlt mit der schwarzen Hautfarbe seiner Freundin und wehrt sich gegen die Unterstellung, er sei Jude. Nicht einmal ein Geschlecht will er haben und nennt sich einfach nur B. Dann jedoch stößt er auf den längsten jemals gedrehten Film und hat eine Mission: Er möchte den ungesehenen Film der Welt zeigen. Doch das Meisterwerk geht in Flammen auf, und B. kann es nur nachträumen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2021

Rezensent Jan Wiele ist hoffnungslos überfordert mit Charlie Kaufmans Romandebüt. Dabei ist er Fan von Kaufmans Drehbüchern ("Being John Malkovich", "Adaptation"). Leider führt der mysteriöse Tunnel diesmal nicht in den Kopf von Malkovich, sondern in das Hirn eines Filmkritikers - für den Autor laut Wiele Anlass, auf 900 Seiten über die gesamte Film- und Literaturgeschichte zu dozieren, Popeye, Picasso, Shakespeare und sämtliche Neurotiker aus Woody Allens Filmen aufzubieten und die Themen Scheitern, Identitätspolitik, Wokeness und noch mehr abzuhandeln. Sehr geschickt findet Wiele, dass die Erzählerfigur als Karikatur rüberkommt. So wird sie unangreifbar. Der Text scheint ihm dennoch eher ein Rohjuwel zu sein, dem die Politur fehlt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.04.2021

Rezensent Fritz Göttler verortet Charlie Kaufmans überintellektuellen, universell-eschatologischen Romankomplex "Ameisig" in den olympischen Höhen von James Joyce und Arno Schmidt, um deren Werke sich auch ganze Dechiffrierkartelle gebildet hätten. Der Roman erzählt vom Filmkritiker B. Rosenberger Rosenberg, dessen Wokeness sich weniger als Ausdruck liberaler Einstellung entpuppt denn als kleinliche Rechthaberei. Göttler fragt sich kurz, ob Kaufman damit auf Richard Brody zielt, Filmkritiker beim Magazin New Yorker, erzählt dann aber gleich beschwingt weiter: Der "verbissene Cineast" Rosenberg mache sich daran, das durch ein Feuer verloren gegangene dreimonatige Riesenfilmwerk des Afroamerikaners Ingo Cutbuth zu rekonstruieren. Der hingerissene Rezensent amüsiert sich prächtig mit all den von Kaufman aufgebotenen Anspielungen, Seitenhieben und Filmdiskursen über große Regisseure und überschätzte ("Starbucks, der Christopher Nolan des Kaffees!"), lässt sich aber auch anstecken von Kaufmans aufrichtiger Liebe zu den "besessenen Wirrköpfen" des Kinos. Aus "achthundert Seiten Aberwitz" wird am Ende für den Göttler ein "Meisterwerk der Melancholie".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.03.2021

Rezensent Fabian Wolff spürt Charlie Kaufmans Selbsthass auf jeder Seite des Buches. Der Clou liegt für ihn darin, wie der einst hoffnungsvolle Drehbuchautor Kaufman in seinem Debütroman seine ganze Kunst der Referenzen und narrativen Spleens und den Typus des neurotischen jüdischen Intellektuellen (hier: ein Filmkritiker) noch einmal auffährt, um dann alles in einem grandiosen selbstzerstörerischen Akt gegen die Wand zu donnern. Das ist für Wolff nicht ohne Chuzpe und Können. Ob das deutsche Publikum das satirische Namedropping und den New Yorker Kulturtratsch im Text goutiert, bezweifelt der Rezensent.
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