Wolfgang Benz (Hg.)

Streitfall Antisemitismus

Anspruch auf Deutungsmacht und politische Interessen
Cover: Streitfall Antisemitismus
Metropol Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783863315320
Einband unbekannt, 328 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Dass es in Deutschland mehr Grund zum Diskurs über Antisemitismus gibt als irgendwo sonst in der Welt, dass es einen Schlussstrich unter die Verbrechen der deutschen Vergangenheit nie geben kann, versteht sich als historische, politische und moralische Notwendigkeit. Immer öfter aber erheben Aktivisten und Interessierte aus Medien und Politik den Antisemitismus-Vorwurf und fordern lautstark Deutungshoheit ein. Meinungsstärke, Durchschlagskraft und die Verortung im richtigen Lager siegen über differenzierende Analyse und abwägendes Urteil - so geschehen in der Debatte um das Jüdische Museum Berlin, die BDS-Bewegung oder den südafrikanischen Gelehrten Achille Mbembe. Der Eindruck entsteht, dass der "israelbezogene Antisemitismus" Kern des Problems sei und die Hauptschuld am Antisemitismus von der radikalen Rechten auf die Kritiker israelischer Politik - oder auch auf "die Muslime" - abgewälzt werden soll. Und nicht wenige ziehen es vor, von allem, was mit Juden zu tun hat, die Finger zu lassen, weil man sie sich verbrennen könnte. Am Ende steht die Beschädigung der Sache, um die es wirklich geht: die unbedingte Absage gegen jede Form von Judenfeindschaft. Mit Beiträgen von:Shimon Stein/Moshe Zimmermann, Daniel Cil Brecher, Juliane Wetzel, Wolfgang Benz, Daniel Bax, Michael Kohlstruck, Peter Widmann, Micha Brumlik, Thomas Knieper, Dervis Hızarcı, Katajun Amirpur, Alexandra Senfft, Muriel Asseburg, Gert Krell

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.08.2020

Wolfgang Benz leitete einst das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Nun bringt er einen schnell gestrickten Sammelband heraus, in dem er und seine Mitautorinnen einen weithin strategisch geführten Antisemitismusvorwurf beklagen. In dem Band wird schon auf die Mbembe-Debatte und die Debatte um Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Bezug genommen - und zwar stets pro Mbembe und contra Klein. Auch die Israel-Boykottkampagne BDS wird verteidigt. Der in der FR rezensierende Peter Ullrich ist selbst seit 2014 Fellow an dem von Benz einst betriebenen Institut. Er stimmt den Thesen des Bandes weithin zu, bemüht sich aber um eine differenzierte Kritik und verhehlt keineswegs, dass der Band Teil der Debatte ist, die er vorgibt widerzuspiegeln - und zwar ein sehr parteiischer. Viele Beiträge erscheinen Ullrich dann doch nicht akademisch beglaubigt genug, zu journalistisch, zu sehr aus persönlicher Betroffenheit heraus geschrieben, auch wenn er diese Betroffenheit bei Personen, die über jeden Zweifel erhaben seien, durchaus nachvollziehen kann. Bei allen Einwänden gehört dieser Band im Streit um Antisemitismus, Israelkonflikt und Nahostkonflikt für Ullrich künftig zu den einschlägigen Beiträgen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.08.2020

Für Florian Goldberg ist der von Wolfgang Benz herausgegebene Band ein Buch zur richtigen Zeit. Vom Vorwurf, den Antisemitismus zu verharmlosen, möchte Goldberg den Herausgeber sofort freisprechen. Im Gegenteil, findet der Rezensent, gelingt dem Buch eine konzentrierte und ruhige Bestandsaufnahme zum Antisemitismus-Diskurs. Wie Autoren wie Katajun Amirpur, Michael Kohlstruck oder Micha Brumlik sich der Frage widmen, was der Begriff Antisemitismus meint oder ob sich Antisemitismus mit anderen Formen des Rassismus vergleichen lässt, scheint Goldberg lesenswert. Eine gelungene Orientierung zum Thema abseits medialer "Empörungsdynamik", so Goldberg.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.07.2020

Sehr froh ist Christiane Habermalz über diesen "wichtigen Beitrag zu einem hochbrisanten Thema", der dazu geeignet sei, die Debatte zu versachlichen. Habermalz war auch bei der Vorstellung des Buchs dabei und erlebte einen zornigen Wolfgang Benz, ehemals Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin, der schildert, wie sogar gegen ihn, den Doyen der Disziplin, ein "denunziatorischer Aktivismus" entfaltet wurde. Anlass des Buchs waren laut Habermalz die Kritik am zurückgetretenen Direktor des Jüdischen Museums, Peter Schäfer, und die Dbatte um Achille Mbembe. In dessen Werk habe man Passagen aufgespürt, in denen er Israel kritisiert, so Habermalz, und kann sich mit Benz nur über die "Anmaßung des Zensurverlangens" wundern. Zustimmend zitiert sie auch Beiträge von Moshe Zimmermann, Shimon Stein und Micha Brumlik. Antisemitismus kommen im wesentlichen von rechts, ist für sie Fazit aus dem Band. Bei anderen Behauptungen seien häufig "politische Interessen" im Spiel, zitiert sie Benz.