Michael Stolleis

Das Auge des Gesetzes

Geschichte einer Metapher
Cover: Das Auge des Gesetzes
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406516795
Broschiert, 88 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Michael Stolleis spürt in seinem Essay den Wegen eines Bildes nach, dessen Anfänge weit in die Menschheitsgeschichte zurückreichen, und er vermag nicht zuletzt anhand von zahlreichen Bildbeispielen zu zeigen, wie die Augenmetapher Strömungen der Rechtsgeschichte seit dem 16. Jahrhundert aufnimmt, die im revolutionären Frankreich in eine radikal neue "Vergöttlichung des Gesetzes" einmünden. Mit ihr befreit sich das Recht zwar von religiösen und fürstlichen Bevormundungen, aber zugleich erhebt es auch einen Anspruch auf "Allwissenheit", der in den totalitären Überwachungspraktiken der Moderne seinen bedrohlichen Ausdruck gefunden hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.08.2004

Einen "schönen Essay" habe der Frankfurter Rechtshistorikers Michael Stolleis mit diesem Band vorgelegt, lobt Rezensent Rudolph Walther. Im Weiteren referiert Walther, was er aus dem Buch über die Geschichte der Metapher vom "Auge des Gesetzes" gelernt hat. So erfahren wir, dass sie zwar durch Schillers "Glocke" erst populär wurde, die dortige Verwendung der Metapher zugleich aber bereits den Abschluss einer langen sprachlichen Entwicklung bildete - seither werde sie alltagsprachlich nur mehr ironisch oder kritisch gebraucht. Vor seiner "Profanierung", berichtet der Rezensent, habe das Wort "Auge", im Koran wie in der Bibel, aber zunächst für die alles sehende, wissende und ordnende Macht Gottes gestanden, und sei dann im Zuge der bürgerlichen Revolution auf das Recht und die Gesetze übertragen worden. Nur die Einschätzung des Autors, dass allein "politische Systeme mit einem überschießenden utopischen Anteil" heute noch "göttliche Allwissenheit und Voraussicht" für sich beanspruchen würden, mag der Rezensent nicht teilen: dazu seien auch Rechtsstaaten fähig, wenn sie in ihrem "maß- und grenzenlosem Streben nach immer mehr Sicherheit" die Freiheit "vergessen" würden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.02.2004

Das Gesetz hat nicht nur ein Auge, es ist ein Auge: auf diese knappe Formel bringt Rezensent Uwe Justus Wenzel die These des Frankfurter Rechtshistorikers Stolleis, der die Geschichte dieser Metapher als politische Ikonografie nachzeichnet. Das wachende Auge Gottes, die Augen der Göttin Gerechtigkeit, der absolute Souverän - Stolleis führt verschiedene abendländische Traditionslinien zusammen, erklärt Wenzel, die in der französischen Revolution münden, als das Volk seine Souveränität an die Verfassung übertrug. Im 19. Jahrhundert gab dann die Entwicklung des Überwachungs- und Strafsystems der Metapher vom Auge des Gesetzes einen negativen Beiklang. Im Grunde, stellt der Rezensent fest, präsentiert Stolleis "Fragmente einer Verfallsgeschichte"; das nimmermüde Auge des Überwachungsstaates korrespondiere nämlich mit dem blind werden Auge des Gesetzes, das beliebig gefüllt werden könne, solange es mit dem Verfassungsrecht nicht kollidiere. Insofern ist das "Gesetz blind geworden", behauptet Wenzel und vermutet beim Autor eine gewisse Sehnsucht nach Bildern, in denen sich der nüchterne Rechtsstaat von heute symbolisch bekräftigen könne.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.01.2004

Dieser "knappe Essay" von Michael Stolleis wird von Lorenz Jäger zunächst einmal eingeordnet in die jüngeren Entwicklungen der historischen Wissenschaften, in deren Zuge aus der Heraldik, der Kenntnis der Wappen, schon lange mehr geworden ist als "eine bloße Hilfswissenschaft der Historiker". Bilder und Embleme könnten vielmehr, so Jäger, "in besonders glücklichen Fällen durchaus wesentliche Einsichten in die Natur der geschichtlich wirkenden Kräfte vermitteln". Das ist nach Ansicht Jägers nun auch Michael Stolleis mit diesem Buch gelungen, das dem heute selten gewordenen Bild vom "Auge des Gesetzes" gewidmet ist. So bringe Stolleis dem Leser am Leitfaden dieses Bildes vor allem "die revolutionären Ursprünge des Rechtsstaats" nahe - insofern er nämlich zeigt, dass das Bild den Höhepunkt seiner Beliebtheit in der Epoche der französischen und amerikanischen Revolutionen hatte, und hier für eine "umfassende Fürsorge und Kontrolle" durch die Gesetze stand. Während Stolleis jedoch von einer "Aushöhlung" des Symbols im gegenwärtigen, pragmatischen Rechtsstaat ausgeht, gibt Rezensent Jäger zu bedenken, dass die "ideologischen Energien", die Stolleis am Ursprung des Rechtsstaates ausmacht, womöglich noch nicht abgegolten sind; so lasse etwa die Familienpolitik der EU Erinnerungen an diese Ursprünge wach werden.
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