Marina Frenk

Ewig her und gar nicht wahr

Roman
Cover: Ewig her und gar nicht wahr
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783803133199
Gebunden, 240 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Die junge Künstlerin Kira lebt mit Marc und dem gemeinsamen Sohn Karl in Berlin. Sie gibt Malkurse für Kinder, hat lange nicht ausgestellt, lange nichts gemalt - und zweifelt. Ihre Beziehung zu Marc ist sprach- und berührungslos. Ihre leicht verrückte Freundin Nele fragt manches, versteht viel und lacht gern, während Kira glaubt, in die Zukunft zu sehen und die Vergangenheit zu erfinden. In den neunziger Jahren ist sie mit ihren Eltern aus Moldawien nach Deutschland gezogen, irgendwo angekommen ist aber keiner in ihrer russisch-jüdischen Familie. Kira betrachtet nicht nur das eigene Leben, mitunter zynisch und distanziert, sondern auch das ihrer Vorfahren, die sie teilweise nur von Fotos kennt. Sie reist nach New York, Israel und Moldawien, versucht, die Geschichten zu begreifen und in ihren großformatigen Bildern zu verarbeiten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.04.2020

In diesem Roman erzählt Protagonistin Kira die Geschichte ihres bisherigen Lebens, in dem es aktuell ein kleines Kind, eine Karrierepause und Beziehungsprobleme gibt; außerdem wird sie von den Traumata ihrer kriegsgebeutelten Familie und einer Fehlgeburt heimgesucht, erklärt Rezensentin Eva Behrendt. Bisschen viel auf einmal, aber Autorin Marina Frenk gewinnt die Rezensentin, indem sie kunstvoll die Grenzen des Realen sprengt: Beispielsweise fahren einmal alle lebenden und toten Figuren, um die es geht, zusammen in einem Frachtwaggon. Möglich wird das dank Kiras Fähigkeit, der Realität durch "Abtauchen" zu entfliehen, verrät Behrendt. Mit den Sprüngen zwischen Zeiten, Orten, unmittelbaren Ereignissen und Fantasien entsteht der Kritikerin zufolge eine außergewöhnliche Erzählung, die mal bitter und dann plötzlich "zärtlich, flink und komisch" sein kann. Ein starkes Debüt, lobt Behrendt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.04.2020

Lesenswert!, lautet das Urteil von Rezensent Cornelius Wüllenkemper über Marina Frenks autofiktionalen Roman über eine Flucht aus Moldawien ins Ruhrgebiet und die Gefühle und Gedanken der ersten Einwanderergeneration. Dass die Autorin nicht nostalgisch wird, sondern sich vor allem auf die Abnabelung ihrer Protagonistin von der eigenen Familie und ihre Identitätssuche konzentriert, die zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit führt, gefällt Wüllenkemper. Anspruchsvoll durch viele Figuren und Perspektivwechsel, aber unbedingt ein Lesevergnügen, das mit sinnlicher Bildlichkeit und einer psychologisch raffinierten Geschichte aufwartet, meint er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.03.2020

Rezensentin Cornelia Geißler lernt den Reichtum der Herkunft in Biografien aus dem 20. und 21. Jahrhundert kennen mit Marina Frenks erstem Roman. Eindrücklich, meint sie, erzählt die Autorin mit Empathie vor allem für ihre weiblichen Figuren von Begegnungen, Erlebnissen, Körpergefühlen, Zeiten und Landstrichen. Die laut Rezensentin dicht und plastisch aus personaler Perspektive erzählten Episoden im Buch, die einen langen Zeitraum umfassen, ergeben für Geißler einen Text wie ein detailreiches Gemälde.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.03.2020

Marina Frenk macht es sich nicht leicht mit ihrem Debütroman über eine Flucht aus der Republik Moldau nach Berlin und das Leben mit Depression und Kind, meint Theresa Hein. Auch Hein fällt die Lektüre nicht leicht. Dauerdepressiv sei die Erzählerin, die unter Wirklichkeitsverlust leidet, und sprunghaft die Autorin, die zwischen den Erinnerungen der Figur und Stationen ihrer Familiengeschichte munter hin- und herspringt und alles in einen aus unterschiedlichen Perspektiven gespeisten "fragmentarischen Erinnerungsstrom" packt. Weil die Rezensentin immer wieder auf "schreckliche und einzigartige" Szenen stößt und die Geschichte als europäische Familiengeschichte des 20. Jahrhunderts ihrer Meinung nach allgemeine Bedeutung beanspruchen kann, möchte sie das Buch dennoch empfehlen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Als "zeitgenössischen Diaspora-Roman" würdigt Rezensent Ijoma Mangold Marina Frenks Debütroman, der ihn mit zu den verschiedensten Orten und Zeiten einer deutsch-moldawischen Migrationsgeschichte nimmt. Frenk, selbst in 1986 in Moldau geboren und mit ihren Eltern 1993 nach Deutschland gekommen, lässt Kira, ihr Alter Ego, Station in Berlin, Köln oder auf Hiddensee machen, die jüdischen Großeltern in Haifa besuchen, blickt aber auch zurück auf deren Jugend in der Ukraine oder die Flucht nach Usbekistan und verwebt die Familiengeschichte zu einem Netz"unentrinnbarer Gleichzeitigkeit", staunt der Kritiker. Dass Frenks Heldin auch noch eigene Schicksalsschläge erleiden muss, die leider nicht immer ganz ohne "ikonischen Negativitätskitsch" wie "Klokotzszenen" auskommen, findet Mangold zwar schade. Der Qualität dieses berührenden Debüts tut das aber kaum Abbruch, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2020

Die in Moldau geborene Autorin Marina Frenk verweist die Flut von "Selbstbeschauungs-Debüts" auf die Plätze, meint Oliver Jungen in seiner hymnischen Besprechung. Wenn ihm die Autorin von einer jungen Berliner Malerin erzählt, die wie Frenk aus einer russisch-jüdischen Familie in Moldau als junge Frau nach Deutschland kam, bewundert der Kritiker nicht nur, wie stilsicher und leichthändig Frenk über Heimatlosigkeit, Identitätssuche und Zugehörigkeit zu schreiben vermag. Noch beeindruckender erscheint ihm ihr Vermögen, die eigene Vergangenheit - Flucht, Ankunft im Ruhrgebiet, Scheitern als Malerin, erste Beziehung und Fehlgeburt - mit derjenigen ihrer Vorfahren zu verknüpfen: In verschiedenen "Imaginationen" blende Frenk die Erlebnisse und Traumata ihrer einst im Faschismus und Kommunismus lebenden Familie bildgewaltig übereinander, staunt der Rezensent. Diese Form "freihändiger Wort-Malerei" erscheint Jungen eindringlicher als das Aufzählen historischer Fakten. Ein "hochaktuelles, wundervoll poetisches und unprätentiöses" Buch, schließt er.
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