Link des Tages

Komplett erfunden!

27.09.2006. Am Samstag wird der einzige internationale Preis für die literarische Reportage vergeben, der Lettre Ulysses Award for the Art of Reportage. Bei uns können Sie schon einmal Li Datongs Reportage über die sagenhafte Karriere eines chinesischen Dorftyrannen lesen. Es war einer der kritischen Texte, für die der Pekinger Journalist seinen Job verloren hat.
Wie ein chinesischer Dorftyrann zum Provinzvorbild wurde
Von Li Datong

In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab es in chinesischen Beamtenkreisen eine Erscheinung, die man unter dem Schlagwort "Beamte machen Zahlen, Zahlen machen Beamte" zusammenfaßte. Das hieß: Beamte auf allen Ebenen meldeten hemmungslos überhöhte ökonomische Indikatoren nach oben, um ihre eigenen Meriten größer erscheinen zu lassen; und diese falschen Zahlen wuchsen von Verwaltungsebene zu Verwaltungsebene. Damit soll nicht gesagt sein, die Beamten hätten nicht gewußt, daß es sich um falsche Zahlen handelte, sondern, daß sie diese falschen Zahlen dringend brauchten. Die Tatsachen zeigen: Je mehr ein Beamter übertrieb, um so schneller stieg er auf - von wegen "außerordentlicher Verdienste"!

Davon abgesehen nahmen die Lügengeschich-ten orientalische Formen an, es war fast wie in Tausendundeiner Nacht. Nehmen wir den Distrikt Shiyan in der Provinz Hubei. Wie in der Presse enthüllt, konnte ein Beamter aus dieser Gegend ein großes Stück unfruchtbaren Berghangs grün anstreichen lassen, um vorzuspiegeln, daß seine Begrünungsarbeit gut voranging. Die vorüberfahrenden hohen Beamten sollten einen "Berg ganz in Grün" zu Gesicht bekommen. Um den Inspektoren Erfolge in der Schafzucht vorzuführen, versammelte man im Kreis Fang der Provinz Hubei Grundschüler auf den Hügeln, durch die die Inspektoren kommen würden, legte jedem die Plastiktüte eines Düngemittels um die Schulter, fertig war die Schafherde. Es gab nichts, was es nicht gab.

Im politischen System Chinas gab es aber noch einen anderen Spruch: "Beamten machen Vorbilder, Vorbilder machen Beamte". Jede Region entdeckte und propagierte ihr eigenes Vorbild, man kann sagen, sie taten ihr möglichstes; ein Vorbild von Provinzgeltung war gut, eines von nationaler Bedeutung am besten. Ein großes Vorbild war auch ein großes Verdienst der regionalen Beamten.

In der Frühe des 16. Aprils 1999 gab es in Danjiangkou, einer Stadt, die zum Verwaltungsbezirk von Shiyan gehört, ein "großes Ereignis": Min -Dewei, der Parteizellensekretär der Gemeinde Minjiagou des Kreises Yun, starb an Kehlkopfkrebs.

Am 17. April befahl der Komiteesekretär von Danjiangkou drei Mitglieder des Ständigen Ausschusses der Stadt zu einem Kondolenzbesuch "bei Nacht und Regen".
Am 23. April wurde von der Stadt die Kampagne "Lernen von Min Dewei" gestartet.
Am 19. Mai wurde die Kampagne auf den ganzen Distrikt ausgeweitet.
Am 28. Mai wurde Min Dewei von sämtlichen Nachrichteneinheiten der Provinz Hubei als großes Vorbild hingestellt.
Vom 18. Juni an machte man sich an eine konzentrierte Propagierung und organisierte Interviewteams aus mehreren Dutzend Leuten.

Das Volkskunsttheater von Danjiangkou setzte sofort die groß angelegte, moderne Fassung von Die Seele des Flusses Han auf den Spielplan und führte es dreißig Mal auf; das Stadtkomitee organisierte, edierte und publizierte Das Vorbild - Sammlung der Erfolge Min Deweis; ein Pekinger Verlag brachte ein reportageliterarisches Werk heraus mit dem Titel Min Dewei - guter Parteizellensekretär in armer Bergregion, und ein Reportageteam hielt landauf, landab Vorträge über Min Deweis Meriten.

Ob die Leute es im Radio hörten, im Fernsehen sahen oder dem Reportageteam lauschten, es flossen Tränen, Geld wurde gespendet, Position wurde bezogen.

Am Zeitablauf kann man erkennen, daß das Ganze sorgfältig und "von langer Hand" vorbereitet war. Man könnte sagen, noch bevor der Tote unter der Erde war, war er zum Vorbild von Danjiangkou geworden. In nicht ganz zwei Monaten stieg der Tote "Schritt für Schritt" auf, wurde zunächst zum Vorbild der Stadt Shiyan (Distrikt-ebene), dann zum Vorbild der Provinz Hubei, und wenn es so weiterging, konnte er auch noch zu einem nationalen Vorbild werden.

Anfang 2000 erhielten wir die Information, daß der ganze Trubel um Min Dewei Schwindel war, eine himmelschreiende Lüge.

Das war keine Information, wie sie normale Menschen bekamen, sondern ein genauer Untersuchungsbericht, den drei Reporter des "Vierzehntägigen Gesprächs" der Nachrichtenagentur Neues China nach einem eigens dazu unternommenen Besuch im Heimatdorf Min Deweis verfaßt hatten. Die Schlagzeile "Wie aus einem Dorftyrann ein Provinzvorbild wird" hatte folgende Untertitel: "Heimliche Untersuchung der Stimmung in einem Bergdorf", "Höchst widersprüchliche Einschätzungen: öffentliche Propaganda versus Anklage der Massen - was ist wahr, was ist Lüge?", "Die Bauern von Minjiagou fassungslos: die wiederholte Posse vom Vorbild", "Die demokratischen Gesetze werden mit Füßen getreten, Basisorganisationen in Unordnung", "Schwere Versäumnisse bei Untersuchung - über posthume Meriten".
Mit diesem Untersuchungsbericht vor Augen hatte ich den Eindruck, die verfälschende Idolatrie einiger Regionalbeamter habe pathologische Ausmaße erreicht. Ich fragte die Reporter des Neuen China, warum sie das Manuskript nicht veröffentlicht hätten. Sie antworteten, es sei zunächst für das "Vierzehntägige Gespräch" bestimmt gewesen. Dann habe man in Hubei davon Wind bekommen und die Sache "abgebügelt", daraufhin hätten sie das Manuskript aus Ärger an das Magazin -Bingdian1 weitergegeben.
Wie man uns sagte, muß die Untersuchung der Reporter des Neuen China glaubwürdig gewesen sein, und ich hatte ursprünglich vor, sie deshalb auch zu bringen. Doch am Abend bekam ich einen Anruf der Verfasser, in dieser besonderen Situation könne man unter ein solches Manuskript nicht den Namen von Reportern des Neuen China setzen und ob ich es nicht unter anderem Namen veröffentlichen könnte. Das ging natürlich nicht. Unter einem kritischen Enthüllungsbericht mußten die wirklichen Namen der Verfasser stehen. Ich sagte ihnen, in diesem Fall würden wir selbst Reporter zu einer Untersuchung vor Ort entsenden.

Das Frühlingsfest war gerade vorüber, als wir Cai Ping losschickten, um der Sache auf den Grund zu gehen. Bevor sie sich auf den Weg machte, hatte Cai Ping nahezu sämtliche Berichte über Min Dewei gesammelt. Das Material zeigte, was die wichtigen "Meriten" Min Deweis waren: Bevor er Dorfvorsteher geworden sei, hieß es, habe er zu einer der wenigen reichen Familien des Dorfes gehört. Empfohlen und gewählt von den "Massen" habe er auf ein Jahreseinkommen von 6 000 Yuan [c.a. 600 Euro] als Schreiner zugunsten der kleinen Aufwandsentschädigung eines Dorfvorstehers von nur 600 Yuan verzichtet.

Kaum im Amt, habe er "eine Offenlegung der Dorfgeschäfte" verkündet, einen kleinen Ausschuß für die Verwaltung der Dorffinanzen gegründet und auf einer Dorfversammlung die Verwendung der Ausgaben und Einnahmen der Kader und so fort bekanntgegeben.

In den sechs Jahren als Dorfkader habe er sich von Anfang an die größten Vorbilder auf die Fahne geschrieben, nie auch nur einen Fen an öffentlichen Geldern verschwendet oder auf Kosten der Allgemeinheit persönlichen Nutzen aus seinem Amt gezogen. Er habe die Massen bei Eis und Schnee angeleitet, das öde Berggebiet zu kultivieren, und ein paar hundert Mu Orangenhaine der Spitzenqualität aufgebaut.

Mit aller Kraft habe er die Entwicklung von Fischzuchtbetrieben befördert und die Familie von Min Deshan, den ärmsten Problemhaushalt des Dorfes, mit eigenen Händen zu einem Modellhaushalt gemacht: Er half ihm, einen Schweinekoben zu bauen, Ferkel und Futter zu kaufen, in einem Jahr acht Schweine großzuziehen und über zehntausend Yuan einzunehmen.

Der Problemfamilie von Zhou Youchun, die neben dem Deich von Danjiangkou wohnte, habe er 5 000 Yuan, Ersparnisse aus seiner Zeit als Schreiner, ausgehändigt, damit dieser am Deich mit Netzkörben Fische ziehen konnte - am Ende habe er 30 000 Yuan im Jahr verdient.

Über zehn Jahre habe er den siebzigjährigen Zhou Dafu, krank und verwitwet, wie er war, bei sich untergebracht und ihn wie den eigenen Vater behandelt. Um das Problem der Wasserversorgung von Mensch und Tier zu lösen, habe er die Massen angeleitet, den Bau von sieben Teichen, fünf Wasserpumpstationen und sieben Bewässerungsgräben in Angriff zu nehmen, wodurch in Minjiagou das permanente Problem mit der Wasserversorgung abgestellt wurde - mit einem großen Sprung war man zu einem Fortschritts- und Wohlstandsdorf geworden.

Von seiner Amtsübernahme im März 1993 bis Ende 1994 seien für die verschiedenen Dorfabgaben über 280 000 Yuan aufgebracht worden, die geschuldeten 240 000 habe man gezahlt und noch 40 000 übrigbehalten.
Min Dewei habe von ganzem Herzen nur an die Arbeit gedacht und sich als einzig "Privates" einen Sarg vor der Türe gegönnt. Als er starb, waren Hunderte von Menschen untröstlich. (In einer anderen Quelle ist sogar von über tausend Männern, Frauen und Kindern die Rede.)

Gelogen, alles Gelogen!Einen Tag bevor sie in Minjiagou ankam, bat Cai Ping einige Dorfbewohner zu einem Gespräch am Fuße des Wudang und interviewte einige Bauern, die von Minjiagou weggezogen waren.

Cai Ping fragte sie nach den Verdiensten Min Deweis - zu ihrer Überraschung fuhren die Bauern auf der Stelle aus der Haut: "Gelogen, alles gelogen! Das war ein richtiger Dorftyrann!"

Die Bauern gaben Cai Ping zwei Belege für ihre Behauptung: Der eine war eine "Petition" vom Januar 1997, in der über alle möglichen Untaten informiert wurde, die sich Min Dewei seit seiner Amtsübernahme im Dorf hatte zuschulden kommen lassen; der zweite war ein Bericht vom November 1999 mit dem Titel "Bericht über das falsche Vorbild Min Dewei, das die Stadt Danjiangkou im Kreis Yun für die ganze Provinz aufgebaut hat". In diesem Bericht wurden 27 Taten Min Deweis aufgelistet, die den propagierten Berichten nicht entsprachen.

"Wir haben ihn schon vor drei Jahren angezeigt, mit dem Resultat, daß er nach seinem Tod auch noch als Vorbild hingestellt wird!"

Punkt für Punkt fragte Cai Ping die Bauern nach den Verdiensten Min Deweis, wie sie in den Berichten geschildert wurden.

"Niemand hat nach unserer Meinung gefragt, als Min Dewei Dorfkader wurde. Wir haben ihn auch nicht gewählt", sagten die Bauern. "Unsere Dorfkader werden seit jeher von oben eingesetzt, unnötig zu sagen, daß noch nie eine Dorfversammlung, ja nicht einmal Teamversammlungen abgehalten worden sind. Wenn hinterher niemand von oben Druck gemacht hätte, wenn man nicht die Rache von oben hätte fürchten müssen, die Menschen im Dorf hätten schon den Mut gehabt, die Wahrheit zu sagen. In der Zeitung hieß es, der stellvertretende Gemeindevorsteher, ein Cousin von Min Dewei, habe ihn damals mehrfach aufgesucht, damit er das Amt übernehme. Und wenn so einer das bestimmt, wer sollte da den Mut haben, Einspruch zu erheben?! Bei uns im Dorf sagt man: Wer reich werden will, wird Kader, wer Kader wird, wird reich."

"Dann ist es übertrieben, wenn man sagt, Min Dewei stamme aus einer der wenigen wohlhabenden Familien des Dorfes?"

Ein Dorfbewohner antwortete: "Damals hat er in drei kleinen Lehmziegelhütten gehaust, von wegen Schreiner, seine Arbeit hat nichts getaugt, und mit den paar Mu Land, wo hätte er 6 000 bis 7 000 Yuan herhaben sollen? Das ist dummes Zeug! Aber kaum war er ein paar Jahre Kader, da hat er ein Haus gebaut, wie es im Dorf kein zweites gibt. Wovon er das gebaut hat, danach hat nie jemand gefragt!"

"Es heißt, er habe die Rechnungsführung des Dorfes offengelegt?"
"Niemals, das geben wir Ihnen schriftlich! Und von wegen Ausschuß für die Verwaltung der Dorffinanzen, davon müßten wir doch wissen! Er und der Buchhalter, die beiden - einer hat sich um das Geld gekümmert, der andere um die Buchführung, selbst der damalige Dorfvorsteher sagte in seiner Beschwerde 1997, er habe nie gehört, daß die beiden die Rechnungsführung offengelegt hätten.

Tatsache ist, seit er Dorfkader war, hat er es nie versäumt, sich aus öffentlichen Mitteln seine Kosten erstatten zu lassen, ganz egal, ob es um öffentliche oder private Angelegenheiten ging. Wieviel das aber schlußendlich war, das wußten nur er und der Buchhalter. Wer auch kam, er hat ja alle bei sich zu Hause bewirtet und sich jeden Bissen erstatten lassen. Da ist von oben keiner gekommen und hat das einmal genau überprüft. Noch zur Amtszeit von Min Dewei hat es Dorfbewohner gegeben, die seine problematische Wirtschafterei nach oben gemeldet haben, damit das einmal untersucht wird. Da hat Min Dewei zu seinem Buchhalter gesagt, du machst sofort eine doppelte Buchführung, dann finden die da oben nie etwas. Die damalige Frauenvorsitzende des Dorfes war dabei, sie kann das bezeugen, sie hat es selbst gehört."

Sollten die Verdienste eines "großen Vorbilds", das in der gesamten Provinz und auf allen Ebenen studiert wurde, etwa komplett erfunden sein?
"In den Berichten heißt es, er habe uns angeleitet, mehrere hundert Mu Orangenhaine anzulegen - das ist eine schamlose Übertreibung. In unserem Dorf gibt es seit den siebziger Jahren Orangenhaine - und wann kam Min Dewei ins Amt? Sie können ins Dorf kommen und nachsehen, wie viele der Stämme den Umfang von zig und wie viele den von nur ein paar Jahren haben!"
Die Dorfbewohner erklärten Cai Ping, welcher Teil der Orangenhaine von wem und in welchem Jahr angelegt worden war: "Höheren Orts hat man ihm sämtliche Orangenhaine zugeschrieben, die es in unserem Dorf gibt, nur um mit ihm Propaganda zu treiben, und auch die Reporter haben sich darauf -berufen."
Als die Sprache darauf kam, daß Min Dewei den Problemhaushalten von Min Deshan und Zhou Youchun geholfen haben solle, brachen die Dorfbewohner in Gelächter aus: "Als Min Dewei noch Schreiner war, war Min Deshan der reichste Mann im Dorf. Min Dewei war noch nicht im Amt, da hat Min Deshan eine Mais- und Weizenmühle aufgemacht, er hatte auch mehr Schweine als Min Dewei, wie hätte ein Min Dewei ihm unter die Arme greifen sollen? Und Zhou Youchun, haha, versuchen Sie ihn doch einmal zu finden, das schießt wirklich den Vogel ab, er soll Ihnen erzählen, wer sich diese Oper ausgedacht hat."
Nun hätte man sich irgendwelche "Verdienste" noch ausdenken können, aber Teiche, Pumpstationen, Bewässerungsgräben? Das war schwer vorstellbar!
"Sie können im Dorf fragen, ob irgendeiner etwas von Pumpstationen weiß! Sie können sich die Teiche anschauen gehen und die Bewässerungsgräben, Sie können ja über die Straßen laufen, die er uns angeblich hat bauen lassen! Und Sie können die Bauernfamilien unseres sogenannten Wohlstandsdorfs besuchen - wenn wir ein Haus bauen wollen, müssen wir das Wasser vom Fluß herüberschleppen, wir haben kein Getreide zu essen, in manchen Familien gibt es nicht einmal Salz. Wir wissen ja nicht, was die staatlichen Standards für Wohlstandsdörfer sind, aber wenn das der Standard ist, dann taugt der ganze Sozialismus nichts."

"Wie die 280 000 Yuan Steuer aufgebracht wurden, wollen Sie wissen? Sie wollen wissen, warum unsere Steuern so hoch sind?" fragten die Dorfbewohner Cai Ping. "In der Zeitung stand was von einem Jahreseinkommen von über 2 700 Yuan, dabei ist es schon nicht schlecht, wenn wir es auf tausend Yuan bringen. Hätte es nicht in der Zeitung gestanden, wir hätten gar nicht gewußt, daß er so viel angegeben hat. Er hat angegeben, im Dorf gebe es zehn Mu Fischteiche mit einer Jahresproduktion von 460 000 Pfund - von wegen Fischteiche! Wenn er höhere Beamte bei sich hatte, mußte er zu einem der privaten Fischerboote am Fluß gehen, um Fisch zu kaufen. Es hieß, im Dorf kämen im Durchschnitt auf einen Haushalt 12,6 Schweine, insgesamt gebe es 8 800 Hühner - das müssen die geträumt haben! Wir haben schon Schwierigkeiten, es auf die Hälfte zu bringen. Und je mehr er übertrieben und gelogen hat, desto höher wurden wir natürlich besteuert, um so schwerer unsere Lasten. Und wenn eine Familie nicht hat zahlen können, dann erschien Min Dewei höchstpersönlich in Begleitung eines seiner Brüder in Polizeiuniform, und man wurde in Handschellen abgeführt. Einige von uns sind auch gefoltert worden. Zu Hause mußte man dann Geld aufbringen, um denjenigen auszulösen, sonst hat man dir das Haus abgerissen oder den Fernseher weggenommen."

"Mein älterer Bruder ist in Handschellen abgeführt worden", erzählte ein Dorfbewohner Cai Ping.

"Min Dewei kam in Begleitung von irgendwem, um uns die Steuern abzunehmen und Geldbußen aufzubrummen. Wenn wir nicht zahlten, mußte jemand mitkommen. Im Jahr darauf bin ich zum Leiter der Brigade, um die Bücher einzusehen, aber Min Dewei hat das Geld, das er uns abgeknöpft hat, überhaupt nicht in die Bücher eingetragen - und wo ist das Geld geblieben?" klagte eine Frau aus dem Dorf.

Im WohlstandsdorfAm 13. Tag des ersten Monats nach dem Mondkalender hatte es die ganze Nacht hindurch geregnet. Am Morgen des nächsten Tages machte sich Cai Ping auf den Weg nach Minjiagou. Doch die Dorfbewohner, die sie eigentlich hatten begleiten wollen, zögerten: "Wenn das die Dorfkader sehen, dann ist alles aus."

Cai Ping blieb fest, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu versprechen, sie über den Fluß zu bringen und, damit sie nicht gesehen würden, sich dann nicht mehr um sie zu kümmern.

Am Fluß bestieg sie ein kleines Boot, das von einem jungen Mann gerudert wurde. Das war zwar keiner der vorgesehenen Gesprächspartner, aber das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen den beiden ergab am Ende ein faszinierendes Interview.

"Aus Minjiagou?" fragte sie.
Er nickte mit dem Kopf.
"Wie viele Pumpstationen habt ihr denn?"
"Was für Pumpstationen?" Er verstand nicht.
"Woher kommt denn das Wasser, das ihr trinkt?"
"In unserem Kollektiv gibt es fließend Wasser."
"Fließend Wasser - wirklich?"
"Unser Kollektiv liegt sehr hoch, wir haben einen Brunnen in den Berg geschlagen. Das Wasser fließt von selbst, ist das kein fließend Wasser?" sagte ihr Gefährte.
"Hast du die Unterstufe der Mittelschule abgeschlossen?"
"Was für eine Unterstufe? Ich bin bis zur fünften Klasse in die Schule gegangen, dann war Schluß mit Lernen, wir haben kein Geld."
"Seid ihr hier denn kein Wohlstandsdorf? Wieso könnt ihr dann nicht einmal in die Schule gehen?"
"Wohlstandsdorf? Von wegen Wohlstandsdorf, wir sind sehr arm." Er wurde rot und sagte nichts mehr.

Von den ständigen Widrigkeiten, die Cai Ping begegneten, angerührt, ließ die Dorfbewohnerin, die mit ihr gekommen war, sie nach der Überquerung des Flusses nicht im Stich und kehrte mutig mit ihr ins Dorf zurück. Der Weg auf der anderen Seite des Flusses war viel beschwerlicher, mit jedem Schritt nahm man einen großen Klumpen roten Lehms mit. Cai Ping erzählte, ihr hätten ständig die Beine gezittert. Und in den Berichten hieß es: Min Dewei hat die Dorfbewohner angeleitet, eine Straße bis zum Fluß zu bauen.

Cai Ping betrat ein Bauernhaus für ein Interview. Kaum in der Tür, sah sie die Hand vor Augen nicht mehr und brauchte eine ganze Weile, um sich an die Dunkelheit im Zimmer zu gewöhnen. Durch das marode Dach sickerte ein wenig Licht, und sie fragte: "Seid ihr die ärmste Familie im Dorf?"
"Wenn Sie sich eine Weile im Dorf umsehen, dann werden Sie sehen, die Häuser sehen praktisch alle so aus."

Cai Ping entdeckte in dem Zimmer etwas, das nach einem Kühlschrank aussah, obenauf stand ein Fernsehgerät mit einem sehr griesigen Bild. Sie sagte: "Ihr habt einen sehr schlechten Empfang hier und keine Farbe."
"Wieso Farbe? Das ist ein Schwarz-Weiß-Gerät. Wer so eins hat, das ist schon was."
"Ist das da ein Kühlschrank?"
"Von wegen Kühlschrank, das ist ein kaputtes Schränkchen, wir haben noch nicht lange Strom."
Und das war ein "Fortschrittsdorf", ein "Wohlstandsdorf" - mit Problemen bei der Wasserversorgung, ohne Straßen und ohne Strom!
"Wie viele Haushalte im Dorf haben kein Getreide?"
"Mindestens ein Drittel", gab ein Dorfbewohner zur Antwort, "die letzten beiden Jahre waren sehr trocken, die Weizenernte blieb aus, aber die Steuern blieben die gleichen."
"Was macht ihr denn, wenn ihr nichts zu essen habt?"
"Wir leihen uns Geld, um etwas zu kaufen."
"Können die Kinder alle zur Schule gehen?"
"Ja, so bis zur dritten Klasse. Wer kein Geld hat, kann nicht weiterlernen."
"Habt ihr an Neujahr ein Schwein geschlachtet?" fragte sie einen anderen im Dorf.
"Nein, das können wir uns nicht leisten. Wir haben etwas Fleisch gekauft."
"Hieß es in den Berichten nicht, auf einen Haushalt kämen 12,6 Schweine im Durchschnitt? Und jedes Jahr würden fünf weitere aufgezogen?"
"Fragen Sie doch einmal bei der Familie von Min Dewei nach, ob sie zwölf Schweine haben!" Die Dorfbewohner im Zimmer seufzten.

Cai Ping suchte auch den in den Berichten über Min Dewei erwähnten "Armutshaushalt" von Zhou Youchun auf, dem er angeblich zu Reichtum verholfen hatte. Jener erzählte ihr die Posse Punkt für Punkt und von Anfang bis Ende.

Als Min Dewei tot war, sei ein Reporter gekommen und habe ihn gefragt, wo denn die Fischkäfige seien, er solle sie ihm zeigen. Er sagte: "Ich habe keine Fischzucht, Min Dewei hat mir dafür kein Geld gegeben, ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat."

Der Reporter staunte nicht schlecht.
"Da kann man nichts machen, sie haben es mir damals nicht gesagt, ich weiß auch nicht, wie es zu dieser Geschichte gekommen ist." Er kicherte, als er das sagte.

Als die Kader merkten, daß die Frage von Gewicht war, hatten sie ihn sofort aufgesucht: "Wie kannst du denn einfach behaupten, keine Fischzucht zu haben? Das macht unser Vorbild kaputt, du mußt Verantwortung zeigen!"
Die Kader gaben ihm ein Schriftstück zu lesen. Darin hieß es, Min Dewei habe ihm die 5 000 Yuan aus seiner Zeit als Schreiner überlassen, um beim Aufbau einer Fischzucht zu helfen. Ein wenig eingeschüchtert fragte er den Kader: "Und wenn jetzt die Familie von Min Dewei irgendwann das Geld von mir zurückhaben will?"

"Beruhige dich, wir zeugen für dich." Die Kader stellten ihm eine Bescheinigung aus.

Tags darauf kam Zhou in die Gemeinde, und als er den Reporter sah, sagte er zu ihm: "Ich züchte Fische."

Der wiederum fragte zurück: "Gestern hast du angeblich keine gezüchtet, wieso züchtest du heute welche?"

Er lachte und sagte: "Gestern dachte ich noch, ihr wolltet Steuern von mir, da habe ich mich nicht getraut."

Anschließend machte er dem Reporter den erfundenen Details der Berichte entsprechende Angaben, nur am Ende baute er noch eine Rückversicherung ein. Mit einer Zigarre zwischen den Zähnen sagte er zu Cai Ping: "Am Ende habe ich ihm erzählt, ich hätte die 5 000 Yuan zurückgezahlt, ich hatte Angst, sonst später in Schwierigkeiten zu -geraten."

Die Kader in der Gemeinde wollten eine Aufnahme von ihm und seiner Fischzucht machen, doch in der Gemeinde gab es keinen Fischteich. Also wollten sie mit ihm zu einem zwanzig Kilometer von Minjiagou entfernten Fischzuchtstützpunkt fahren, aber er weigerte sich. Also schickte man jemand anderen an seiner Stelle, mit dem Resultat, daß die Reporter dahinterkamen, nicht den gleichen Mann vor sich zu haben.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig - -zumal die Gemeinde ihn schriftlich herbeizitierte und auch noch einen Gruppenleiter aus dem Dorf verpflichtete, ihn zu begleiten. Bevor die Aufnahmen gemacht wurden, mußte er wieder und wieder seine "Rolle" aufsagen. Während der Aufnahmen wurde er eigens über die typischen Handhabungen eines Fischzüchters instruiert, und damit es echter wirkte, forderten die Reporter ihn auf, sich auszuziehen. Als er nicht wollte, sagte einer von ihnen: "Jetzt stell dich mal nicht so an! Du tust ja gerade so, als hättest du Angst, deine Titten zu zeigen!"

Da posierte er wohl oder übel mit nackten Füßen und hochgekrempelten Hosenbeinen.

"Wenn man jetzt daran denkt, das war wirklich eine Schande", sagte Zhou Youchun, "nachher hat es mir leid getan, ich hätte doch die Wahrheit sagen sollen."

"In den Berichten heißt es, nachdem du mit Min Deweis Hilfe durch die Fischzucht reich geworden seist, hättest du über 30 000 Yuan verdient und dir ein Motorboot gekauft ?"
"Das ist reiner Unsinn, ich habe das auf Kredit gekauft und zahle noch daran ab."
Man muß zugeben, daß die Medien vor Ort keine gute Rolle bei dem Aufbau von Min Dewei als großem Vorbild gespielt haben.

Zum Beispiel interviewten Fernsehjournalisten zwei Dorfbewohner, von denen einer schon recht alt war. Der Reporter sagte: "Lieber alter Genosse, stopf dir doch einmal eine Pfeife, ruhig richtig voll, so etwas sehen wir beim Fernsehen nicht so oft." Und der Alte tat es. Als er rauchte, sagte der Reporter, der liebe alte Genosse habe Tabakkrümel am Auge, die solle er wegwischen. Der Alte rieb sich die Augen. Es sei noch nicht weg, sagte der Reporter. Und der Alte wischte sich wieder die Augen. So entstand das Bild von einem alten Parteigenossen, der sich nach dem Tod Min Deweis die Augen aus dem Kopf weinte.

Ein Reporter enthüllte Cai Ping, für Interviews im Dorf habe man ihnen gar keine Zeit gelassen, sie hätten nur mit Leuten gesprochen, die von den Kadern zusammengetrommelt worden waren, danach seien sie wieder gegangen. Sie hätten gar nicht die Zeit gehabt, sich im Dorf umzutun.

Ein alter Parteigenosse erzählte Cai Ping, daß nach dem Tod Min Deweis für die Leute von der Gemeinde und aus dem Distrikt bei ihnen eine Parteiversammlung abgehalten wurde, auf der man ihnen sagte, wer bei Interviews mit Reportern über die Verdienste Min Deweis etwas Falsches sage, der müsse ein Bußgeld zahlen.

Als Cai Ping sich im Dorf umtun wollte, waren die Bewohner zu Tode erschrocken. Man verhandelte über eine Stunde, bis man sich entschloß, ihr ein paar alte Arbeitsklamotten überzuwerfen, sie ins Dorf zu bringen und sich dann nicht mehr weiter um sie zu kümmern.

Cai Ping inspizierte alles, von einem Ende des Dorfes zum anderen. Sie konnte einfach nicht glauben, daß das ein "Wohlstandsdorf" sein sollte. Was im Dorf noch am ehesten ins Auge stach, war das weißgestrichene Haus der Familie Min Deweis, die übrigen Häuser waren in einem erbärmlichen Zustand und halb verfallen. Es war nicht mehr auszumachen, wann sie gebaut worden waren. Was sie im Dorf hörte und sah, reichte allein schon aus, um zu beweisen, daß die Geschichte vom großen Vorbild Min Dewei von vorne bis hinten erstunken und erlogen war.

Nach den Regeln eines Untersuchungsberichtes hätte man noch von den Führungen auf Dorf-, Kreis- und Stadtebene eine persönliche Stellungnahme einfordern und die entsprechenden Aussagen in den Bericht aufnehmen müssen. Aber im Hinblick auf deren überraschende Fähigkeit, die Nachrichtenagentur Neues China "abzubügeln", war das nicht zu machen.
Was man in den Interviews eingefangen hatte, war solide, in den Aussagen der Dorfbewohner würde es vielleicht ein paar Abweichungen geben, aber an der Wahrheit konnte das nichts ändern - schließlich: Wo waren die Pumpstationen? Wo die Fischteiche? Wo die mehreren hunderttausend Pfund Fisch? Wo die über eine Million Pfund Orangen? Wo war das durchschnittliche Einkommen von 2 800 Yuan ?? Das war das Fundament des Berichtes.

In Wirklichkeit war das Ganze eine heimliche Untersuchung. Bis Cai Ping das Dorf wieder verließ, wußte keiner der Dorfbewohner, woher sie eigentlich kam und zu welcher Zeitung sie gehörte. Sie wußten lediglich, daß da draußen jemand wissen wollte, wie es wirklich um die Verdienste von Min Dewei stand.

Himmelschreiende Lügen

Cai Ping kehrte nach Peking zurück, schrieb in Windeseile das Manuskript, überarbeitete es mehrmals und reichte die Korrekturbögen ein. Ihr Titel lautete: "Himmelschreiende Lügen am Ende des Jahrhunderts".

Wir versuchten abzuschätzen, mit welchem Risiko ein solcher Bericht verbunden war. Min Dewei war keine bedeutende Persönlichkeit, doch er war das große Vorbild der Provinz Hubei. Nach einer Veröffentlichung würde der Bericht gewiß heftige Reaktionen auslösen. Aber der Bericht war sehr solide, auch wenn er nicht wie sonst üblich die Auffassungen derer, die Min Dewei aufgebaut hatten, wiedergab. Doch Tatsachen waren Tatsachen, und wenn man das Blaue vom Himmel herunterlog, es änderte nichts an den Tatsachen.
Am 22. März 2000 wurde der Bericht veröffentlicht, und sehr rasch erhielt ich viele Zuschriften von Lesern des Bingdian. Die Leser hatten verstanden, warum wir dieses Vorbild entlarven mußten.

"An die Redaktion der Chinesischen Jugendzeitung,
nachdem ich den Artikel vom 22. März in der Beilage ,Bingdian? gelesen habe, bin ich erstaunt und betrübt, verärgert und traurig.
Im Sommer des vergangenen Jahres wurde im Lehrerauditorium unseres Kreises im Rahmen einer Vortragsreise ein Vortrag über die Meriten von Min Dewei gehalten - als Mittelschullehrer einer Bergregion war ich von einem solch seltenen und doch lange herbeigesehnten ,aufrechten Beamten? sehr bewegt und habe deshalb heftige Tränen vergossen; gleichzeitig war ich dem Reporter, der dieses Vorbild für die einfachen Menschen hatte ausgraben können, ausgesprochen dankbar. Erst heute erfahre ich durch die Enthüllungen Ihres verehrten Blattes, daß das Ganze ein reines Politikum war. Nach der Lektüre Ihres Berichtes stellen sich mir drei Fragen:
Erstens, wer war in der Lage, alles derart zu verdrehen und dieses ,Vorbild-Image? von Min -Dewei aus Danjiangkou in die Stadt, nach Shiyan, und von Shiyan weiter in die Provinz zu tragen und so aus einem Fehlverhalten, aus einer Lüge ,Wahrheit? und aus einem Dorftyrannen einen ,aufrechten Beamten? zu machen? Und warum sollte das jemand wollen? Ich glaube, der Grund dafür liegt auf der Hand: Zu Lebzeiten war Min Dewei für einige sogenannte Führungskräfte ein Instrument, um Geld zu machen; das lief wunderbar, und als der alte Min tot war, wollten sie auch noch aus seinem Tod politisches Kapital schlagen und sich die Gesichter goldfarben anmalen; schließlich bedeutete eine Propagierung der ,Tugenden und Fähigkeiten? Min Deweis doch auch, daß die ein oder andere Führungskraft ,ein Händchen für fähige Leute? hatte. Zum einen wollte man die eigenen Führungsqualitäten unter Beweis stellen, zum anderen in einem weiteren Schritt einen Standard setzen für die Auswahl und den Einsatz von Leuten.
Zweitens, vielleicht ein Punkt, der allgemein noch nicht recht deutlich geworden ist: Ein einzelner Min Dewei ist im Grunde nicht besonders wichtig. Präsident Zhu Rongji sagte anläßlich des -Nationalen Volkskongresses und der Politischen Konsultativkonferenz zu in- und ausländischen Journalisten: Es gibt sehr viele -Chinesen, deshalb sieht es vielleicht so aus, als gebe es bei uns mehr korrupte Beamte als anderswo. Das stimmt, ein Min Dewei hat nichts Furchterregendes an sich, aber die Leute, die hinter Min Dewei stehen, die sind schlimm. Wenn es nur Min Deweis gäbe, die Massen unten Widerstand leisten und die Führung oben Kontrolle ausüben würden - was könnte er dann noch ausrichten?! Das Problem ist, daß das Volk zwar Widerstand leistet, aber ,die Führung? ihn nicht nur nicht kontrollieren kann, sondern auch noch als Drahtzieher und Pate hinter seinem Unwesen steht - was soll man dagegen tun? Nun könnte man dem entgegenhalten: Nur der ,stellvertretende Gemeindevorsteher? hat mit ihm unter einer Decke gesteckt, die in der Stadt, in der Provinz sind hinters Licht geführt worden! Na ja, Min Dewei steckt mit dem stellvertretenden Gemeindevorsteher unter einer Decke, der stellvertretende Gemeindevorsteher steckt mit dem stellvertretenden Parteikomitee der Stadt unter einer Decke, und erst das stellvertretende Parteikomitee der Stadt steckt mit dem stellvertretenden Provinzkomitee unter einer -Decke - vielleicht muß die Beziehung zwischen Oben und Unten so sein, man muß die verschiedenen Schichten sehen. Die ,zuständigen Beamten? sind nichts als Heuschrecken auf demselben Seil.
Drittens, in China gibt es ein Sprichwort, in dem es heißt: ,Mit der Zeit kommt es heraus: Böses rächt sich, Gutes zahlt sich aus.? In unserer gegenwärtigen Situation allerdings dürfte es sehr schwer sein, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Min Dewei aus Danjiangkou hat ohne Rücksicht auf Verluste die einfachen Leute bis auf den Tod ausgepreßt; jetzt ist er tot, und man will nun aus ihm noch das Letzte herauspressen und den Menschen Angst einjagen. Diese Leute haben jetzt ihr wahres Wesen gezeigt, denn sie haben es übertrieben. Wenn Min Dewei gestorben wäre und diese Leute hätten Ruhe gegeben, die Sache wäre nach dem traditionellen chinesischen ,Affe tot, Klappe zu? vielleicht einfach verraucht. Aber wer weiß denn schon noch, wenn eine Sache ,wie geschmiert gelaufen ist?, wann es Zeit ist aufzuhören? Das schlimmste ist, daß diese Leute vielleicht niemals zur Verantwortung gezogen werden. Die einfachen Menschen fragen sich nach den Enthüllungen um den ,Fall Min Dewei?, wie viele es noch geben kann? Ich selbst glaube: Nur wenn man damit richtig umgeht, wird es das nicht mehr geben.
Ich glaube nicht, daß wir dabei einfach zusehen werden!
Wang Jun, Mittelschule Nummer 1, Kreis Zhushan Provinz Hubei"


Die Leser aus Danjiangkou berichteten von noch Schlimmerem: Am Erscheinungstag unseres Berichtes fehlte in Danjiangkou in der Chinesischen Jugendzeitung die Beilage Bingdian, sie wurde von der örtlichen Post entfernt. Sehr viele Leser haben daraufhin die Beilage auf eigene Kosten kopiert und nach Danjiangkou geschickt.

Schallendes GelächterAm dritten Tag nach der Veröffentlichung des Berichtes kam eine weitere Nachricht: Es hieß, das Provinzkomitee von Hubei habe den stellvertretenden Ressortleiter des ständigen Ausschusses der Propagandaabteilung als Verantwortlichen entsandt, um ein "Konzertiertes Untersuchungsteam über die Lage zum fortschrittlichen Vorbild Min -Dewei" zusammenzustellen und sich sofort nach Minjiagou zu begeben.

Das war eine Aktivität, die wir nicht leichtfertig übergehen durften. Die Absicht war klar: Man wollte damit unseren Bericht als Ganzes dementieren - und was für einen Untersuchungsbericht man unter dem hohen Druck der Führungskräfte der verschiedenen Ebenen fabrizieren würde, war leicht vorstellbar. Wir durften nicht untätig zuschauen! Wir schlugen dem Chefredakteur vor, sofort ein Untersuchungsteam zu bilden, noch einmal nach Minjiagou zu gehen, aber keine heimlichen Befragungen durchzuführen, sondern von jedem einzelnen Führungskader eine Stellungnahme zu verlangen. Es war sonnenklar, daß man zu dieser Untersuchung Reporter schicken mußte, die Rückgrat hatten. Nach kurzer Beratung beschloß die Zeitung, aus Lu Yuegang, He Yanguang und Cai Ping ein Team zusammenzustellen und sie nach Minjiagou zu schicken. Je früher, desto besser.

Auf dem Weg nach Hubei begegnete unserem Team zufällig ein entsprechendes Team der "Nachrichten - Nachgefragt" des Zentralen Fernsehens. Im Grunde hatten sie sich sofort nach Lektüre unseres Berichts auf den Weg gemacht, um eine Untersuchung durchzuführen. Das Ergebnis war, daß das Zentralfernsehen und unsere Zeitung sich zu einem einzigen Untersuchungsteam zusammenschlossen. Es ist der Vorteil des Fernsehens, daß man nichts mehr abstreiten kann, man sieht alles mit eigenen Augen, "original".

Der Film der "Nachrichten - nachgefragt" hat später beim Prozeß eine beachtliche Wirkung gehabt. Niemand, der darauf gesehen hat, in welch erbärmlichen Zustand das Dorf war, konnte noch annehmen, es handele sich hierbei um ein "Wohlstandsdorf". Lassen Sie uns die einzelnen Interview-Einstellungen anschauen:
Wang Zhi: "Gibt es viele, die im Dorf ein neues Haus haben?"
Dorfbewohner: "97 Prozent haben kein neues Haus."
Wang Zhi: "Und warum wollen sie sich keins bauen?"
Dorfbewohner: "Kein Geld. Bei einem Jahresgehalt von nicht mal ein paar hundert Yuan ?"
Wang Zhi kommt vor das Haus des Gruppenleiters der Gruppe Nummer zwei des Dorfes und fragt, aus welchem Jahr sein Haus stammt. Er bekommt zur Antwort: "Vor meiner Zeit." Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Familienmitglieder des Gruppenleiters ist nicht höher als 600 Yuan.
Wang Zhi fragt Li Qianhua, den stellvertretenden Sekretär des Parteikomitees der Gemeinde: "Wieviel Mu Orangenhaine wurden erschlossen, seit Min Dewei im Amt war?"
Li antwortet: "Über 800." [= 53,3 ha]
Wang Zhi fragt: "Kann man damit über 1,2 Mil-li-onen Pfund Orangen produzieren?"
Li Qianhua sagt: "Ja, das kann man."
Im weiteren stellt Wang Zhi dem Parteizellensekretär des Dorfes die gleichen Fragen. Der Parteizellensekretär sagt: "Das müssen so an die hundert Mu sein."
Und wie viele Orangen man schließlich daraus bekommen habe? Der Buchhalter des Dorfes sagt: "Maximal so um die 200 000 bis 300 000 Pfund."
Aufgrund der verdienstvollen Progressivität Min Deweis soll das Dorf 1998 660 000 Pfund Fisch produziert haben.
Wang Zhi fragt den Parteizellensekretär: -"Waren es 660 000 Pfund?"
Der Parteizellensekretär: "Nein."
Wang Zhi wendet sich ab und fragt einen Dorfbewohner: "Hat man hier im Dorf überhaupt jemals Fisch gezüchtet?"
Der Dorfbewohner sagt: "Ich wüßte nicht, wer Fisch gezüchtet haben soll, ich habe nichts davon mitbekommen."
Wang Zhi ist sehr verwundert und fragt: "Aber ihr werdet doch Fisch essen!?"
Der Dorfbewohner antwortet: "Fisch? Wir einfachen Leute? Kein Gedanke!"
Die "Nachrichten - Nachgefragt" interviewen auch Zhou Youchun, dessen "auf Fischzucht spezialisierter Haushalt mit der Hilfe von Min Dewei zu Wohlstand gekommen war". Und Zhou Youchun erzählt, wie er damals unter der Anleitung der Gemeindekader gelogen hat. Wang Zhi nimmt das zum Anlaß, bei Li Qianhua, dem stellvertretenden Parteikomiteesekretär der Gemeinde, nachzuhaken.
Li Qianhua sagt: "Diese Sache mit der Unterstützung eines Dorfbewohners bei der Fischzucht und dem Wohlstand, das hat es gegeben, aber damals hat man die Personen verwechselt. Der Mann hieß nicht Zhou -Youchun, sondern Zhou Yougen."
Wang Zhi: "Ist das jetzt die Wahrheit?"
Li: "Es kommt nur auf die Tatsachen an, egal, um wen es sich dabei handelt."
Nun gut, und wo war dieser Zhou Yougen? "Nachrichten - Nachgefragt" hat sich auf den Weg gemacht, um diesen Zhou Yougen zu finden, mit dem Resultat, daß Dorfbewohner erzählten, Zhou Yougen sei bereits vor zwanzig, dreißig Jahren fortgezogen, damals habe Min Dewei noch die im Schritt offenen Kinderhosen getragen.
Als Min Dewei starb, hatte er allein ein neues, weißes Häuschen.
Wang Zhi fragt den stellvertretenden Gemeindeparteikomiteesekretär Li Qianhua: "Wie viele Menschen im Dorf können es sich leisten, so ein Haus zu bauen?"
Li Qianhua sagt: "Sehr viele."
Wang Zhi und sein Team fragt eine Dorffamilie, die tatsächlich dabei ist, aus getrockneten Lehmziegeln ein Haus zu bauen.
Wang Zhi: "Warum baut ihr kein Haus aus Backsteinen, mit mehreren Stockwerken?"
Antwort der Dorfbewohner: "Das können sich Kader leisten, von den Dorfbewohnern aber keiner."
Wang Zhi: "Und warum kann ein Kader sich das erlauben?"
Dorfbewohner: "Nach drei Jahren als Kader kann man ein mehrstöckiges Haus bauen. Das können Kommunemitglieder nach zehn Jahren nicht."
Das Interview mit dem stellvertretenden Parteikomiteesekretär von Danjiangkou-Stadt, Dong Yongxiang, verläuft noch interessanter. Dong Yongxiang war dreimal nach Minjiagou gekommen, um Min Dewei als Vorbild aufzubauen.
Wang Zhi: "Im Verlauf der Propagierung eines Vorbilds, wird da auch übertrieben?"
Dong Yongxiang: "Man kann sagen, es war alles nahe an der Wirklichkeit."
Wang Zhi: "Warum haben die einfachen Leute keine neuen Häuser, nur Min Dewei? Was glauben Sie, wie viele Menschen und Haushalte in Minjiagou können sich ein Haus wie das von Min Dewei bauen?"
Dong: "Das habe ich nicht geprüft."
Wang Zhi: "Was glauben Sie, wie viele Orangenhaine wurden seit seinem Amtsantritt unter Min -Deweis Leitung von den Massen gepflanzt?"
Dong: "Ich habe die konkreten Zahlen nicht zur Hand."
Wang Zhi: "Und die 660 000 Pfund Fisch?"
Dong: "Den Jahresbericht habe ich nicht konkret geprüft."
Wang Zhi: "Sie sind dreimal in dieses Dorf gekommen, in den Materialien über Min Dewei steht, im Durchschnitt kommen auf einen Haushalt 12,6 Schweine, haben Sie einmal nachgesehen, wie viele Haushalte 12,6 Schweine haben?"
Dong (halblaut): "Diese Zahl habe ich nicht konkret überprüft."
Wang Zhi: "Na, was habt ihr denn dann überhaupt geprüft?"
Dong: "Wenn man jemand als Vorbild propagieren will, muß er propagierbare Meriten haben, Arbeitserfolge."
Wang Zhi: "Worin manifestieren sich denn diese Erfolge? In diesen Zahlen?"
Dong (zögernd): "Es müssen nicht alles Zahlen sein."
Wang Zhi: "Besteht denn kein Zusammenhang zwischen den Zahlen und der Haltung eines Menschen?"
Dong: "Das ist eine Frage der Formulierung."
Wang Zhi: "Wenn es die Zahlen nicht gäbe, wäre dann dieses Vorbild noch zu halten, was meinen Sie?"
Dong (schweigt): "? es sollte schon."

Ohne jetzt sämtliche Interviews der "Nachrichten - nachgefragt" im einzelnen zu wiederholen, war darin noch die Rede von einer Reihe von Missetaten Min Deweis, der Art, daß er Leute verprügelt und eine verheiratete Frau gezwungen hat, mit ihm ein Verhältnis einzugehen. Man mußte sich nur anschauen, auf welcher Grundlage die Kader der verschiedenen Ebenen dieses Vorbild aufgebaut hatten, das genügte! Geradeheraus gesagt, sie hatten einfach Unsinn geredet.

Bei dieser Untersuchung wurden sämtliche Zahlen überprüft, ein Großteil der Schauplätze wurde aufgenommen, und die von "Nachrichten - Nachgefragt" gedrehte direkte Konfrontation mit den Kadern der verschiedenen Ebenen war einfach brillant. Als das Team unserer Zeitung zurückkam, erstellte es sofort einen Untersuchungsbericht.

Mitte April wurde ein "Untersuchungsbericht zur Situation des fortschrittlichen Vorbilds Min Dewei" vom damaligen ersten Sekretär der Provinzkomitees von Hubei eigenhändig unterschrieben und herausgebracht; gleichzeitig wurde dem Sekretariat des Zentralkomitees, der Organisationsabteilung des ZK und der zentralen Propagandaabteilung ein Bericht vorgelegt mit der Forderung, die Verantwortlichen der Chinesischen Jugendzeitung und die Journalistin Cai Ping streng zu maßregeln und von Cai Ping ein öffentliches Eingeständnis ihrer Fehler zu verlangen. Der Bericht dementierte alles, was im Bericht unserer Zeitung stand, und behauptete, alles, was dort wiedergegeben werde, bestehe aus "falschen Anschuldigungen von Leuten, die mit Min Dewei Ärger gehabt haben".

Wie der Untersuchungsbericht von seiten Hubeis aussah, wußten wir, ohne ihn gesehen zu haben. Doch wir hatten keine Angst, denn selbst wenn man Untersuchung an Untersuchung reihte: Dinge, die es nicht gegeben hat, waren nicht herbeizureden. Wie erwartet kam der Bericht der Provinz Hubei nicht umhin, zweifelsfrei bewiesene Tatsachen auch zuzugeben, wie zum Beispiel, daß es "bei der Empfehlung, den Meldungen nach oben und im Verlauf der Presseberichterstattung über das fortschrittliche Vorbild Min Dewei und dem Bemühen um seine wirkungsvolle Herausstellung zu einigen Ungenauigkeiten gekommen ist ? zum Beispiel hinsichtlich des Finanzberichtes des Dorfes hat es relativ viele weiße Quittungen gegeben ? des weiteren ist im Verlauf der Zusammenfassung der Empfehlungen aus dem angesprochenen rückschrittlichen ein fortschrittliches und schließlich ein wohlhabendes Wohlstandsdorf mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 2 780 Yuan geworden - das stimmt mit den Tatsachen nicht überein; die Länge der neuen Straße wurde von sieben chinesischen Li auf sieben Kilometer verdoppelt; die Jahresproduktion von Orangen belief sich nur auf 400 000 Pfund, nicht wie berichtet auf 1,2 Millionen Pfund; pro Haushalt werden drei Schweine gehalten, nicht 12,6; pro Haushalt gibt es durchschnittlich zehn Hühner, nicht über vierzig; die Jahresproduktion an Fisch belief sich nur auf ein paar zehntausend, nicht auf 460 000 Pfund wie berichtet, und so weiter und so fort."

An dieser Stelle brachen wir in schallendes Gelächter aus. War das noch nicht genug? Auch noch "und so weiter und so fort"? Erstaunt waren wir allerdings, daß, obwohl dieses falsche Vorbild vom eigenen Bericht des Provinzkomitees von Hubei unmißverständlich entlarvt wurde, man doch noch bei Sophistereien Zuflucht suchte: "Auch wenn das so ist, sind wir der Auffassung, daß niemand perfekt ist, daß man von einem fortschrittlichen Vorbild keine Vollkommenheit verlangen darf und von einem Parteizellensekretär an der untersten Basis der ländlichen Gebiete schon gar nicht."

Das war wirklich schlimm: Bei einer solchen Sachlage zu derart unverantwortlichen Bemerkungen Zuflucht zu suchen - und das im Namen einer Parteiorganisation, das war schlimm.

Unsere Zeitung stellte sich entschieden dagegen, schickte den eigenen Untersuchungsbericht als interne Referenz zum Zentralkomitee und arbeitete viele Farbphotos in das Material ein. Das hatte es noch nie gegeben. Darüber hinaus legten wir die Videokassette der "Nachrichten - Nachgefragt" bei. Der Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Jugendliga, der damals für unsere Zeitung zuständig war, stammte aus Hubei. Als er die Photos von Minjiagou sah, seufzte er: "Das sieht aus wie in meinem Dorf vor zwanzig Jahren ? Diesen Fall muß man bis zum Ende durchfechten!"

In der Folgezeit stand die Zeitung unter einem vorher noch nie dagewesenen Druck. Die Bloßstellung eines Vorbilds von Provinzrang in einer großen überregionalen Zeitung, das war etwas Unerhörtes. Die Kritik der zuständigen Abteilungen des Zentralkomitees lautete: Man hätte zunächst dem Provinzkomitee Bescheid sagen müssen. (Aber was, wenn man "Bescheid gesagt" hätte?) Die oberen Führungsorganisationen verlangten von der Provinz Hubei, daß die zentralen Nachrichtenmedien noch einmal gemeinschaftlich über Min Dewei berichten sollten, und fügten unmißverständlich hinzu: "Diese Übertreibungen werden ein Nachspiel haben, ihr werdet es erleben!"

Auch wenn die Gegenseite sich aggressiv gab, sie nahm wohl wegen der Macht des Faktischen mit den direkt für die Zeitung zuständigen oberen Etagen des Zentralkomitees der Kommunistischen -Jugendliga gar nicht erst Kontakt auf und wandte sich mit der Forderung, die Zeitung streng zu maßregeln, direkt an drei wichtige Abteilungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei; mit dem letztendlichen Resultat, daß unsere Zeitung nicht die geringste Richtigstellung bringen mußte und auch die Journalisten sich natürlich nicht "öffentlich entschuldigten". Bedauerlich war, daß der Bericht der "Nachrichten - Nachgefragt" des Zentralfernsehens am Ende nicht gesendet werden durfte, eine der besten Sendungen, die dort je gemacht wurde.

Am Ende des Berichtes der Provinz Hubei fand sich ein spezieller Zusatz: "Genosse Min Deweis Familienangehörige haben unser vollstes Verständnis und unsere vollste Unterstützung, wenn sie gegen die Journalistin Cai Ping wegen verleumderischer Angriffe einen Prozeß anstrengen möchten."

Was hatte dieser Zusatz für einen Sinn? Es war eindeutig: Die Anklage war vor Ort schon ausgearbeitet. Wir warteten, doch zu unserer Überraschung ging ein Jahr ins Land, und nichts geschah; nach einem Jahr erschienen plötzlich vier Anwälte eines Anwaltsbüros aus Danjiangkou, Provinz Hubei, als Vertreter der Familienangehörigen von Min Dewei auf dem Plan, erhoben am Dongcheng-Bezirksgericht von Peking Anklage gegen unsere Zeitung und verlangten eine Entschädigung von 460 000 Yuan.

Als wir die Anklageschrift bekamen, verstanden wir nicht recht, denn wenn sie wirklich hätten gewinnen wollen, hätten sie eigentlich hier vor Ort klagen müssen; aufgrund der Regionalisierung und des Ortsprotektionismus unserer Jurisdiktion hätte unsere Zeitung unter dem Druck der örtlichen Partei unweigerlich verlieren müssen. Der Prozeß Lu Yuegangs wegen der Berichterstattung über einen Fall in Shanxi zog sich fünf Jahre hin, und er wurde dann noch absurderweise vom höchsten Gericht der Provinz Shanxi verurteilt - das war eine Mahnung aus dem vergangenen Jahr. (In unserer Zeitung erschien ein ausführlicher Protest gegen das Schlußurteil.) Wir konnten nur annehmen, daß diese Anwälte unqualifiziert waren. Später besuchte jemand das Anwaltsbüro, um nach dem Grund für die Klage zu fragen, und bekam die Antwort: Anweisung von oben!

Der Prozeß zog sich ein Jahr hin und -wurde am Ende vom Dongcheng-Bezirksgericht nieder-geschlagen.

Aus dem Chinesischen von Hans Peter Hoffmann. Aus: Li Datong, Bingdian gushi, Guangxi 2005, Guangxi Shifan Daxue Chubanshe
Li Datong wurde 1952 in Sichuan geboren. Auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution 1968 wurde er zu Viehhüten in die Innere Monogelei verschickt. 1979 konnte er nach Peking zurückkehren, wo er für die "Chinesische Jugendzeitung" zu arbeiten begann. 1995 wurde er Herausgeber der Beilage "Bingdian". Das Magazin, das zu den besten Publikationen des Landes gehörte, wurde im Januar 2006 wegen seiner kritischen Artikel eingestellt. Li Datong wurde entlassen.