Dirk Jörke

Die Größe der Demokratie

Über die räumliche Dimension von Herrschaft und Partizipation
Cover: Die Größe der Demokratie
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783518127391
Kartoniert, 283 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Herrschte lange Konsens über die Einbindung von Nationalstaaten in transnationale Gemeinwesen wie die Europäische Union, geriet diese Ansicht zuletzt unter Druck: Brüssel sei zu weit weg, die Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten hätten kaum Einfluss - "Take back control" lautete das Motto der Brexiteers. Angesichts dieser Konstellation sichtet Dirk Jörke - von Aristoteles bis Jürgen Habermas - Argumente und Befunde zum Zusammenhang zwischen der Größe und der demokratischen Qualität von Staaten. Ausgehend von einer republikanischen Position, bei der die Gleichheit und die Partizipation der Bürgerinnen im Mittelpunkt stehen, plädiert er in seinem Beitrag für eine räumliche Begrenzung der Demokratie und den Umbau der EU zu einer Konföderation.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.09.2019

Rezensent Berthold Merkle gefällt, dass der Ideengeschichtler Dirk Jörke in seinem politisch-wissenschaftlichen Essay sowohl EU-Skeptiker als auch EU-Fans und ihre Argumente in Betracht zieht. Wenn der Autor die Ursache des Demokratieverlusts in der schieren Größe der Europäischen Gemeinschaft erkennt, zur Unterstützung seiner These die antike Demokratie sowie Montesquieu und Rousseau heranzieht und den Europäischen Gerichtshof und die Zentralbank vermisst, möchte Merkle ihm zustimmen. Einen Ausweg aus der Krise erkennt der Autor in Konföderation und mehr Eigenständigkeit der Nationalstaaten. Wwie sich das im Einzelnen umsetzen lässt, bleibt allerdings offen, vermerkt Merkle. Nicht unbedingt ein Praxisbuch, aber eine gelungene Analyse, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2019

Der hier rezensierende Rechtswissenschaftler Christoph Möllers hat dieses Buch des Politologen Dirk Jörke mit gemischten Gefühlen gelesen. Den Ansatz Jörkes, die einst politische Theorien bestimmende, inzwischen in den Hintergrund getretene Frage nach der optimalen Größe für eine Republik aufzugreifen und weiterzudenken, findet Möllers durchaus interessant. Lehrreich erscheinen ihm jene Kapitel, in denen der Autor Positionen von Montesquieu und Rousseau bis hin zu den Antifederalists rekapituliert, wenngleich ihm hier Verweise auf Thomas Jefferson oder den französischen Republikanismus fehlen. Schwerer wiegt für den Rezensenten allerdings, dass Jörke die Größendimensionen zunächst mit Blick auf Raum und Bevölkerung schildert, bald aber nur noch auf den Aspekt der Bevölkerungszahl eingeht und die Theorie politischer Räume kaum erwähnt. Wenn der Autor schließlich den europäischen Integrationsprozess mit Rekurs auf Fritz Scharpf und Wolfgang Streeck kritisiert, fehlen Möllers Gegenpositionen und ein roter Faden. Die "linke EU-Kritik" des Autors erscheint dem Kritiker insgesamt zu wenig fundiert, die wissenschaftlichen Kapitel lohnen die Lektüre aber allemal, schließt er.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.05.2019

Demokratie, wie sie der Politikwissenschaftler Dirk Jörke versteht, basierend auf Gemeinschaftsgefühl und Solidarität, funktioniert nur in überschaubaren Einheiten mit einer einigermaßen homogenen Bevölkerung und Politikern, die sich mit dieser Bevölkerung identifizieren, berichtet Rezensentin Josephine Schulz. Um die Europäische Union ist es unter diesen Voraussetzungen schlecht bestellt, wie Jörke in seinem Buch "Die Größe der Demokratie" ausführt: Sie ist schlicht zu groß um demokratisch zu sein, übrig bleibt nichts als eine neoliberale Verwaltungseinheit, fasst die Rezensentin Jörkes Thesen zusammen. Dieser leitet sie ideengeschichtlich mit Exkursen von der attischen Demokratie bis zu den Anti-Federalists her und kommt zum Ergebnis, dass gewisse Kompetenzen von europäischer Ebene wieder an die Nationalstaaten zurückzugeben seien, stellt Schulz fest. Sonderlich überzeugend findet sie Jörkes Argumentation zwar nicht, dennoch begrüßt sie den Essay als produktiven Beitrag zu einer differenzierteren Demokratie-Debatte.