Wladimir Sorokin

Die rote Pyramide

Erzählungen
Cover: Die rote Pyramide
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2022
ISBN 9783462053708
Gebunden, 192 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg und Andreas Tretner .In "Die rote Pyramide" versammelt Vladimir Sorokin, einer der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller Russlands, neun Erzählungen aus den letzten Jahren, die alle auf ganz unnachahmliche Weise das Leben im postkommunistischen Russland aufs Korn nehmen. In den neun Erzählungen, die Vladimir Sorokin für diesen Band zusammengestellt hat, geht es immer um eine durch den Verfall der Sowjetunion deformierte Gesellschaft. Das zeigt sich beim Einzelnen, wie in der Titelgeschichte, in der der junge Jura eine Vision erfährt, die ihn bis zum Ende seines Lebens nicht mehr loslässt. Es zeigt sich aber auch im Politischen, wie in der Geschichte "Lila Schwäne", in der die russischen Atomsprengköpfe plötzlich in Zuckerhüte verwandelt wurden und man sich nicht anders zu helfen weiß, als einen wundertätigen Religionsgelehrten um Hilfe zu bitten. Und es zeigt sich im Zusammenspiel der Menschen, ihrer gesellschaftlichen Interaktion, wie in der Geschichte "Der Fingernagel", in der vier befreundete Ehepaare zu einem Abendessen zusammenkommen, das auf Grund von Toilettenpapiermangel vollkommen außer Kontrolle gerät.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.04.2022

Brisanz und Aktualität attestiert Rezensentin Christiane Pöhlmann diesem Band mit Erzählungen von Vladimir Sorokin aus den letzten Jahrzehnten. Im Zentrum der Kurzgeschichten steht der KGB, selten offen zutage tretend, oft nur angedeutet durch Mangelwirtschaft, Korruption oder Propaganda, erklärt die Kritikerin. Nicht alle Anspielungen sind ihr ohne Weiteres verständlich, warnt sie vor, manches sei "derb" und vulgär, gelegentlich endeten die Geschichten auch in Plattitüden, fährt Pöhlmann fort. Empfehlen kann sie den Band dennoch.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.03.2022

Rezensent Kai Sina kommt beim Lesen der zwischen 2002 und 2019 gesammelten Erzählungen Vladimir Sorokins in "Die rote Pyramide" an die Grenzen des Erträglichen. Der russische Autor erzählt aus dem Russland von damals und heute zuerst idyllisch und dann ins drastische Dunkle und Gewalttätige umschlagend, so Sina. Das erinnert den Rezensenten bisweilen nicht nur an die Aufzeichnungen des Marquis de Sade, sondern auch an Dostojewski und die Gebrüder Grimm. Trotzdem sind Sorokins mit schockhaft kombinierten Anspielungen gespickte Geschichten originell und vielstimmig und gleichen mit ihrer betonten Farblichkeit dem Rezensenten zufolge "modernistischen Gemälden aus Prosa". Wie erbarmungslos Sorokin die Schwächen des russischen "Kollektivsubjekts" bloßlegt, ringt dem Rezensenten höchste Bewunderung ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.03.2022

Rezensent Michael Schleicher empfindet die erstmals auf Deutsch erschienene Erzählsammlung "Die rote Pyramide" von Vladimir Sorokin vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse als besonders eindrucksvoll. Darin gesammelt sind neun "sprachmächtige, fantasievolle" Erzählungen des russischen Autoren, der in seiner Heimat stets Ärger für seine oftmals provokanten und analytischen Werke bekommt, weiß Schleicher. Die zwischen 2002 und 2018 entstandenen Texte sind ihm zufolge dabei aber nicht nur gelungene Gesellschaftsanalysen, sondern auch literarisch lohnend. Ein "erhellend dunkles Bild"  Russlands und seiner "ideologischen Leere", gezeichnet von einem der bedeutendsten Autoren der russischen Postmoderne, resümiert der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.02.2022

Rezensentin Norma Schneider lobt das entlarvende Potenzial von Vladimir Sorokin, das sie auch dessen neu erschienenen Kurzgeschichten attestiert. Mal subtil, mal radikal lassen die neun Geschichten, entstanden in den letzten zwanzig Jahren, die gefährlichen politischen Tendenzen im heutigen Russland hervortreten: Nationalismus, Religiosität und eine ordentliche Portion Sowjetnostalgie, fasst Sorokin zusammen - einige der Geschichten spielen auch in der Sowjetunion. Bemerkenswert findet die Kritikerin dabei, wie Sorokin mit literarischen Formen spielt und bricht, den Leser in falscher Sicherheit wiegt - etwa in einem verklärten Russlandbild, das schnell bröckelt -, und auch den "bösen" (Fäkal-)Humor in manchen Texten. Außerdem kommen Missbrauch, Sex und Gewalt vor, die nicht ins Narrativ der russischen Regierung passen, so Schneider. Interessant, dass Sorokin nicht nur ein regierungskritisches, sondern auch ein - befürwortendes rechtes Publikum findet, so Schneider - für sie jedenfalls eindeutig eine "gnadenlose Zerstörung" der nationalistischen Idylle.