Erik Lindner

Die Reemtsmas

Geschichte einer deutschen Unternehmerfamilie
Cover: Die Reemtsmas
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007
ISBN 9783455095630
Gebunden, 591 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Hermann, Philipp und Alwin Reemtsma, Eins, Zwei, Drei genannt, führten ihre Kleinstfirma in den Zwanzigerjahren zur dominanten Größe in der deutschen Zigarettenindustrie. Was trieb sie an? Wie setzten sie sich durch? Und was machen die Reemtsmas heute? Deutsche Geschichte als Biografie einer Familie. Im Dritten Reich schützte die demokratische Familie ihr wegen jüdischer Teilhaber unter Druck geratenes Unternehmen durch Anpassung und Millionenspenden an Hermann Göring. Der immense Zigarettenkonsum im Krieg festigte ihre Stellung und garantierte Spitzeneinkünfte. Nach der Entnazifizierung begann der Wiederaufbau zerstörter Fabriken. Als das Gründertrio abgetreten war, zog sich die Familie aus der Firmenleitung zurück. Der Haupterbe Jan Philipp Reemtsma machte sich als Wissenschaftler und Forschungsinitiator einen Namen. Spektakulär waren seine Entführung (1996) und die Wehrmachtsausstellung des von ihm finanzierten Hamburger Instituts für Sozialforschung. Der Autor fand Kontakt zu den Söhnen der Firmengründer. Sie machten ihm Korrespondenzen und Dokumente zugänglich.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.09.2007

Erfreut zeigt sich Daniel Jütte von Erik Lindners Ausführungen über die Geschichte der Unternehmerfamilie Reemtsma. Viel hat er darüber erfahren, wie ein in bürgerlichen Kreisen lange Zeit verpöntes Produkt wie die Zigarette dank moderner Werbestrategien zum Markenartikel wurde. Wie er berichtet, hat sich die Familie inzwischen von ihren Anteilen am Unternehmen, deren Erfolgsmarken teilweise noch immer existieren, getrennt. Die einstige Marktführerschaft war nach Auskunft Jüttes zeitweise teuer erkauft, unter anderem durch millionenschwere Spenden an das NS-Regime. Dabei hebt er die Rolle des Patriarchen Philipp F. Reemtsma (1893-1959) hervor, von dessen problematischem historischem und unternehmerischem Erbe sich der Sohn Jan Philipp Reemtsma früh lossagte, um sich als Forscher und Mäzen aufklärerischen Projekten zu widmen. Jüttes Fazit: eine "ebenso solide wie diskrete Familienbiografie".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.09.2007

Die durchaus nicht einfache Aufgabe, die Familien- und Unternehmensgeschichte der Reemtsmas zu schreiben, hat Erik Lindner laut Thomas Medicus hervorragend gemeistert. Gelungen ist ihm eine nüchterne, auf Sentimentalität genauso wie auf Psychologisierungen verzichtende Familienbiografie, die auf der Grundlage umfänglichen Archivmaterials und Gesprächen mit Familienmitgliedern insbesondere die Unternehmensgeschichte während der NS-Zeit beleuchtet, so der Rezensent begeistert. Dabei könne der Autor herausarbeiten, dass die Reemtsmas zunächst Gegner der Nazis waren und sich erst unter dem Druck der SA zu deren Förderern gewandelt und dann auch massiv davon profitiert hätten, erklärt Medicus. Indem Lindner die Reemtsmas als Nutznießer des Regimes, aber keineswegs als überzeugte Nationalsozialisten zeichnet und so auch Widersprüche in der Familienbiografie herausarbeite, gelinge ihm zugleich ein überzeugendes Bild "totalitärer Wirklichkeit", so der Rezensent beeindruckt und rechnet das Lindner hoch an.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.09.2007

Als interessant, aber ihren "verlockenden" Stoff wohl nicht ganz ausreizend, beschreibt Rezensentin Nina Grunenberg diese Familienbiografie. Zu diskret geht nämlich für ihren Geschmack der Autor (und im Hauptberuf das Springer-Archiv leitende) Erik Lindner mit den mehr oder weniger auskunftsfreudigen Familienmitgliedern um. Deutlich spürt sie immer wieder sein Bemühen, neutral zu bleiben - beispielsweise wenn er heikle Sachverhalte lieber in Frageform kleidet, und diagnostiziert eine gewisse "Beißhemmung" beim Autor. Besonders respektvoll trete er Jan Philipp Reemtsma gegenüber auf, der zwar die Familienarchive uneingeschränkt geöffnet, für Fragen dann aber nicht zur Verfügung gestanden habe. Kurz umreißt die Rezensentin dann die Fallhöhe des Stoffs, vom rasanten Aufstieg der drei Reemtsma-Brüder der Gründergeneration am Anfang des letzten Jahrhunderts, über die Nazinähe bis zur geisteswissenschaftlichen Karriere des Erben Jan Philipp Reemtsmas, dessen Weigerung, dem Familienbiografen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen, sie dann unkommentiert lässt.