Bücherbrief

Odyssee der Zeitgenossenschaft

11.04.2022. Die Leipziger Buchmesse wurde zum dritten Mal abgesagt, der Bücherfrühling fällt dennoch reichhaltig aus: Mit Joyce'scher Wucht stemmt sich Joshua Cohen in "Witz" gegen die Verflachung der deutschen Erinnerungskultur, Szczepan Twardoch lässt uns in "Demut" die schweißtreibende Angst im Ersten Weltkrieg hautnah spüren, Tove Ditlevsen lässt in "Gesichter" präszise und menschlich Wahn und Realität verschwimmen und Stanislaw Assejew schickt anthropologisch präzise Texte aus dem Donbass. Dies alles und mehr in unseren besten Büchern des Monats April.
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Weitere Anregungen finden Sie in in der Lyrikkolumne "Tagtigall", dem "Fotolot", in den Kolumnen "Wo wir nicht sind" und "Vorworte", in unseren Büchern der Saison, den Notizen zu den jüngsten Literaturbeilagen und in den älteren Bücherbriefen.

Literatur

Szczepan Twardoch
Demut
Roman
Rowohlt Berlin Verlag 2022, 464 Seiten, 25 Euro

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Der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch warf den Deutschen kürzlich in der Welt "unreflektierten Pazifismus" vor - und den westeuropäischen Intellektuellen in der NZZ wenig später Arroganz und Ignoranz gegenüber Osteuropa (Unsere Resümees). Twardoch poltert gerne mal los, zu fassen ist er aber schwer, musste FAS-Kritikerin Susanne Romanowski im Gespräch erkennen. Sein aktueller Roman spielt vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs: Nach Kriegsende wacht Twardochs eigensinniger Held Alois Pokora, ein zeitlebens gedemütigter Bergmannssohn, der an der Front in Flandern kämpfte, im Krankenhaus auf, streift zunächst durchs umstürzlerische Berlin, erlebt Revolution und Unruhen in Oberschlesien und den Umbruch in ganz Europa. Für Zeit-Kritiker Florian Illies ist die Sache nach der Lektüre klar: Der Autor erfasst Kriegsgeschichte eindeutiger als der Zeitzeuge, meint er: So subtil, mitreißend und rhythmisch erzähle Twardoch von der Erbarmungslosigkeit des Ersten Weltkriegs, das Illies meint, die schweißtreibende Angst und die Schneeflocken auf der Haut im Kriegswinter spüren zu können. Auch Dlf-Kritiker Eberhard Falcke bricht mit Twardoch gern auf zu dieser rasanten "Odyssee der Zeitgenossenschaft", voller Expression und Präzision. FAZ-Kritiker Urs Heftrich entdeckt hier etwas mehr Walter Scott als Tarantino, fast "brav" erscheint ihm Twardoch, während Paul Jandl in der NZZ manches zu dick aufgetragen ist.


Emmanuel Carrere
Yoga
Matthes und Seitz Berlin. 328 Seiten. 25 Euro

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Emmanuel Carrere ist wie Michel Houellebecq, nur frischer und berührender, jubelte im Dlf Kultur Dirk Fuhrig, der Emmanuel Carreres neues Memoir als einer der ersten besprochen hat. Das klingt vielversprechend: Wir folgen Carrere hier von einem Yoga-Retreat in die rauhe Wirklichkeit der Anschläge auf die Redaktion von Charlie Hebdo über die Diagnose einer bipolaren Störung bis auf eine griechische Insel, wohin sich Carrere begibt, um Geflüchtete zu unterrichten. Fuhrig mag, wie der Autor über persönliche Krisen und Ängste berichtet, ohne Wehleidigkeit, sachlich, aber mit Humor, Selbstironie und Präzision. Ganz hin und weg ist auch Ijoma Mangold in der Zeit: Wie der Autor das Disparate verknüpft, Meditation und Gewalt, Leere und Schmerz, dabei stets wie ein Balletttänzer zwischen moralischen "Tellerminen" tanzt, findet Mangold meisterlich. FAZ-Kritiker Niklas Bender vemutet hinter Carreres harmloser, "eleganter" Schreibe gar einen ganz eigenen Wahrheitsbegriff. So begeistert sind nicht alle Kritiker: Einen besonderen Reiz, aber auch eine Menge "Ich-Zwang" entdeckt Hubert Winkels in der SZ - und in der Welt geht Peter Praschl
manchmal die eitle Selbstsorge des Autors auf die Nerven.

Gianfranco Calligarich
Der letzte Sommer in der Stadt
Roman
Zsolnay Verlag. 208 Seiten. 22 Euro

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Gerade jetzt tut ein bisschen Eskapismus gut. Und was eignet sich da besser als ein Lektüre-Trip ins Rom der Siebziger. Dorthin entführt uns dieser bereits vor knapp fünfzig Jahren erschienene Roman des Italieners Gianfranco Calligarich, für FAS-Kritiker Peter Körte geradezu eine Nabelschnur ins "Dolce Vita". Allerdings erzähle Calligarich keineswegs so opulent wie Fellini vom Leben der römischen Boheme und von verliebten Strandbesuchen in Ostia, sondern lakonisch und elegant, in glänzend beobachteten Szenen. Die Geschichte eines leidlich über die Runden kommenden, unglücklich liebenden Journalisten und Schriftstellers hat für Körte einen ganz eigenen Sound. In der SZ bewundert auch Maike Albath das "elegante Parlando" des Autors, der pointierten Dialoge, eingehende Bildlichkeit und Autobiografisches überzeugend vereint, die tiefe Trauer und das Überwältigtsein angesichts der Schönheit des Lebens. Als melancholisch-ironisches Buch über Rom und das Meer bei Ostia empfiehlt Paul Jandl es in der NZZ.

Tove Ditlevsen
Gesichter
Roman
Aufbau Verlag. 160 Seiten. 20 Euro

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Jetzt ist die Zeit reif für diesen bereits 1968 erschienen Roman von Tove Ditlevsen, versichert im Guardian Johannes Selbst: Zum einen, weil erst heute so offen über psychische Probleme gesprochen wird, zum anderen, weil es nach der Veröffentlichung ihrer wunderbaren Memoiren-Trilogie Lust auf mehr von Ditlevsen gibt, ergänzt er und bewundert, wie präzise, menschlich und verständnisvoll die dänische Autorin vom Wahnsinn erzählt. Denn darum geht es in diesem autobiografisch grundierten Roman: Der erfolgreichen, in einer zerrütteten Ehe lebenden Kinderbuchautorin Lise ist die Außenwelt suspekt geworden; Gesichter machen ihr Angst und sie hört Stimmen. So bewegt wie erschüttert liest auch Bettina Baltschev im Dlf den Roman, während Maike Albath in der Zeit staunt, wie anschaulich Ditlevsen Realität und Wahn verschwimmen lässt. In der FR hebt Steffen Herrmann die "ausdrucksstarke" und bildreiche Sprache in der Übersetzung von Ursel Allenstein sowie Ditlevsens Verschränkung von "surrealen" Szenen mit literarischen Verweisen, etwa auf Nabokovs "Lolita", hervor. "Ein Buch, das in die Abgründe der Psyche führt: dunkel, bedrohlich - und dann wieder ganz menschlich", meint Juliane Bergmann im NDR.


Joshua Cohen
Witz
Roman
Schöffling und Co. Verlag 2022, 912 Seiten, 38 Euro

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SZ-Kritiker Felix Stephan sieht sie jetzt schon vor sich, die Kolloquien, die sich noch in hundert Jahren mit diesem Roman von Joshua Cohen beschäftigen. Genauso spannend findet der Kritiker allerdings, wie die deutsche Erinnerungskultur mit dem Buch umgehen wird. Vielleicht hört sie einfach "freundlich" weg, vermutet er. Wenn Cohen uns hier in epischem Ausmaß von einer Seuche erzählt, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts alle Juden bis auf einen dahinrafft, worauf dieser zum Superstar avanciert, ist das für Stephan auch der gleichermaßen "bittere und genialische" Kommentar der feierlich-rituellen deutschen Erinnerung an den Holocaust. Tribut zollt der Kritiker allerdings vor allem Übersetzer Ulrich Blumenbach, der die an Joyce erinnernde Sprachwucht des Romans sowie die "manischen Vokabel-Akkumulationen" kraftvoll bändigt. Hymnisch bespricht die deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Susanne Klingenstein in der FAZ das Buch, das für sie ebenfalls ein Sprachkunstwerk ist: Wie sie kenntnisreich erklärt, wurzelt dieser Monumentalroman tief in der jüdischen Kultur der Textauslegung, in der amerikanischen Literaturgeschichte und in der Geschichte des Holocaust. Der auch im amerikanischen Original titelgebende "Witz" beziehe sich ebenso auf den "Scherz" wie auf das Vernichtungslager Ausch-witz und das slawische Suffix -witz in der Bedeutung "Sohn von". Wie sich Cohen mit Szenen von unwiderstehlicher Komik, aber auch dem nötigen Ernst gegen die Verflachung der Welt stemmt, findet sie bewundernswert. Im Dlf möchte Samuel Hamen den Leser lieber selbst entscheiden lassen, ob er sich diesem so größenwahnsinnigen wie herausfordernden Romankoloss voller Wortspiele, Verweise, Kalauer und unübersehbaren Hang zur Sinnentleerung aussetzen möchte. Für ZeitOnline hat Sebastian Moll mit Cohen gesprochen.


Sachbuch

Stanislaw Assejew
In Isolation
Texte aus dem Donbass
Edition FotoTapeta. 224 Seiten. 15 Euro

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Dieses Buch mit Texten des ukrainischen Schriftstellers Stanislaw Assejew ist bereits vergangenes Jahr erschienen, damals besprach es leider nur die FAZ. Assejew berichtete bis 2017 unter Pseudonym für den proukrainischen Sender Radio Liberty und andere Medien aus dem besetzten Donbass, kam dann in Lagerhaft und wurde erst 2019 bei einem Gefangenenaustausch freigelassen, klärt uns Rezensentin Kerstin Holm auf. In diesen "anthropologisch präzisen Skizzen" liest sie, wie der Autor zwischen den Helden des Maidan und den hart arbeitenden Bergleuten unterscheidet, deren "sowjetnostalgische" Haltung er mit den 1861 aus der Leibeigenschaft entlassenen und orientierungslos zu ihren früheren Herren zurückkehrenden russischen Bauern vergleicht. Auch Assejews Kritik an den Europäern, die sich laut Autor nur von "marktwirtschaftlich-monetären" Interessen leiten ließen, kann die Kritikerin hier nachvollziehen. In der taz legt uns Julian Weber den Band aktuell nochmal ans Herz, um Russlands Angriff auf die Ukraine zu verstehen. In den zwischen 2015 und 2017 entstandenen Texten erzähle Assejew "karg und nackt wie eine Glühbirne" von psychischen und physischen Folgen von Granateneinschlägen, von militarisierten Kindheitsfreunden, vom Krieg als anderer Form der "Erwerbstätigkeit" in den Augen der Proletarier und vom Identitätsverlust des "Homo Sovieticus". Ein "eindringlicher" und "unbarmherziger" Bericht aus dem ukrainischen Kriegsgebiet, schließt Weber. Bisher erst einmal besprochen wurde Stefan Creuzbergers "Das deutsch-russische Jahrhundert" (Bestellen). Laut taz-Kritiker Jens Uthoff erläutert der Historiker hier anschaulich, wie sich die Grundlagen der deutsch-russischen Beziehungen gestalteten. Creuzbergers Gang durch die Revolutionszeiten bis hin zu Gorbatschow erschließt dem Rezensenten die Entwicklungen der Gegenwart.

Clare Mac Cumhaill, Rachael Wiseman
The Quartet
Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten
C.H. Beck. 504 Seiten. 26,95 Euro

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Gleich eine Vierfach-Biografie gilt es mit diesem Buch der britischen Philosophinnen Clare Max Cumhaill und Rachael Wiseman zu annoncieren. Die beiden Autorinnen haben sich die Oxforder Philosophinnen Elizabeth Anscombe, Iris Murdoch, Philippa Foot und Mary Midgley vorgenommen, ein Quartett, das sich nicht nur ab den 1950ern in der von Männern dominierten akademischen Welt behauptete, sondern auch neue moralische Maßstäbe setzte, indem es antrat, unmoralische menschliche Handlungen objektiv zu verurteilen. Das Buch besticht laut der in der Zeit rezensierenden Ethikerin Eva Weber-Guskar durch genaue Werklektüre und Recherche in privaten Aufzeichnungen; dabei entstehe auch ein lebendiges Bild vom Campus-Leben in Oxford Mitte des letzten Jahrhunderts, versichert sie. Wie ein historischer Roman erscheint Dlf-Kultur-Kritikerin Andrea Roedig das Werk, das sie über akademische Debatten, Gossip und Liebschaften der Frauen zwischen 1938 und 1955 aufklärt. So informativ, unterhaltsam und lebendig, dass die Verfilmung folgen dürfte, hofft Roedig. Sehr gut besprochen wurde auch Philipp Felschs Geschichte der Nietzsche-Rezeption und -Edition "Wie Nietzsche aus der Kälte kam" (Bestellen). Wie gelehrt, dicht und fesselnd der Philosoph von den Italienern Giorgio Colli und Mazzino Montinari erzählt, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine kritische Nietzsche-Ausgabe verfassen wollten und dabei mit zahlreichen Hürden zu kämpfen hatten, finden die Kritiker in FAZ, SZ, Welt und Dlf Kultur grandios.

Dave Goulson
Stumme Erde
Warum wir die Insekten retten müssen
Carl Hanser Verlag. 368 Seiten. 25 Euro

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Dass das Insektensterben eben so alarmierend ist wie der Klimawandel, erfährt FAZ-Kritikerin Petra Ahnert in diesem Buch des britischen Hummelforscher Dave Goulson. Und mehr: So faszinierend wie erschreckend findet Ahnert, was Goulson aus dem Reich der Insekten erzählt: Der Autor weiß zu begeistern für das Gewimmel, das wir meist übersehen, das aber, wie Ahne lernt, voller Wunder und atemberaubender Techniken und Fähigkeiten ist. An sich selbst in die Luft sprengende Termiten und Tränen saugende Nachtfalter wird sich die Rezensentin noch lange erinnern. An traurige Fakten wie die 75 Prozent seit den 1980ern verschwundenen Insekten aber auch. Im Dlf Kultur lässt sich auch Johannes Kaiser von der Begeisterung des Experten anstecken, wenn dieser ihm in 26 Buchkapiteln besonders kuriose Insekten, die Gründe für ihr Sterben, aber auch Möglichkeiten der Rettung vorstellt. Als "Anleitung zur Eigeninitiative" empfiehlt Kaiser das Buch auch. Ganz so charismatisch wie in anderen Büchern erscheint Dlf-Kritikerin Brigitte Neumann der Autor hier zwar nicht, einen enormen Wissenzuwachs verdankt sie dem Buch dennoch, etwa, wenn sie liest, welche Konsequenzen das Insektensterben allein für Pflanzen hat. 

Wolfgang Ullrich
Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie
Klaus Wagenbach Verlag. 192 Seiten. 22 Euro

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Die Kunstwelt befindet sich im Umbruch - das westliche Ideal autonomer Kunst ist an sein Ende gekommen, diagnostiziert der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich. Die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz verschwimmen, hybride Formen aus Kunst, Mode, Marketing und Aktivismus erobern sich ihren Platz. Das legt uns Ullrich etwa am Beispiel der Sneaker von Takashi Murakami oder Faith Ringgold, Make-up-Fotos auf Instagram oder Performances von Beyoncé und Jay-Z im Louvre dar. FAS-Kritiker Mark Siemons lässt sich von Ullrich interessiert den Wandel durch Globalisierung und Eigenlogik sozialer Medien erklären, einen Überblick über angewandte Alltagskunst verdankt er dem Buch auch. Nur an formalen Kriterien vermag ihm der Autor die Veränderung leider nicht überzeugend festzumachen. In der FAZ wendet auch Georg Imdahl ein, dass Ullrich keine klar umrissenen Begriffe verwende, das Ende der autonomen Kunst kann ihm der Autor aber sehr "gut informiert" anhand eines "entleerten Kunstbegriffs" erläutern. taz-Kritikerin Brigitte Werneburg verdankt dem Buch ebenfalls spannende Einsichten und treffende Analysen zur Verschränkung von Fan- und Konsumkultur und Gebrauchswert. "In Zeiten, da der Ruf nach einer derart als immun und eigengesetzlich verstandenen Kunst wieder lauter wird ('Kunstfreiheit!', 'Cancel Culture!')", erscheint das Buch "wie eine wohltuend unaufgeregte Sortierleistung", meint Janis El-Bira in der nachtkritik und hebt besonders hervor, dass Ullrich die neuen Formen erstmal darstellen statt werten wolle. Auf dem blauen Sofa des ZDF spricht Thorsten Jantschek mit Ullrich über das Buch.

Lea Ypi
Frei
Erwachsenwerden am Ende der Geschichte
Suhrkamp Verlag. 332 Seiten. 28 Euro

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Die in Albanien geborene Politologin Lea Ypi lehrt in London und schreibt regelmäßig für den Guardian. Nun hat sie dieses Memoir veröffentlicht, in dem sie uns vom Aufwachsen unter Enver Hodscha im abgeschotteten Albanien, vom Zusammenbruch des Ostblocks, dem Ende der Diktatur und der Enttäuschung über den Westen erzählt. Das ist weit mehr als ein "abenteuerliches Memoir", versichert in der FAS Harald Staun, der den Schock beinahe selbst spürt, wenn Ypi vom plötzlichen Verlust aller Wahrheiten erzählt. Wie die Autorin verschiedene Freiheitsmodelle anhand verschiedener Figuren verhandelt - so etwa den Kapitalismus anhand ihrer Mutter - findet Staun eingängig und verweist für ihn auch auf Ypis Affinität zu Marx. Hauptverdienst des Buches ist für Staun allerdings, dass gezeigt werde, dass Freiheit sich nicht theoretisch, sondern nur in ihrer Verwirklichung begreifen lasse. Die Klugheit der Autorin heben in der SZ Nele Pollatschek und im Dlf Uli Hufen hervor: Das Buch gerate weder zu einer wohlfeilen Abrechnung noch zu einer Verharmlosung des albanischen Sozialismus, sondern zu einer warmherzigen, humorvollen Erzählung mit unvergesslichen Szenen und Figuren - ohne "große Botschaften", lobt Hufen. Dass die kindliche Perspektive unkommentiert bleibt und Ypi auf "professorales Theoriewissen" verzichte, betont Pollatschek. Ein so präzises wie eindringliches Buch, das zum Nachdenken über Freiheit anregt, empfiehlt Dirk Schümer in der Welt, während Peter Neumann, der sich für die Zeit mit Ypi getroffen hat, hoffnungsvoll den leuchtenden Gedanken der Autorin folgt. Auf Youtube steht ein einstündiges Gespräch zwischen Lea Ypi und dem Soziologen Steffen Mau online.