Gary Shteyngart

Handbuch für den russischen Debütanten

Roman
Cover: Handbuch für den russischen Debütanten
Berlin Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783827004833
Gebunden, 492 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Christiane Buchner und Frank Heibert. Geboren ist Vladimir Girshkin in Leningrad, mit zwölf kam er nach New York. Jetzt ist er 25 und fragt sich, ob sein Job im Emma-Lazarus-Verein zur Integration ausländischer Einwanderer tatsächlich das Ziel seiner gesammelten Anpassungsstrategien gewesen sein soll. Jedenfalls will er endlich zu Geld kommen. Was liegt da näher, als bei der Russenmafia einzusteigen. Vladimir verlässt New York und stürzt sich in eine abwegige Blitzkarriere in Prawa, einer Hauptstadt des Wilden Ostens. Und bald sieht es so aus, als fände er hier, was er im reichen Westen gesucht hat...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.11.2003

Als wunderbaren "anarchischen Lesespaß" lobt der Rezensent Andreas Breitenstein dieses "Handbuch für den russischen Debütanten". Autor Gary Shteyngart, in Leningrad geboren und 1979 mit seinen Eltern nach New York ausgewandert, verbinde gekonnt östliche und westliche Erzähltraditionen und schildere mit "sprühendem Witz" die "Ohnmachtserfahrungen und Allmachtsphantasien" eines Immigrantenkindes. Shteyngarts jugendlicher Protagonist Vladimir, Sohn russisch-jüdischer Eltern, ist in New York, so der Rezensent, "zum Versager bestimmt", lebt den aufwendigen Lebensstil des "Ost-Hypes" (Edeldiscos und dergleichen), braucht Geld, gerät in Schwierigkeiten, nicht zuletzt weil er dem schwerreichen Russen Mr. Rybakov vorgaukelt, an dessen Einbürgerung mitwirken zu können. In andauernder Lebensgefahr pendele und vermittele Vladimir zwischen zwei scheinbar unvereinbaren Welten - der amerikanischen und der russischen. Shteyngarts Stilmittel, so Breitenstein, ist die "wüste Übertreibung", er inszeniere mit "lautem Getöse" und "trashiger Fantasie" das Aufeinanderprallen der Mentalitäten. Trotz dieses "gnadenlos boshaften Feuerwerks von Sprüchen und Pointen, Einfällen und Einsichten" fehle es dem Roman allerdings keineswegs an "Tiefendimension", denn "keiner durchschaut ... den Mief des Mittelmaßes besser" als Vladimir, in dem Breitenstein den wahren Interkulturellen erkennt. Mittelmäßig dagegen nehme sich in Vladimirs Blick das "linksliberale intellektuelle Milieu" aus, neben dessen inszenierter "philosemitischen Liberalität" der "krude Antisemitismus" der Russen und der "jüdische Selbsthass" in Vladimirs Familie geradezu "sympathisch" wirkten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2003

Nichts da: Russendisko! Hierzulande kann man auf der Frankfurter Buchmesse ihre letzten müden Zuckungen beobachten, unkt Tobias Rüther, während zugleich "ein gewitzter Kommentar auf die Ostblocknostalgie" aus den USA daherkomme, dem jede Sentimentalität fehle. Zunächst einmal zum Autor: Gary Shteyngart, geboren 1972, ist 1979 mit seinen Eltern in die USA gekommen, berichtet Rüther, wie sein Romanheld Vladimir Girshkin, dessen Familie als sogenannte "Weizenjuden" (wir erinnern uns: Ausreiseerlaubnis gegen Weizenimporte) übersiedeln durfte. Shteyngart erinnert Rüther in seiner Fabulierlust und -wut teilweise an T.C. Boyle, auch mit seinem Hang zum Bizarren, aber anders als Boyle fehle ihm die typisch moralische Antriebsfeder des weißen Amerikaners aus der Mittelschicht: das schlechte Gewissen, schreibt der Rezensent. Stattdessen beschreibe er bizarre Geschäftemacherei, unterscheide sich jedoch in seiner Wut von den Nostalgikern der Russendisko: "Es ist nicht egal, wer lacht, und über wen", hat Rüther gelernt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.10.2003

Kolja Mensing urteilt zwiespältig über diese "bittere Komödie voll spätpubertärer Verzweiflung und jüdischem Selbsthass". Immerhin fühlt sich der Rezensent von dem amerikanischen, aus Russland eingewanderten Schriftsteller Gary Shteyngart gut unterhalten - und das ist ja auch schon einmal nicht wenig. Die "Aufzeichnungen eines Pointenjägers", wie Mensing das Buch umschreibt, lesen sich seiner Meinung nach jedenfalls sehr leichtgängig. Da fallen die Schwächen des Romans gar nicht gleich auf. Wenn man genauer hinsieht, kommt man aber nach Mensings Meinung nicht um die Feststellung herum, dass das Fundament "etwas wacklig geraten" ist. Er versteht zumindest nicht, was den Protagonisten antreibt, in amourösen ebenso wie in lebensgestalterischen Fragen: "Vielleicht sind es tatsächlich nur die wahnwitzigen äußeren Umstände und die strukturellen Anforderungen eines Happy Ends", die der Geschichte ihre Form geben. Mit dem Ende ist Mensing jedenfalls gar nicht zufrieden. Doch wenn man den letzten Absatz nicht liest, kann man den Roman zumindest unterhaltsam finden: "Danach ist er nur noch kitschig".
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