Jennifer Egan

Candy Haus

Roman
Cover: Candy Haus
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022
ISBN 9783103971453
Gebunden, 416 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Mit ihrem Roman "Der größere Teil der Welt" gelang Jennifer Egan der internationale Durchbruch. Jetzt knüpft sie in ihrem neuen visionären Roman "Candy Haus" über unsere Gegenwart ein schillerndes Netz aus Lebensläufen. Im Mittelpunkt steht der charismatische Bix Bouton, Gründer eines atemberaubenden Start-ups in Amerika. Sein Coup ist eine App, die unsere Erinnerungen ins Netz hochlädt. Ein gefährliches Glück, denn die Erinnerungen werden für andere sichtbar. Und da ist Bennie Salazar, Ex-Punk-Rocker, der als Musikproduzent in Luxus driftet und seinen Sohn an die Sucht verliert …New York, Chicago, Los Angeles - die Wüste, der Regenwald.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2022

Rezensent Tobias Döring hat erneut Spaß mit Jennifer Egans verschachtelter Erzählweise, die er bereits aus ihrem Vorgänger- und Pulitzerpreisträgerroman kennt. Dieses Mal geht es um ein Tech-Unternehmen in der nahen Zukunft, dessen neueste Erfindung es Menschen erlaubt, in einer Art "Cloud" ihr Bewusstsein hochzuladen und auf das anderer zuzugreifen. Wie Egan davon erzählt, nämlich in Form einzelner, ganz verschiedener und chronologisch ungeordneter Erzählabschnitte, die sich der Leser zusammenpuzzeln muss, bietet zum einen einen großen Such- und Ratespaß, meint der Kritiker. Zum anderen sieht er in diesem Verfahren auch eine Reflexion auf das Erzählen selbst - als eine Art Sortierung von Datenmassen, um die es im Roman ja auch geht. Ein "raffiniert verschlungenes Erzählgehäuse", das von Henning Ahrens bis auf einen kleinen Ausrutscher hervorragend übersetzt worden sei, lobt Döring.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.09.2022

Rezensentin Julia Lorenz sieht in Jennifer Egans neuem Roman eine indirekte Fortsetzung ihres Pulitzer-Preisträgerromans "Der größere Teil der Welt". Während es dort um die Musikbranche zu Ende des 20. Jahrhunderts und um das "Echtbleiben" darin ging, geht es nun ums "Ichbleiben", analysiert Lorenz; und zwar in einer von der Tech-Branche zunehmend dominierten Welt nach der Jahrtausendwende, in der die neuste Erfindung ein Netzwerk ist, in dem sich Menschen den Zugang zu fremden Erinnerungen kaufen können. Aus dem "inoffiziellen" Vorgänger erkennt die Kritikerin dabei nicht nur den Protagonisten wieder, sondern auch die experimentierfreudig-episodenhafte Form und den "sehr klassischen" Erzählton - was sich wieder durchaus gut liest, vermittelt Lorenz, in seiner Abenteuerlichkeit aber etwas "Routiniertes" habe. Dass Egan nicht in den Alarmismus einer Tech-Dystopie verfalle, gefällt der Kritikerin zwar - wie wenig politisch es dabei aber zugehe, findet sie bei dem Thema dann aber doch etwas verwunderlich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.09.2022

Rezensentin Marie Schmidt scheint etwas enttäuscht von Jennifer Egans Roman. Egan hätte sie als erster zugetraut, über die Generation App im Eskalationsmodus zu erzählen. Das Szenario einer nahen Zukunft samt externem Unterbewusstseinsspeicher, das Egan entwirft, findet Schmidt allerdings ein bisschen "schlapp", weil die Charaktere dieser Datenhypertrophie-Vision selbst nicht an diese Utopie glauben. Dass die Autorin mit ihren Figuren in dieser neuen Welt "wenig anfangen" kann und sie statt nach dem Weltgeist bloß nach verlorener Liebe Ausschau halten lässt, hält Schmidt für eine zu wenig radikale Perspektive.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.09.2022

Rezensentin Susanne Romanowski begibt sich gerne noch einmal in die kaleidoskopartige und sprachlich experimentierfreudige Welt aus Jennifer Egans vielgelobtem Roman "Der größere Teil der Welt", an den nun ihr neuer Roman lose anschließt. Während dort die Musik als Aufhänger für das menschliche Sehnen nach Verbindungen diente, das Egan so gut zu beschreiben vermag, so Romanowski, so ist es nun die Technik: Aus der Sicht des erfolgreichen Internetvisionärs Bix Bouton, im ersten Roman noch ein Außenseiter, geht es um seine neuste Erfindung, die Menschen im Tausch gegen ihre eigenen Erinnerungsdaten den Zugang zu den Erinnerungen anderer gewährleistet. Bei der Lektüre genießt Romanowski die Begegnung mit bekannten Figuren, die "leichte" und experimentelle Sprache sowie die Zeitsprünge in verschiedenste Erinnerungsszenarien, erfährt nach einer Weile aber eine gewisse Sättigung - noch ein drittes Buch dieser Art bräuchte sie nicht. Und auch wenn Egan wieder gekonnt die "schillernde Verletzlichkeit" der Menschen beschreibe, so ist es der Kritikerin letztlich etwas zu viel des Persönlichen: ein wenig Politik hätte dem Roman bei diesem Thema doch gut getan, findet sie.