Klappentext
Aus dem Litauischen von Markus Roduner. Das Schicksal dreier Frauen, deren Leben auf eigenartige Weise miteinander verflochten sind, erzählt Jurga Ivanauskaitë in diesem Roman. Da ist Viktorija, genannt Vika, die ihre Liebe zu dem Priester Paulius nicht überwinden kann - auch nicht, als er, um von ihr loszukommen, ins Kloster geht. Einer Psychoanalytikerin erzählt sie von ihrem Schmerz und der Rache, die sie an Paulius und allen Männern nehmen will. Marija Viktorija liegt in einem Kerker der Inquisition: nicht nur, daß sie eine verbotene Liebe zu dem heiligen Mann Povilas hegt, sie weiß auch um das Evangelium der Maria Magdalena, ein Machwerk des Teufels. Kann Marija Viktorija also etwas anderes als eine Hexe sein? Maria Magdalena schließlich erhofft sich nur einen schnellen Tod, als sie gesteinigt werden soll. Doch ein Mann, dessen Geschichte sie später aufschreiben wird, rettet sie. Sein Name ist Jesus...
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.11.2002
Als literarisches Ereignis feiert Ulrich M. Schmid den bereits 1993 in Litauen erstmals erschienenen Roman "Die Regenhexe" von Jurga Ivanauskaite. Wegen seiner erotischen Szenen wurde er damals nicht für den regulären Buchhandel freigegeben und durfte nur in Erotik-Shops vertrieben werden. Tatsächlich hat es die Thematik in sich, so Schmid, geht es doch um die Liebe eines jungen Mädchens zu einem katholischen Priester. Dennoch ist es weniger dieser Sachverhalt als vielmehr die "kühne Metaphysik" sowie die ausgefeilte Komposition des Romans, die für Schmid aufsehenerregend sind. Es gebe quasi drei Handlungsebenen parallel, erläutert er, bzw. zwei weitere Biografien, die die Biografie der Protagonistin "präfigurieren" und weit ins Mittelalter bzw. bis zur biblischen Maria-Magdalena-Figur zurückgreifen. Sprachlich seien die drei Ebenen durch Übernahme ganzer Sätze oder Bilder miteinander verschränkt. "Die Regenhexe" sei "ein faszinierendes Amalgam", schreibt Schmid, "aus feministischer Selbstermächtigung und buddhistischem Fatalismus". Die ausgeklügelte Konstruktion erinnert ihn an Bukgakows "Der Meister und Margarita", nur dass Bulgakow nüchterne Prosa geschrieben habe, während Ivanauskaite den Seelenzustand ihrer Figuren auch syntaktisch nachzuempfinden versuche.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002
Innerhalb kürzester Zeit machte die Veröffentlichung von "Die Regenhexe" im Jahr 1993 Jurga Ivanauskaite zur bekanntesten Schriftstellerin Litauens, schreibt Petra Kohse. Der Roman beschäftige sich "nahezu ungefiltert" vor allem mit zwei grundlegenden Aspekten: Mit der kirchlichen und der weiblichen Sicht auf das Leben, so die Rezensentin. Das spiele die Autorin in drei Geschichten durch: einmal stellt Maria Magdalena Jesus nach, zum zweiten eine frühneuzeitliche Frau einem "wundertätigen Einsiedler" und schließlich eine moderne Frau einem Priester, informiert Kohse. In allen drei Geschichten steht der Wunsch nach der Vereinigung des Sinnlichen mit dem Übersinnlichen oder des Immanenten mit dem Transzendenten im Mittelpunkt, interpretiert die Rezensentin und meint, dass Ivanauskaite mit den pornografischen Details dieser Vereinigungswünsche etwas übertrieben hat. Auch stören Kohse die "hölzerne Sprache", die "lebensverneinende Schmerzensfrauenhaltung" der Protagonistinnen und die überkonstruierte Aufeinanderabgestimmtheit der drei Erzählungen. "Seltsam ängstlich" findet die Rezensentin diesen Roman und mag die allgemein postulierte Begeisterung darüber offensichtlich nicht teilen.
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.10.2002
In diesem Jahr steht Litauen im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse, ein Land, dessen Literatur im Deutschen bisher weitgehend unbekannt war, weiß Katharina Granzin, die in ihrer langen Besprechung gleich fünf litauische Werke bespricht. Einen "wahren Superseller" habe die damals 32-jährige Jurga Ivanauskaite im Jahr 1993 gelandet, als sie ihren Roman "Die Regenhexe" in Litauen veröffentlicht hatte, berichtet die Rezensentin. Denn das Werk erregte wegen seiner pornografischen Passagen bei den einheimischen Behörden größten Ärger, was das Buch für die Leser allerdings umso attraktiver machte. Der Inhalt, verrät Granzin, sei tatsächlich höchst erotisch. Es geht um die Phantasien einer Frau, die dem Leser in dreierlei Gestalt begegnet: einmal als Psychiatriepatientin, einmal als mittelalterliche Hexe und einmal als biblische Maria Magdalena. Alle drei sind darauf aus, sexuelle Amouren haben zu wollen: die eine mit einem Priester, die zweite mit einem Prediger, die dritte schließlich mit Jesus. Wenn man den "schwül-heiligen Ernst" des Bandes beachte, sei das Buch ein "großartiger Trivialroman", findet die Rezensentin, warnt aber vor der "nymphoman-masochistischen Grundstimmung", die ihr doch hier und da "auf die Nerven gefallen" sei.
Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002
Jurga Ivanauskaite erzählt in diesem Roman im Grunde eine "einfache Geschichte über Verzweiflung und Frust einer Frau, eine kleine Betten-Bumsen-Beichten-Epopöe", findet Olga Martynova, die anlässlich der Frankfurter Buchmesse eine ganze Reihe von litauischen Büchern bespricht. Ivanauskaite zollt fast allen Anfang der neunziger Jahre in Litauen modischen Strömungen Tribut, hält die Rezensentin fest: Mystik, Feminismus, Psychoanalyse, mediävistischen und antiken Parabeln. Inhaltlich geht es Martynova zufolge um die auf drei Zeitebenen angesiedelte Geschichte von drei Frauen, die auf sexuelle Affären aus sind: Die eine will ausgerechnet Sex mit einem Priester, die zweite mit einem Prediger, die dritte schließlich mit Jesus. Martynova hebt hervor, dass die Männer hier lediglich eine Nebenrolle als Handlanger der körperlichen Liebe spielen. "Im Mittelpunkt steht die Frau", erklärt die Rezensentin, "nur ihre Gefühle zählen". Alle geschichtlichen und mythischen Dekorationen dienen nach Martynovas Einschätzung nur als Kulisse für ihre Leidenschaft. Der katholischen Vereinigung Opus Dei ging das zu weit, von einer staatlichen Kommission wurde der Roman als pornografisch und antichristlich eingestuft - weswegen er in Litauen nur in Pornoshops verkauft werden durfte. Wo er dann auch, wie die Rezensentin verrät, reißenden Absatz fand.
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