Jan Himmelfarb

Sterndeutung

Roman
Cover: Sterndeutung
C.H. Beck Verlag, München 2015
ISBN 9783406674860
Gebunden, 394 Seiten, 21,95 EUR

Klappentext

Arthur Segal, Übersetzer und einigermaßen seriöser Autohändler, versucht sich Anfang der 90er-Jahre, kurz vor seinem 51. Geburtstag, seiner selbst und der Geschichte seiner jüdischen Familie zu vergewissern, einer Geschichte von Liebe und Arbeit, Verfolgung und Überleben, Glück und Chuzpe. Wie fühlt es sich an, wenn man den eigenen Geburtsort nicht genau angeben kann und wenn man bei der Geburt schon zum Tode verurteilt war, als Jude während des Holocaust, im Osten, irgendwo in den Bloodlands? Und wenn man dann doch, ein Wunder, überlebt und spät, als Kontingentflüchtling, mit der Familie aus der Ukraine ins Land der ehemaligen Täter zieht und sich dort sogar ein gutes Leben aufbauen kann? Und die eigene, blitzgescheite Tochter plötzlich Elitestudentin wird, einen deutschen Freund hat und auf dem Weg in eine schöne, neue Normalität ist? Allmählich entsteht eine zwischen den Zeiten hin und her wandernde Erzählung von Vergangenheit und vor allem Gegenwart, eine Familien- und Generationengeschichte, lebendig, komisch, hart.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.06.2015

Zumutung, ruft Sabine Doering, aber im selben Moment ist sie heilfroh über ein ausnahmsweise sehr kantiges, nicht konformes Debüt. Dass sich Jan Himmelfarb um Erzählökonomie, einen einheitlichen Stil oder die Einheit von Ort und Zeit nicht schert, zahlt sich für Doering aus. Die mal märchenhafte, mal krass realistische Geschichte um den jüdischen Flüchtling Arthur Segal und die Erfahrungen seiner Familie in Stalingrad, Taschkent und im Ruhrgebiet der 90er Jahre liest sie als Vexierspiel mit Bezügen zur "Blechtrommel" und ihren Helden. Ziemlich komisch und liebenswert gezeichnet scheint ihr das Panoramabild jüdischer Aussiedler, das der Autor allerdings immer wieder mit harten Schnitten hin zum Holocaust unterläuft. Endlich ein Autor, der thematisch und formal aus den Vollen schöpft, jubelt Doering.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.06.2015

Es freut Meike Fessmann, dass sich mit Jan Himmelfarb ein literarischer Debütant traut, über den Tellerrand des eigenen Lebens hinauszuschauen. In der Geschichte um die jüdische Identität, Vergangenheit und Gegenwart eines Kontingentflüchtlings im Land der einstigen Täter entdeckt die Kritikerin diverse literarische Anspielungen, von Goethe bis Kertész. Allerdings bemerkt sie auch einen "Deutungsüberschwang", ein Zuviel an optischen Metaphern (die sie durch den Namen des Autors zu verzeihen bereit ist). Die Wahl eines unzuverlässigen und leicht verrückten Ich-Erzählers beweist für Fessmann "literarisches Geschick", für ambitioniert und beachtlich hält sie Himmelfarbs ersten Roman - auch wenn der Autor in den Augen der Rezensentin darin noch keine eigene Stimme gefunden habe.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 13.06.2015

In ihrer Besprechung von Jan Himmelfarbs Debütroman hält sich Carmen Eller ausgiebig mit der Wiedergabe des Inhalts auf und beleuchtet gründlich das Figurenpersonal rund um den Holocaust-Überlebenden und späteren "Kontingentflüchtling" Arthur Segal im wiedervereinigten Deutschland. Hin- und herspringen lasse Himmelfarb den Protagonisten, zwischen der Kriegsvergangenheit seiner jüdischen Familie und der Gegenwart im Land der einstigen Täter. Nur selten lässt sich die Rezensentin allerdings wirklich in die Karten schauen und eine Bewertung des Gelesenen entlocken, immerhin hält sie Segal als Erzählerfigur für eine "problematische Wahl". Zu eingeschränkt sei dessen Blick auf die Wahlheimat, er führe ein Leben "zwischen Ansprüchen, Schuldgefühlen, Ratlosigkeit".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.04.2015

In seinem Roman "Sterndeutung" erzählt Jan Himmelfarb die Geschichte einer jüdischen Familie, die Anfang der Neunziger aus der Ukraine nach Deutschland flieht, wo sie zwar wenig direkten Anfeindung ausgesetzt ist, aber sehr genau die Anschläge auf Flüchtlingsheime beobachtet, sodass sie als "Versicherung gegen deutsche Gewalt" die Nähe der Deutschen sucht, fasst Rezensent Stephan Speicher zusammen. Eigentlich gäbe es hier "sozialdiagnostisches Potenzial", aber leider liegt es brach, bedauert der Rezensent. Himmelfarb konzentriert sich auf die Selbstwahrnehmung des jüdischen Vaters und die späte Verarbeitung des Holocaust, berichtet Speicher, der die zahlreichen "Rückversicherungsschleifen" bezeichnend findet: sie drücken die Probleme des Autors aus, den einzelnen historische Ereignisse oder Beschreibungen das Gefühl des Zusammengewürfelten zu nehmen, erklärt der Rezensent.