Michael Martens

Im Brand der Welten

Ivo Andric. Ein europäisches Leben
Cover: Im Brand der Welten
Zsolnay Verlag, Wien 2019
ISBN 9783552059603
Gebunden, 496 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

"Für die epische Kraft, mit der er Motive und Schicksale aus der Geschichte seines Landes gestaltet", wurde Ivo Andric 1961 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Michael Martens zeigt in seiner Biografie einen außergewöhnlichen Lebensweg nach: Es führt von der Kindheit in Bosnien über das Attentat von Sarajevo 1914 bis zu Andrics Zeit als Diplomat des Königreichs Jugoslawien in Hitlers Berlin. Diesen bewegten Zeiten folgen Jahre im von den Deutschen okkupierten Belgrad, als Andric in völliger Zurückgezogenheit die großen Romane schreibt, die ihm Weltruhm einbringen werden - selten hat es ein bemerkenswerteres Dichterleben gegeben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.11.2019

Es scheint so eine Sache zu sein mit Literaturnobelpreisträgern und dem Balkan, stellt Karl-Markus Gauß fest. Allerdings betont er sofort, dass dem Autor (und gewiss auch ihm selbst) fernläge, den Nobelpreis für Ivo Andrić nachträglich in Frage zu stellen. Aber die von Martens aufgefundenen politischen Schriften, die Beschreibung seiner Gesandtentätigkeit in Berlin, seine Fürsprache für eine Annäherung zwischen Jugoslawien und dem nationalsozialistischen Deutschland lassen ihn wohl manchmal schaudern. Dabei sei es keine offensichtliche politische Anschauung gewesen, die Andrić vertrat, vielmehr wollte er wohl einzig und allein seinem Land dienen, dessen Auslöschung er befürchten musste. Gauß gefällt, wie klug Martens mit seinen Archivfunden umgeht und wie kundig er die Geschichte des Landes mit der des Ausnahmeschriftellers verwoben hat. Eine ungeschmälerte Leseempfehlung.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.11.2019

Wolfgang Schneider bekommt Lust Ivo Andric zu lesen mit Michael Martens Biografie über den bisweilen rebellischen, aber auch opportunistischen Intellektuellen. Die von Glücksfällen geprägte Lebensgeschichte liest sich laut Schneider wie ein Roman über das turbulente 20. Jahrhundert. Andrics Doppelleben als Schriftsteller und Diplomat im Königreich Jugoslawien vermag ihm der Autor mit der gebotenen Distanz zu vermitteln. Sowohl dem Stil des Literaturnobelpreisträgers als auch dessen Versuchen, die Frage zu beantworten, ob Europa und der Islam zusammenpassen, widmet sich Martens laut Schneider auf profunde Weise.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.10.2019

Andreas Breitenstein lässt sich von Michael Martens erläutern, wieso der jugoslawische Schriftsteller und Diplomat Ivo Andric sich nicht in Pathos und politischer Aktion verlor wie so viele andere, sondern stattdessen große Literatur schuf. Als etwas steifer, aber integrer Mensch tritt Andric ihm hier entgegen, ausgestattet laut Breitenstein mit einem "kryptischen Gefühlsleben". Wie Martens materialsatt und anschaulich die Lebensgeschichte mit der komplexen historischen Wirklichkeit Bosniens verknüpft und sein Tableau geschickt arrangiert, sodass der Leser den Atem anhält, findet Breitenstein lesenswert. Dem Autor attestiert er "moralisches Augenmaß" und eine überwältigende Kenntnis seines Stoffes.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.10.2019

Tobias Lehmkuhl empfiehlt Michael Martens' Biografie über den kroatischen Schriftsteller und politischen Kopf Ivo Andric. Der Autor vermittelt ihm die "spannende Vielfalt der jugoslawischen Literatur avant la lettre". Wenn Martens aus Tagebüchern von literarischen wie politischen Zeitgenossen Andrics und aus dessen eigenen Aufzeichnungen zitiert, lernt Lehmkuhl zudem die komplexen Verhältnisse auf dem Balkan nach dem Ersten Weltkrieg kennen. Wie der Autor das Werk Andrics aufblättert, die Entwicklungen auf dem Balkan schildert und beides miteinander verknüpft, findet der Rezensent höchst lesenswert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.09.2019

Rezensentin Doris Akrap hat diese Biografie des bosnischen Diplomaten, Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Ivo Andric mit großem Interesse gelesen. Autor Michael Martens, der von 2002 bis 2009 für die FAZ aus Belgrad berichtete, zeichnet ihr ein "intelligentes und elegantes" Porträt von Andric als Mann mit vielen Talenten. Selbst Anhänger eines vereinten Südslawiens, kannte er die Attentäter Franz Ferdinands, war Botschafter der jugoslawischen Regierung in Hitlers Berlin, in Rom, Madrid und Paris und eben preisgekrönter Schriftsteller, dessen Romane die bosnische Geschichte widerspiegelten - wohl auch aus Furcht, in aktuelle politische Debatten gezogen zu werden, lernt die Rezensentin. Zwar scheitert auch Martens oft an Andrics "extremer Zurückhaltung" was seine politischen Ansichten angeht, so Akrap, aber sie lernt doch genug über ihn um zu verstehen, dass er trotz seines Opportunismus als Diplomat in seinen Büchern den "modernen Menschen" mit all seinen Wünschen, Ängsten und Zweifeln darstellte.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 31.08.2019

Dirk Schümer bewundert, wie der Balkankenner Michael Martens dem Migranten zwischen den Ideologien, dem Chamäleon, dem Diplomatenautor und Nobelpreisträger Ivo Andric ein Denkmal setzt, teils bewundernd, teils fassungslos angesichts der vielen Verwandlungen und Selbstverleugnungen seines Objekts unter den Habsburgern, den Nazis, Tito. Dass Martens Andric in Schutz nimmt vor der Vereinnahmung als serbischer Nationaldichter, indem er sein Schillern betont, gefällt Schümer ebenso wie die vom Autor in jahrelanger Archivarbeit erstellte Epochenstudie, die erklärt, wie es Andric gelingen konnte zu überleben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.08.2019

Glänzend findet Norbert Mappes-Niediek Michael Martens Biografie über den aus Bosnien stammenden Diplomaten und Literaturnobelpreisträger Ivo Andric. So turbulent das Leben und Wirken von Andric war, so ausgewogen weiß es der Autor laut Rezensent zu fassen. Andrics Karrieren als Diplomat vor dem Zweiten Weltkrieg und später als Schriftsteller stellt der insgesamt wohlwollende Autor einander gegenüber, ohne einen Widerspruch aufzubauen, stellt der Rezensent bewundernd fest. Die Sorgfalt der Komposition des Buches hebt Mappes-Niediek hervor, ebenso die Parallelen zu Thomas Mann, die der Autor "elegant" zieht. Zwar möchte er nicht alle Urteile des geschickt Archivfunde und Forschungsliteratur handhabenden Autors teilen. Doch zu seiner Freude entdeckt er viel Unbekanntes, etwa über das literarische Belgrad.