Christoph Menke

Theorie der Befreiung

Cover: Theorie der Befreiung
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518587928
Gebunden, 720 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Wir leben in einer Zeit gescheiterter Befreiungen. Denn bei Lichte besehen haben alle Befreiungsversuche früher oder später neue Formen der Herrschaft und damit der Knechtschaft hervorgebracht. Für Christoph Menke verlangt die Erklärung dieser Situation nach einer Umkehrung des Blicks. Anstatt uns einfach dem nächsten Befreiungsprojekt zuzuwenden, müssen wir analysieren, wie die bisherigen Befreiungsversuche verlaufen sind. Vor allem ihr Anfang ist dabei entscheidend - die gewöhnliche, aber faszinierende Erfahrung, dass eine Gewohnheit, die uns knechtet, plötzlich bricht. Sie zu bejahen heißt, in die Praxis der Befreiung einzutreten. Aus dieser Grundthese entwickelt Menke eine bahnbrechende Theorie der Befreiung, die eine Revision der üblichen - in Natur oder Gesellschaft verankerten - Freiheitsvorstellungen beinhaltet. Es stellt sich heraus: Freiheit und Herrschaft sind unauflöslich ineinander verstrickt, und Befreiung ist nicht die Vorgeschichte der Freiheit, sondern ihre Vollzugsweise. Dies veranschaulichen zwei exemplarische Befreiungsnarrative, auf die sich dieses Buch maßgeblich stützt: die Exodus-Erzählung aus dem 2. Buch Mose und die Geschichte von Walter White in der Fernsehserie "Breaking Bad".

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 19.01.2023

"Freiheit" gehört zu jenen Begriffen, die um so ferner zurückblicken, je näher man sie betrachtet. 720 Seiten hat Christoph Menkes "Theorie der Befreiung", und Thomas Khurana, ebenfalls Professor der Philosophie, lässt sich mit Faszination auf die vertrackte Dialektik des Begriffs im großen Wurf des Kollegen ein. "Faszination", das ist überhaupt ein Grundbegriff in dem Buch. Denn Menke will weg von einem Begriff der Freiheit, der uns zum Subjekt macht, also zu einem neuerlich "Unterworfenen" (wenn auch dem eigenen Willen). Faszination, die Erfahrung des Unidentischen, ist es dagegen, die uns tatsächlich ins Ungewisse treten lässt, so Khurana mit Menke. Bei Moses ist es der brennende Dornbusch, bei Walter White aus "Breaking Bad" die Faszination des großen Geldes durch Drogen - beide figurieren bei Menke als Hauptexempel. Nicht ganz zufrieden ist Khurana allerdings mit den Perspektiven, die Menke im dritten Teil seiner Theorie entfaltet. Am Ende ist Menkes "radikale Befreiung" nicht ganz so radikal, wie Khurana sie sich wünschen würde. Man spürt allerdings, dass Menke es war, der ihn hier ins Offene schubste. Nun muss er Radfahren ohne Stützräder.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.01.2023

Rezensent Florian Meinel nennt Christoph Menkes Theorie der Befreiung scharfsinnig, aber auch verrückt. Freiheit als Ergebnis einer radikalen Selbstbefreiung des Denkens illustriert der Autor laut Meinel anhand von Walter White aus "Breaking Bad" sowie anhand der Befreiung Israels durch die Berufung Moses. Zwar kann der Autor Meinel die strukturelle Analogie der beiden Erzählungen plausibel machen und eine suggestive Lesart vermitteln, seine Deutung allerdings erscheint Meinel "selektiv und idiosynkratisch".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.12.2022

Rezensent Micha Brumlik begegnet mit Christoph Menkes Buch zwar nicht wie erwartet einem "politischen Traktat", wird aber mit einer bedeutenden philosophischen Studie entschädigt. Der Philosoph widmet sich darin in dialektisch-vergleichender Methode den beiden wichtigsten Freiheitsvorstellungen des westlichen Denkens, wie Brumlik erklärt: der Demokratie, die eine Befreiung des Bewusstseins meint, und der biblischen Befreiung Israels aus der Herrschaft Ägyptens. Was dabei herauskommt - den Kritiker überrascht das bei Menkes Nähe zur Frankfurter Schule wenig - sei im Grunde eine "Kryptotheologie", denn die Befreiungsvorstellung der jüdischen Überlieferung schneidet bei Menke am Ende besser ab, so Brumlik: Der Philosoph plädiere letztlich für eine Befreiung nicht durch Besinnung auf sich selbst, sondern durch eine unerwartete und extraordinäre Begegnung mit einem Anderen, ergo Göttlichen, wie der Kritiker resümiert. Dass es Menke dabei nicht um den Zustand der Freiheit, sondern nur um den Akt der Befreiung geht, möchte er betonen, ebenso wie den Zeitaufwand, den eine gründliche Lektüre dieses "epochalen Grundlagenwerks" bedeute.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.12.2022

Rezensent Peter Neumann trifft sich mit dem Philosophen Christoph Menke in dessen Schöneberger Stadtwohnung auf einen milden Schwarztee, um mit ihm über Kraft, Befreiung und die Parallelen zwischen der Serie "Breaking Bad" und der Exodus-Erzählung aus dem 2. Buch Mose zu plaudern. Denn genau darum geht es dem Philosophen in seinem "Opus magnum", erläutert der Kritiker. Sowohl in der Serie als auch im Bibeltext machte der Philosoph eine Faszination, eine Dialektik aus "Anziehung und Abstoßung" zu Beginn einer jeder Befreiung aus, erfährt Neumann. Und noch eine weitere Gemeinsamkeit sieht Menke: Beide Modelle einer radikalen Befreiung endeten wieder in Herrschaft, da sie der "Macht des Sozialen" nicht entkommen konnten. Konkreteres erfährt der Kritiker offenbar nicht, Menkes Hang zum "Losen, Unfertigen" scheint ihn aber fasziniert zu haben.