Judith Butler

Am Scheideweg

Judentum und die Kritik am Zionismus
Cover: Am Scheideweg
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013
ISBN 9783593399461
Gebunden, 277 Seiten, 28,90 EUR

Klappentext

Kritiker des Staates Israel und seiner Siedlungspolitik geraten schnell unter den Verdacht des Antisemitismus - so auch die prominente jüdische Philosophin Judith Butler. In ihrem neuen Buch geht Butler der Frage nach, wie eine Kritik am Zionismus aus dem Judentum selbst heraus möglich, ja ethisch sogar zwingend ist. In einer eindringlichen Auseinandersetzung mit Hannah Arendt, Emmanuel Lévinas, Walter Benjamin, Primo Levi und den Palästinensern Edward Said und Mahmoud Darwish entwickelt sie eine neue jüdische Ethik, die sich gegen die von Israel ausgeübte und vom Zionismus legitimierte staatliche Gewalt sowie Israels koloniale Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen wendet. Diese Ethik steht ein für die Rechte der Unterdrückten, für die Anerkennung des Anderen und die Infragestellung der jüdischen Souveränität als alleinigem Bezugsrahmen der israelischen Staatsraison. Aus der Erfahrung von Diaspora und Pluralität heraus plädiert Butler für einen Staat, in dem Israelis und Palästinenser, Juden und Nichtjuden gleichberechtigt zusammenleben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.03.2014

Gewinnbringendes Potenzial hat dieses im Original bereits 2012 erschienene Buch von Judith Butler laut Katrin Meyer genug. Hier und da hätte sich die Rezensentin zwar eine Zuspitzung der Überlegungen gewünscht. Im Ganzen aber scheint ihr Butlers Versuch einer ethischen Perspektive auf den israelisch-palästinensischen Konflikt gelungen. Streitbar bleibt laut Rezensentin zwar Butlers Stellungnahme gegen den Zionismus und Israels Siedlungspolitik, die die Autorin im Buch mit Stimmen von Hannah Arendt oder Edward Said untermauert, doch scheint Meyer Butlers Ansatz immer vor allem als einer der Logik der Gerechtigkeit verpflichteter. Das ist allerdings auch der Grund, warum die Rezensentin Butlers Argumentation für wenig praktikabel hält. Allzu radikal hebe sie auf die Schwächung jüdischer Souveränität ab. Dass und wie die Autorin in ihrem Buch auf die Kritik an dieser Haltung eingeht, hält Meyer für bemerkenswert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2014

In erster Linie sieht Rezensent Enno Rudolph mit diesem Buch, wie er recht apodiktisch erklärt, die Kritik an Judith Butler widerlegt, die der Theoretikerin für ihre Kritik am Zionismus zuteil wurde. Wie der Rezensent darstellt, beruft sich Butler in ihren Überlegungen zu jüdischer Identität und Zionismus auf Autoren wie Emanuel Lèvinas, Etienne Balibar und Edward Said. Dabei erkennt sie im Jüdischsein ein antiidentitäres Projekt: Die historische Erfahrung der Diaspora - Zerstreuung und Alterität - verpflichte zur Kohabitation. "Faktum est Fatum" nennt Rudolph vorsichtig diese Denkfigur, findet aber auch Butlers Auslegungen zur interkulturellen Übersetzung von Religion etwas eigenwillig. Aber das, so macht er in seiner Besprechung sehr deutlich, sind Fragen des philosophischen Denkens, die ihr Recht, Israel zu kritisieren, berühren.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.10.2013

Rezensent Micha Brumlik traut sich fast nicht, es auszusprechen: Ihm sind Judith Butlers Ideen in ihrem neuen Buch "Am Scheideweg" nicht radikal genug. Butler hinterfragt die Legitimation des Zionismus, indem sie diesen mit den Ansichten jüdischer Intellektueller konfrontiert - vor allem Hannah Arendt, Primo Levi und Martin Buber zieht sie heran -, die sich gerade wegen des Holocausts gegen jeden moralischen Partikularismus ausgesprochen haben, fasst Brumlik zusammen. Als Folge fordert Butler eine "Ethik der Kohabitation" in und für Israel, erklärt der Rezensent. Brumlik meint aber, man müsse einen Schritt weiter zurücktreten, und die "Moral der Moral" infrage stellen, die angesichts der komplexen politischen Wirklichkeit nur naive Handlungsstrategien fabriziert, deren Folgen sich dann auch noch gegen die hehren Absichten der Autorin entwickeln können.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.10.2013

Sonja Vogel bespricht Butlers Plädoyer für eine jüdische Ethik, die in eine grundsätzliche Kritik an der Existenz des Staates Israel mündet, vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen im Jahr 2012 um die Vergabe des Theodor-W.-Adorno-Preises an die Gendertheoretikerin und ausgesprochene Israelkritikerin. Dabei geht es dieser einerseits um eine Apologie der Israelkritik per se, andererseits um eine Verpflichtung zu Bündnis und Kohabitation mit den Palästinensern, so die Rezensentin. Damit zufrieden ist die Kritikerin aber ganz und gar nicht: Zum einen hält sie Butler vor, widersprüchliche Auseinandersetzungen mit der Gründung Israels zwar wohlwollend zu differenzieren, beim Betrachten der heutigen Situation aber zur Engstirnigkeit zu neigen. Den daraus gefolgerten Antagonismus zwischen Zionismus und friedlichem Zusammenleben hält Vogel für nicht hinnehmbar. Zum anderen stört sie, dass Butler den Antizionismus zur jüdischen Pflicht und damit zur Sache der jüdischen Identität erhebt. Auch das zwar gutgemeinte Plädoyer, das Land gemeinsam mit den Palästinensern auf Grundlage jeweiliger Diaspora-Erfahrungen aufzubauen, hält Vogel unter dezentem Hinweis auf die Überzeugungen der Hamas für überdenkenswert, wie sie überhaupt Butler hinsichtlich des aggressiven Antisemitismus von Hamas und Hisbollah eine bemerkenswerte Blindheit attestiert. Geradezu "absurd" findet sie es aber, wie Butler Hannah Arendt dogmatisch vereinnahmt.