Hans Ulrich Gumbrecht

"Prosa der Welt"

Denis Diderot und die Peripherie der Aufklärung
Cover: "Prosa der Welt"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518587577
Gebunden, 400 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Philosoph und Übersetzer, Kritiker und Schriftsteller, Kunstagent und Enzyklopädist: Denis Diderot, 1713 in der Champagne geboren, 1784 in Paris gestorben, war eine der prägenden Figuren jener Bewegung, die als europäische Aufklärung in die Geschichte eingegangen ist. Doch was ist der Fluchtpunkt seines vielgestaltigen Oeuvre, das anders als die Werke seiner Zeitgenossen Voltaire und Rousseau, Schiller, Kant und Hume von einer geradezu zentrifugalen Dynamik gekennzeichnet ist? Entlang von Szenen aus Diderots bewegtem und bewegendem Leben und in genauen Lektüren seiner Schlüsselwerke geht Hans Ulrich Gumbrecht in seinem Buch dieser Frage nach und entwickelt einen neuen Zugang zu diesem außergewöhnlichen Intellektuellen. Als Kontrastfolie dient ihm dabei das Systemdenken Hegels, der von Diderots Texten ebenso irritiert wie fasziniert war und sie unter den Begriff einer "Prosa der Welt" brachte. Gumbrecht zeigt, wie radikal sich Diderot auf die Konkretheiten und Kontingenzen der Welt eingelassen hat und dadurch ins Zentrum einer intellektuellen Peripherie gelangt ist, in die es noch andere zog: Goya zum Beispiel, aber auch Lichtenberg und Mozart. Die Denkbewegungen dieser Peripherie erreichen uns heute als die von Zeitgenossen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.02.2021

Eberhard Geisler dankt Hans Ulrich Gumbrecht für die Erinnerung an Diderot und den Begriff der Kontingenz. Auch den Glauben an die Philologie gibt der Autor dem Rezensenten für die Dauer der Lektüre zurück. Wenn Gumbrecht allerdings en detail loslegt,  die Aktualität Diderots zu beweisen und ihn als Führer durch besagte Kontingenz vorzustellen, fällt für Geisler nicht viel mehr dabei ab als die Lust, mal wieder "Rameaus Neffe" zu lesen. Zu wissens- und vielleicht selbstverliebt geht der Autor dem Rezensenten zu Werke, so scheint es.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.01.2021

Rezensent Rene Scheu lernt Denis Diderot als wahren Denker der Moderne kennen im neuen Buch von Hans Ulrich Gumbrecht. Anschließend an Enzensbergers "Diderots Schatten", porträtiert der Autor den Philosophen ohne eigenes Werk laut Scheu anhand seines Denkstils als konturlos im besten Sinne, als beweglichen, undogmatischen Geist ohne Programm und "Denker der Kontingenz". Dass Diderot die Reizüberflutung durch Bilder und Erfahrungen, Gefühle und Ideen genoss, glaubt Scheu nach der Lektüre gerne.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.12.2020

Rezensent Leander Scholz erkennt mit Hans Ulrich Gumbrechts Buch die Zeitgemäßheit Diderots als eines Denkers, der die Begriffe scheut und sich der Komplexität der Welt stellt. Wie Gumbrecht Diderots Denken anhand einzelner Texte nachzeichnet, das Fehlen von Schlüsselbegriffen erkennt und als Gewinn verbucht, weil es die Offenheit gegenüber Zufällen und kleinen Details ermöglicht, findet Scholz erkenntnisfördernd. Bedeutung und Vorbildfunktion dieses wilden Denkens für unsere Gegenwart leuchten dem Rezensenten beim Lesen unmittelbar ein.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.10.2020

Einerseits ist Joseph Hanimann von diesem neuen Blick auf die Aufklärung des Denis Diderot sehr angetan. Neben der Systematik der Enzyklopädie hat Gumbrecht nämlich im Werk des Aufklärers ein flirrendes, höchst liquide hierhin und dahinfließendes und -springendes Interesse an allem, was ist, ausgemacht, das sich jeder strengen Systematik entzieht. Andererseits würde Gumbrecht aber dieses umherschweifende Alles denn doch wieder in eine Phänomenologie einsperren, bemerkt der Rezensent. Wie lassen sich Goyas Capriccios, Lichtenbergs Sudelbüchern oder Mozarts Papageno zusammendenken?  Mit Gumbrecht d'accord ist Hanimann dann aber, wenn es um Kontigenz geht, die Freude am Disparaten und die Verweigerung aller endgültigen Urteile, aber warnt auch davor, solch querlaufendes Denken zu unterschätzen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2020

Rezensent Jürgen Kaube geht einiges zu weit in Hans Ulrich Gumbrechts Buch über Denis Diderot als Aufklärer. Etwa, dass der Autor undogmatisch wie Diderot zu schreiben bemüht ist. Oder, dass er ihn dauernd mit Goya und Mozart vergleicht oder mit sich selbst. Davon abgesehen findet er die Lektüre allerdings durchaus ertragreich. Das Buch überzeugt ihn als Charakteristik Diderots - als Kunstkritiker und unverschämter Denker, der seine Gedanken in Figuren und Philosophie im Alltag anlegt, wie der Autor Kaube u.a. an den beiden bekanntesten Erzählungen Diderots nachzeichnen kann.
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