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Thomas Kling ist tot

05.04.2005. Wir haben uns im Netz umgesehen, einige Porträts über, Interviews mit und Gedichte von Thomas Kling gefunden.
Am 1. April starb der Dichter Thomas Kling im Alter von 47 Jahren an Krebs. Die Zeitungen würdigen ihn als einen der wichtigsten deutschen Lyriker. "Im Dichterclan der nunmehr mittleren Generation war und ist Thomas Kling der Verantwortliche für das Sprachgedächtnis. Nach seiner Wiener Premiere begann er mit wachsendem Erfolg, Sprach-Räume mit seiner Stimme zu gestalten und die Wörter seines Gedichts mit allen nur denkbaren Formen der Deklamation zu dynamisieren und bis zu ihrem Siedepunkt zu erhitzen: So begann die Ära der 'Sprachinstallation', die kein Lyriker seiner Generation so mitreißend zu inszenieren verstand wie eben Thomas Kling. Seine Gedichtbücher mit ihren technizistischen und schrillen Titeln - auf das 1986 vorgelegte Debut 'erprobung herzstärkender mittel' folgte 1991 'brennstabm' und 1993 'nacht.sicht.gerät' - wurden zu Grundbüchern seiner Generation", schreibt Michael Braun in der NZZ. "Kling wollte die Sprachgewohnheiten und Realitätsauffassungen aufschmelzen", erklärt Harald Hartung in der FAZ. Dass sein Tod weder für Thomas Kling selbst noch für die Branche überraschend kam, deshalb jedoch nicht weniger schmerzlich ist, schreibt Ina Hartwig in der FR.

Wir haben uns im Netz umgesehen, einige Porträts, Interviews und Gedichte von Thomas Kling gefunden.

Eine poetische Beschreibung der Raketenstation Hombroich, Lebens- und und Arbeitsstätte Thomas Klings, gibt der Dichter selbst auf den Seiten der Stiftung der Insel Hombroich.

Eine knappe Darstellung von Leben und Werk des Dichters bieten die Seiten der Österreichischen Gesellschaft für Literatur. Auf unseren eigenen Seiten findet sich ein biografisches Porträt Thomas Klings, das Gabriele Weingartner vor einem Jahr in der Anthologie "Schreibtisch. Leben" veröffentlicht hat.

Aufschlussreich sind die wenigen im Netz verfügbaren Interviews mit Thomas Kling. Wie er sich gegenüber den sprachtheoretischen Ansätzen de Saussures und Derridas selbst einordnet, wo er die Zukunft des Gedichts sieht und was er vom Geschwindigkeitskult der deutschsprachigen Gegenwartslyrik hält, ist in einem umfangreichen Interview aus dem Jahre 2000 bei literaturkritik.de nachzulesen. Auf die Bemerkung des Interviewers, seine Gedichte hätten einen "agressiven Unterton", erklärt Kling: "Wissen Sie, 'aggressiv' ist Rap - von der Etymologie des Wortes. Das heißt: so anklopfen, dass die Tür aufspringt. Man muss, da bin ich nach wie vor der Ansicht, das Gedicht schon unter Dampf halten. Das Gedicht muss auf diesem Gebiet durchaus konkurrenzfähig sein, nämlich gegen die starke Sprache der Medien. Aggressivität oder Bellizismus hat man mir schon vor Jahren vorgeworfen. Meine Thematiken Krieg, Mord und Totschlag sind mir immer zum Vorwurf gemacht worden. Aber das ist ja nur eine Abbildung meiner Wahrnehmung dieser Welt, das ist ja augenfälligst. Das ist ja die Frage, ob sich der Autor da nicht einer Maske bedient, wenn er irgendwie aggressiv auftritt."

In einem Gespräch mit Hans Jürgen Balmes und Urs Engeler von 1994 spricht Kling über seine Gedichte, die Rhythmik und Zeichenhaftigkeit seiner Sprache, zeitgenössische Literatur und neue Medien. Über Dichtung aus den Neunzigern ist Kling im Dialog mit dem Theoretiker Wilfried Prantner im Rahmen des steirischen Herbstes 1999 vertieft. Mit der FAZ sprach er über das Wahrnehmungsinstrument Gedicht, den Schriftsteller als moralische Instanz und das Festival "Hombroich : Literatur X? im September 2002.

Sehr schön der Eintrag bei Lyrikline, weil er neben einer Publikationsliste (aktuell bis 2002) Gedichte Thomas Klings in Audiofassung bereitstellt.

Weitere Gedichte
Thomas Klings im Netz:

- fünf Gedichte aus "Der erste Weltkrieg"
- "wände machn", "provinz"
- "bläue"
- "busladungen"

Rezensionen seines letzten Gedichtbandes "Auswertung der Flugdaten", erschienen 2005 bei DuMont, sind in der Zeit sowie in der NZZ nachzulesen.

Daniel Reichelt