Jachym Topol

Die Teufelswerkstatt

Roman
Cover: Die Teufelswerkstatt
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518421444
Gebunden, 200 Seiten, 26,80 EUR

Klappentext

Aus dem Tschechischen von Eva Profousova. Ein junger Mann flieht aus Theresienstadt. Sein einziges Gepäck: ein Schließfachschlüssel und ein USB-Stick mit den Kontaktdaten reicher Holocaust-Überlebender, die ihn und Onkel Lebo beim Aufbau eines alternativen Erinnerungsortes unterstützen sollten. Mit "Pritschensuchern" aus der ganzen Welt, jungen Leuten, die im Osten nach ihren ermordeten Großeltern forschen, hatten sie eine Kommune gegründet und mit Kafka-T-Shirts, Ghetto-Pizza und Therapieangeboten der offiziellen KZ-Gedenkstätte Konkurrenz gemacht. Als die Behörden die anstößige Institution niederwalzen lassen, verhelfen Alex und Maruska dem Ich-Erzähler zur Flucht nach Minsk. In den Dörfern und Wäldern Weißrußlands, der "Teufelswerkstatt", wo SS-Schergen, aber auch der NKWD gemordet haben, soll er bei der Errichtung einer Gedenkstätte unerhörten Ausmaßes helfen. Verliebt in die schöne Maruska, wird er in eine blutige Erinnerungsverschwörung hineingezogen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.06.2010

Heikel, heikel, meint Stefanie Peter, sei die Frage, ob der Autor Jachym Topol nicht mit seinem Roman in genau die gleiche Kerbe haut, wie seine Figuren, die immer auf der Suche scheinen nach dem neuesten Marketingcoup in Sachen Erinnerungstourismus. Sprechende KZ-Mumien, Getto-Pizza? Alles kein Problem in diesem von Peter für seinen Fantasiereichtum und seinen Hang zum Grotesken durchaus geachteten Thesenroman. Dass im Schatten der Brisanz des Themas allerdings der literarische Mangel gedeiht (schlingernder Erzählton, leblose Dialoge), lässt die Rezensentin aufhorchen, ob da nicht provokant auf einen Verkaufserfolg gezielt wird.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2010

Gleich in einen mehrfachen Genuss ist Rezensentin Katharina Granzin mit diesem Roman gekommen. Einerseits fühlte sie sich von Jachym Topol hineingestoßen "in die stinkenden Überresten einer noch nicht vollends verwesten Vergangenheit", Topol lotet in seiner makabren Erzählung um eine Gruppe junger Leute, die in Theresienstadt einen florierenden, aber recht geschmacklosen Souvenirhandel eröffnen, die ethischen Grenzen unserer Erinnerungskultur aus, wobei der Ich-Erzähler als Gehilfe des Henkers beginnt und von da an moralisch immer indifferenter wird. Andererseits glaubte sich die Rezensentin angesichts Topols Sprachmacht und seines "expressiven Erzählens" unter bewusstseinserweiternde Drogen gesetzt. Granzin schätzt Topol offenkundig sehr, gibt aber auch zu verstehen, dass nichts erklärende, die Chronologie stetig unterbrechende Erzählweise nicht leicht runterzulesen sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2010

Jachym Topols Groteske über die Geschäfte mit der "Gedächtniskultur" hat Jörg Plath sehr beeindruckt. Schon in seinen früheren Romanen habe der 1962 in Prag geborene Autor einen geradezu verblüffenden Fantasiereichtum an den Tag gelegt, wenn es darum ging, die historischen Mythen des 20. Jahrhunderts umzuschreiben, meint der Rezensent. In seinem jüngsten Buch soll ein namenloser Erzähler in Weißrussland eine alternative Holocaust-Gedenkstätte aufbauen, nachdem sein erstes Projekt in Theresienstadt - ein Ashram-artiges Gedächtniszentrum, in dem den Nachgeborenen auf den Spuren ihrer in Theresienstadt ermordeten Großeltern das Geld aus der Tasche gezogen wird - geplatzt ist, fasst Plath zusammen. Wenn der Rezensent auch findet, dass sich der Roman dramaturgisch etwas schleppend in Gang setzt, verschreibt er sich dann ganz dem furiosen Gang des Geschehens, der sich von einer "Shoah-Business-Komödie" unversehens in eine "Opferkonkurrenz-Tragödie" wandelt, wie Plath feststellt. Und hier gelinge diesem "atemberaubenden" Roman gerade das, was die darin auf die Spitze getriebenen Gedächtnisunternehmen verfehlen, nämlich, die "Würde der Toten zu wahren".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2010

Nicht ganz so metaphernverliebt wie in seinen früheren Büchern, dafür aber so bösartig wie eh und je hat Jachym Topol seine Holocaust-Gedenkstätten-Groteske "Die Teufelswerkstatt" geschrieben, konstatiert Hans-Peter Kunisch. Es geht um die Errichtung einer alternativen Gedenkstätte, die auch Weißrussland endlich am Geschäft mit den "Pritschensuchern" teilhaben lassen soll, wie der Erzähler sarkastisch die Reisenden betitelt, die sich auf Spurensuche ihrer im KZ umgekommenen Verwandten begeben, lässt der Rezensent wissen. Allerdings entdeckt er einen besonderen "Reiz" diese Buches in den raren "stilleren" Stellen, was ihn jedoch nicht daran hindert, sich an der treffsicheren "Boshaftigkeit", die im Roman überwiegt, zu erfreuen. Außerdem meint der Rezensent hier die besten jüdischen Witze eines Nichtjuden gefunden zu haben. Wenn Kunisch auch zugeben muss, dass der Roman, wenn er die Flucht des Erzählers und seine Ankunft in Weißrussland schildert, doch etwas "fade" wird, so zeigt er sich insgesamt von den unglaublichen "Pirouetten schwarzen Humors", die Topol hier dreht, sehr gefesselt.