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Erinnerungen, Briefe, Essays, Reportagen

Erinnerungen, Briefe

Otto Dov Kulka, 1933 in der Tschechoslowakei geboren, wurde als Zehnjähriger mit seiner Mutter nach Auschwitz verschleppt. Heute ist er emeritierte Professor für die Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem. Er hat sich sein Leben lang mit dem Holocaust befasst, aber dabei, wie die Osteuropa-Historikerin Katarina Bader in der Zeit erklärte, konsequent alle privaten Zeugnisse, Filme oder literarischen Erzählungen über den Holocaust oder Auschwitz ignoriert. Und das merkt man seinem Buch "Landschaften der Metropole des Todes. Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft" an, meint die tiefbeeindruckte Zeit-Rezensentin: keinerlei Klischee findet sie in Kulkas Erinnerung, keine bekannte Phrase, kein zu oft bemühtes Wort. Ähnlich beschreibt es Katharina Hacker in der FAZ: "Kulka schreibt in einer zerbrochenen Sprache, in der die Wörter ihre Bedeutung wieder erhalten, vielleicht dazu eine neue Bedeutung. In dieser zerbrochenen Sprache wird, wie mit gleichzeitigen, mitklingenden Tönen, etwas von der Bedachtsamkeit, der Würde von Menschen gesagt." Im Guardian hat Thomas W Laqueur eine lesenswerte Rezension geschrieben. Hier eineMarek Edelman, einer der Anführer des jüdischen Widerstands im Warschauer Ghetto, hat diese Zeit in seinem Erinnerungsband "Die Liebe im Ghetto" beschrieben. Bisher hat nur Klaus Bittermann in der taz das Buch besprochen, der es als "große Literatur" und eindrucksvolle Beschreibung des Alltag im Ghetto empfiehlt.

Eine absolute Sensation, jubelt Zeit-Rezensent Andreas Isenschmid über den ersten Band der auf vier Bände angelegten Auswahl von Briefen Samuel Becketts, "Weitermachen ist mehr, als ich tun kann" Die in diesem Band enthaltenen Briefe stammen aus den Jahren 1929-1940 und lehren auch Beckett-Spezialisten einen ganz neuen Blick auf den Dichter. Erstaunlich auch, so Isenschmid, wie unglaublich inspiriert Beckett über seine angebliche Einfallslosigkeit klagt. Auch taz-Rezensent Jürgen Berger, der Beckett als "Dichter des Verstummens" kennt, scheint sich gut unterhalten: Munter plaudert Beckett über seine Verstimmungen und Darmfisteln, seiner Geldnot und seinen politischen Aversionen gegen Opportunisten wie Wilhelm Furtwängler. Empfohlen wird auch der Familienbriefwechsel, den der Dichter Peter Hacks zwischen 1945 und 1999 "Peter Hacks schreibt an 'Mamama'" mit seiner Familie führte: treffende Porträtminiaturen, z. B. von Elisabeth Hauptmann, bissige politische Kommentaren oder Seitenhiebe gegen die jüngere Wissenschaftstheorie - all das hat FAZ-Rezensent Dietmar Dath gern gelesen.

Gut besprochen wurden außerdem Dieter Dorns Autobiografie "Spielt weiter!" in der der Theaterregisseur sich und seinen "theatralisch-literarischen Wahrheitsanspruch" auf den Punkt gebracht hat, so Christine Dössel in der SZ, und der Briefwechsel zwischen Bertolt Brecht und Helene Weigel aus den Jahren 1923-1956 "Ich lerne: Gläser und Tassen spülen" der Brecht in Liebesdingen als ziemlichen Spießer zeigt, meinen die Rezensenten in NZZ, taz und Zeit.


Essays

Der ungarische Essayist und Literaturwissenschaftler László F. Földényi versucht in seinem Essay "Starke Augenblicke" eine Physiognomie der Mystik in der Kunst, der Religion und im Augenblick des sich Verliebens zu zeichnen. Zeit-Rezensent Adam Soboczynski, der Földényis Essaywerk insgesamt als "fröhliche Wissenschaft" bewundert, empfiehlt wärmstens auch diesen "wunderbaren" Band, der sein Thema in sieben Essays behandelt, die sich zwar ergänzen, aber keine hierarchische Abfolge bilden: "Hier schreibt jemand ein Buch über mystische Augenblicke und vollzieht sie dabei", erklärt der hingerissene Rezensent. Großes Lob auch für Henning Ritters neues Buch "Die Schreie der Verwundeten" ein "Versuch über die Grausamkeit", so der Untertitel. Ritter breitet in sechs Essays von der Französischen Revolution bis etwa zum Ersten Weltkrieg, ein Panorama der Grausamkeiten, aber auch des Mitleids, aus. In der Zeit bewundert Ulrich Greiner die essayistische Eleganz Ritters. "Spannend an diesem Buch ist die Verbindung von Moralphilosophie und ethischen Tatsachen, Geschichte und Geistesgeschichte", lobt Wolfgang Schneider in der Welt. Leseproben findet man hier in der FAZ und hier beim Beck Verlag. Hier eine

Was tut ein Philosoph, wenn seine Frau sich darüber beschwert, sie werde zu wenig geküsst? Er setzt sich hin und schreibt einen "Versuch über das Küssen" Ob Alexandre Lacroixs Ehefrau glücklich war über diese Reaktion, wissen wir nicht. Im Spiegel immerhin fand Sebastian Hammelehle, dieser Essay könne es "an Schwung mit jedem guten Kuss aufnehmen". Auch taz-Rezensent Christof Forderer las ihn offenbar mit Vergnügen, wenn er ihn gelegentlich auch etwas unbekümmert fand. Was Julia Kospach im Falter wiederum gerade gefiel: so "kokett, heiter und gelehrig" ließ sie sich gern über die Initiationsqualität des Zungenküssens oder die frühe Monopolisierung des Kusses durch die Kirche aufklären. Hingewiesen sei auch noch auf Esther Kinsky Band "Fremdsprechen" der charmant und gedankenreich die Fallstricke des Übersetzens umkreist, so Burkhard Müller in der SZ.


Reportagen

Richard McGregor hat viele Jahre in China als Korrespondent der Financial Times gearbeitet, in seinem Buch "Der rote Apparat" beschreibt er, wie die KP das Land ökonomisch geöffnet hat, um es politischer umso fester in ihrem Griff zu behalten. Wenn man nur ein Buch lesen könnte, um China zu verstehen, solte es dieses sein, meint die SZ. Als sehr lehrreich lobt der Economist lobt das Buch, das ihm endlich die chinesischen Widersprüche erklärte, im Wall Street Journal ist ein Auszug aus dem Buch zu lesen.

Außerdem viel besprochen wurde Navid Kermanis Reportageband "Schöner neuer Orient" durch die islamische Welt. Die Kritiker zeigen sich von Kermanis strikter Subjektivität überzeugt, wie zum Beispiel Jannis Hagmann in der taz und Tim Neshitov in der SZ. Beeindruckt hat viele Rezensenten auch der Mut des italienischen Journalisten Giovanni Tizian, der in seinem Buch "Mafia AG" zeigt, wie Cosa Nostra, Camorra und 'Ndrangheta inzwischen auch Norditaliens Geschäftwelt unterwandert haben.

Hanns Zischler spaziert durch die große und graue Stadt Berlin: "Berlin ist zu groß für Berlin" Er flaniert, er assoziiert, und er fotografiert - und man lernt eine Menge über den Moloch. Und Gustav Seibt schreibt in der SZ: Berlin hatte schon immer die "dümmsten Planer und die intelligentesten Essayisten". Bernhard Kegel schreibt über "Tiere in der Stadt" und schlägt mal nicht das übliche apokalyptische Tremolo an. Die mutigen Pioniere unter den Tieren lernt FAZ-Rezensentin Christina Hucklenbroich bei ihm kennen: Füchse, Wildschweine, Kraniche, die ihren angestammten Lebensraum verließen und in der Stadt ihr Glück versuchten. Auch Burkhard Müller empfahl das Buch in der SZ.

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