Michail Prischwin

Der irdische Kelch

Das Jahr neunzehn des zwanzigsten Jahrhunderts
Cover: Der irdische Kelch
Guggolz Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783945370025
Gebunden, 171 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Eveline Passet. Mit einem Nachwort von Ilma Rakusa. Es ist 'das Jahr neunzehn des zwanzigsten Jahrhunderts', kurz nach der Revolution. Ein Landschloss in einem russischen Provinzstädtchen, dessen erster Stock zu einem 'Museum des Gutslebens' umfunktioniert wurde. Bevölkert wird das Schloss von sonderlichen Gestalten, die sich dort eingerichtet haben. Machtbesessene Emporkömmlinge, die die Gunst der Stunde nutzen, überlebensschlaue Bauern, eine betagte Kinderfrau, nun Hüterin zweier übriggebliebener Pfauen, und ein Gärtner, der unverdrossen den Garten bestellt, aus dem längst alle Bäume verschwunden sind. In dieser Gesellschaft soll der Dorfschullehrer Alpatow das Licht der Bildung verbreiten - eine aussichtslos erscheinende Aufgabe inmitten von Hunger, Bürgerkrieg und Aberglauben. Michail Prischwin galt Zeit seines Lebens, ja bis zu Perestrojka und Mauerfall als ein apolitischer Autor, der als 'Sänger der russischen Natur' (Paustowski) Bekanntheit erlangte.
Prischwin führte allerdings auch jahrzehntelang ein von jeder äußeren und inneren Zensur freigehaltenes, gesellschaftlichmentale Verschiebungen minutiös festhaltendes Tagebuch, von dem nicht einmal seine Frau wusste. Und er schrieb in den Anfangsjahren seines literarischen Schaffens politisch gefärbte Texte wie 'Der Irdische Kelch', die zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht werden konnten. Die vielstimmige Erzählung mit ihrem Mischcharakter von Groteske und Legende ist der erste längere künstlerische Text, den Prischwin nach der Oktoberrevolution verfasst hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2016

Rezensentin Sabine Berking berichtet von der Liebe der Russen für Michail Prischwin und seine einfühlsamen Landschaftsbeschreibungen. Ihr selbst gefällt der Autor wegen seiner ethnografischen Genauigkeit bei der Schilderung des Bauernalltags. Eine Entdeckung, meint sie, ist der Autor allemal bei uns. Seinem Roman aus dem Jahr 1922 attestiert Berking anhaltende politische wie philosophische Sprengkraft, bitter, desillusioniert und sarkastisch, wie der Held des Buches, ein Alter Ego Prischwins, auf die verdorrten Früchte der Revolution blickt. Die Übersetzung und die Anhang zu findenden Informationen zu Autor und Werk machen den Band für sie zur Kostbarkeit.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.12.2015

Ein großes Nachsinnen über Russland ist Michail Prischwins Roman von 1922 für Judith Leister, moralphilosophischer Diskurs, Naturmystik und Fantastik sowie derbe, volksnahe Dialoge. Der dauernde Wechsel von Transzendenz und Profanem, mit dem der Autor die Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung und andere Konsequenzen von Revolution und Kollektivierung fasst, scheint Leister höchst modern. Dahinter erkennt sie das ganz große Rad, auf das das Menschenschicksal gespannt ist. Für die Rezensentin, die auch die Übersetzung und das Nachwort von Eveline Passet lobt, ein ungewöhnliches Stück Prosa.
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