Leipzig düst

Die Sprachdressurreiter

Unterwegs auf der Leipziger Buchmesse. Von Anne Koch
22.03.2003. Klaus Wagenbach hielt eine Laudatio auf den Verlag Neue Kritik und bringt neue Kritik an der Frankfurter Buchmesse.
Die "Schweizer Performance Poeten", junge Undergroundkünstler aus den Bergen, haben eine Mission. Sprache soll mehr sein als bloße Worte und Kommunikation, auch mehr als Poesie oder Lyrik. Stattdessen wollen sie die Sprache "Dressur" reiten. Bei ihrem gestrigen Auftritt in der Moritzbastei zu Leipzig stellten Jürg Halter, Michael Stauffer, Raphael Urweider ihr Können unter Beweis, in dem sie den Parcours des gesprochenen Wortes absolvierten.

Ein Preis wurde vergeben, der zwar vielleicht nicht so bekannt ist wie der deutsche Bücherpreis, aber eine ebenso wichtige Aufgabe besitzt. Die Kurt-Wolff-Stiftung verfolgt mit ihrem Preis die Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene. Dieses Jahr ging der Kurt-Wolff-Preis an den Frankfurter Verlag Neue Kritik. In der Laudatio, betonte Klaus Wagenbach, Gründer des Wagenbachverlages, dass verlegerische Courage in Zeiten wie diesen gefördert werde muss. Als Grundidee des Preises gilt "Bücher brauchen Verbündete". Wagenbach veranschaulichte das an dem besonders aktuellen Beispiel der Frankfurter Buchmesse, die ab diesem Jahr die Gebühren für kleinere Stände um fast fünfzig Prozent erhöht und damit vor allem die Präsenz auf der Messe für kleinere Verlage außerordentlich schwierig macht. Wie Wagenbach betonte, besteht dabei eine große Gefahr für die Vielfalt der deutschen Verlags- und Bücherwelt, denn es sind nicht die großen Verlagshäuser, die die Buchvielfalt bewahren, sondern die kleinen, unabhängigen Verleger. Die Kurt-Wolff-Stiftung würdigt mit diesem Preis einen Verlag der sich vor allem der linken Literatur verschrieben hat. Der Verlag Neue Kritik wurde 1965 vom Bundesverband des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes gegründet. Das Programm reicht von der Wiederverlegung Rosa Luxemburgs "Akkumulation des Kapitals" bis Ernest Mandels "Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie". Ab den siebziger Jahren wird "Frauenliteratur" ein eigener Programmbereich, seit den achtziger Jahren erscheinen verstärkt Publikationen zur Vergangenheit und Gegenwart Osteuropas. Diese Linie wird in den neunziger Jahren beibehalten und vor allem Bücher aus Polen und Ungarn ins Programm genommen.

Dass das Schriftsteller- und Verlegerdasein nicht immer ein Zuckerschlecken ist, bewiesen George Wyland, Sohn des Gründers des Malik -Verlages und selber Autor, sowie Hansjörg Schertenleib, Schweizer Schriftsteller, in einer Diskussion zum Thema "Traumberuf Autor/ Autorin". Trotz der Veröffentlichung von mittlerweile 13 Büchern, zahlreichen Theaterstücken und Gedichten arbeitet Schertenleib derweilen als Bauarbeiter und rät den interessierten Zuhörern ab, mit dem Schreiben Geld verdienen zu wollen. Auch Wyland erzählt von harten Zeiten, als er mit seinem Verdienst als Eiskunstläufer das elterliche Verlagshaus vor dem Ruin bewahren half.

Anne Koch