Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
19.08.2002. In L'Express zieht Pascal Bruckner eine positive Bilanz der sexuellen Revolution. L'Espresso bietet einen Vorgeschmack auf das Filmfestival von Venedig. Der Economist analysiert das deutsch-tschechische Verhältnis. Die New York Times Book Review stellt ein neues Buch von Haruki Murakami vor. Das Times Literary Supplement rechnet mit dem "Kult um die Kultur" ab.
Outlook India (Indien), 26.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q15/A3473/1908outlook.gif)
Auf die kürzlich im Outlook dargelegten Verbindungen zwischen der indischen Filmindustrie und der Mafia bezieht sich ein Beitrag, in dem Anita Pratap ihre Solidarität mit den gebeutelten Filmstars bezeugt. Deren Leben sei nämlich alles andere als ein Zuckerschlecken: "Evidently, to get into showbiz, to remain there, and to revive sagging fortunes, some have had to sup with the mafia devil. If the star puppets don't do the bidding of the shadowy, underworld puppeteers, they are strangled or dropped. For filmstars addicted to money, fame and glamour, oblivion is as scary as death. Fear of losing is as gut-wrenching as the loss itself. To have tasted fame and wealth and then lose it, is much worse than never having it at all ... So if the only way to achieve or retain success is to have a pact with the devil, so be it."
Besprochen werden eine sehr subjektive Darstellung über Aufkommen und Ende des Terrorismus im Punjab, verfasst vom ehemaligen "deputy commissioner" von Amritsar, der wenig Gutes über die Verantwortlichen in Delhi, dafür um so mehr davon über seine eigenen Taten zu berichten hat. Und ein Band, der die nationalistischen Implikationen des von den Briten nach Indien importierten Cricket-Spiels untersucht, die Schlüsselfiguren und Clubs vorstellt und einen historischen Abriss bietet. Ein Buch nicht nur für Sportfans, sondern für alle Süd-Asien-Interessierten.
Espresso (Italien), 22.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q17/A3474/1908lespresso.gif)
Außerdem bietet das Dossier zwei einander widersprechende Einschätzungen zur künstlerischen und politischen Orientierung dieser Biennale: Kann ein allgemein gehaltener Überblick über das Programm den befürchteten Rechtsruck nicht erkennen und kaum Unterschiede feststellen zu den vorangegangenen und wegen ihrer avantgardistischen Neigung vom konservativen Lager schon mal als Schund beschimpften Spielen, kritisiert Roberto Silvestri die mit Moritz de Hadeln an den Lido geschwemmte Berliner Realpolitik: "Was Barbera in drei Jahren mühsam wiederaufgebaut hat - ein vorzeigbares, dynamisches Venedig, ein Refugium für couragierte Filmemacher -, hat de Hadeln in nur vier Monaten zerstört." Der "Cocktail de Hadeln" - für Silvestri schmeckt er zu sehr nach Hollywood und Miramax, nach einschläferndem "Großen Kino" eben. Der Perlentaucher wird übrigens trotzdem aus Venedig berichten.
Die Binsenweisheit, dass sich mit Wut im Bauch wenig gewinnen lässt, wendet Giampaolo Pansa in einem Online-Artikel an auf Italiens zornige Linke und die anhaltenden Demonstrationen gegen Berlusconi. Und in einem anderen Artikel staunt Margherita Acierno über die Wandlungsfähigkeit des Top-Models Carolyn Murphy, die mit ihrer Maskulinität einst den Frauen-Typ der Neunziger prägte und nun, mit "explosiver Sinnlichkeit", ihre Weiblichkeit wiederentdeckt. Zeichen der Zeit oder bloß Folge des Wechsels zu Estee Lauder?
Spiegel (Deutschland), 19.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q13/A3476/1908spiegel.gif)
Ein weiterer Artikel immerhin befasst sich mit neuen Anschlägen auf die freie Warenwelt durch den Gates-Kraken aus Redmond. Der bläst gerade zum Generalangriff auf den Welt-Datenverkehr: Streckeninformationsprogramme für PKW, Software für Organizer, Handys, Spiele, Musik etc. etc."Die Methode ist so simpel wie effektiv: Microsoft sattelt einfach auf jede neue Version des dominanten Windows-Betriebssystems zusätzliche Software-Komponenten huckepack drauf; diese landen dann fast von selbst auf dem Kundenrechner. So gebiert ein Monopol das nächste." Und der Verbraucher freut sich. Bis er merkt, das er eigentlich keine Wahl mehr hat. "Dann nämlich bestimmt nur noch der Gigant aus Redmond Geschäftsbedingungen (vulgo: Preise) und technische Details."
Nur gegen Bares zu lesen ist wie gesagt das Titeldossier zur Jahrhundertflut. Darin ein Interview mit Joschka Fischer über den Aufwind, den die Wassermassen Rot-Grün im Wahlkampf bescheren, und ein Gespräch mit Klimaexperten über unseren Anteil an der Zunahme extremer Wetterlagen. Und nur im Print verreißt Marcel Reich-Ranicki Robert Musils Klassiker "Mann ohne Eigenschaften", und Bruce Springsteen promoted sein schwülstiges neues Album "The Rising".
Economist (UK), 18.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A3477/1908economist.gif)
Warum einige Tschechen eher auf den EU-Beitritt verzichteten als an den immer noch heißen Benes-Dekreten zu rütteln, stellt ein anderer Artikel fest: "In part because annulling the decrees would open the floodgates to property claims from Germans. But mostly for patriotic reasons: Czechs-like the Poles, who, with the Red Army, ruthlessly expelled 6m-8m Germans from what, after the war, became western Poland-feel those who began an appalling war have no claim to revise its effects." Fragt sich, was wird, wenn Stoiber gewinnt. Nicht nur, dass seine Frau eine Sudenten-Deutsche ist: "Sudeten Germans form an ageing but still influential part of his electorate."
Das Fürchten lehrt uns ein Science-Beitrag, der berichtet, wie eine US-Firma mit einem satellitengesteuerten "digitalen Engel" (man kann ihn sich implantieren lassen) die totale Überwachung vorantreibt. "Alte Menschen, Kinder und Hunde können damit beaufsichtigt werden. "The wearer's guardians define a perimeter beyond which they feel their charge should not wander, and receive alerts via mobile phone or pager when he has gone beyond these boundaries. The digital angel can also issue an alert when its wearer has fallen down, or when there has been an unexpected change in local temperature of the sort that might be caused, say, by someone falling into a pond." Oder durch unerlaubte Wechselbäder.
Weitere Artikel erläutern, wie die "Hollywood hype machine" mit ihrer neuen Obsession, die Kosten für einen Film möglichst gleich am Eröffnungswochenende einzuspielen, die Zuschauer unter Druck setzt, und stellen einen Essayband des Historikers David Cannadine vor, der in das typisch britische Genre der "decline studies" fällt und den Umgang mit dem nagenden Gefühl der verlorenen (territorialen) Größe zeigt, bei Leuten wie Churchill oder Ian Fleming.
New York Times (USA), 18.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q12/A3475/1908nytimes.gif)
Besprochen wird auch Alain de Bottons so gar nichts mit der Abenteuerlust und dem Humor traditioneller englischer Reiseliteratur gemein habendes Buch "The Art of Travel". De Botton, bedauert Alan Riding in seiner Besprechung, "seems to prefer the ritual of traveling -- the aller-retour on ships and trains and planes -- to actually being somewhere other than his London home." Nur gut, dass sich der Autor als Begleiter so unterhaltsame Figuren wie Baudelaire, von Humboldt, van Gogh und Ruskin ausgesucht hat: "He worries constantly about the problems he has left behind, and he is ever self-conscious about the otherness of the places he visits. And, to be frank, he can be something of a whiner. So it is often a relief when de Botton cedes his pages to his predecessors, describing their approach to travel and quoting from their books, letters and lectures." Lesen wir also besser gleich Wordsworth, anstatt das erste Kapitel.
Im Boox-Comic untersucht Mark Alan Stamaty den Harry-Potter-Hype, der selbst vor Plagiaten nicht Halt macht - in China zumindest. Und der auf Hebräisch schreibende Dichter Abba Kovner schickt folgendes Poem: "How little we need / to be happy: / a half-kilo increase in weight, / two circuits of the corridors / at Sloan-Kettering / in bedroom slippers / a morning without aspirin / silence gentle as a pit, / a distant / sand dune / behind the green bridge / a patch of lawn / and you beside me beginning / to knit a new sweater..."
Express (Frankreich), 15.08.2002
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q16/A3478/1908lexpress.gif)
"Elvis lebt!", da sind sich in diesen Tagen mal wieder alle Journalisten einig. Aber ob er deshalb gleich ein Messias ist? Einer des Rock n' Roll allemal. Pascal Dupont begibt sich auf die Spuren der Legende und hat dafür auch das Internet durchsucht. Virtuelles ist bei dem Suchwort Elvis schnell auch Spirituelles. In solchen Sphären bewegen sich zumindest Seiten wie die Presleytarian Church of Elvis the Divine, The Elvis Shrine, Not Elvis, Sacred Heart Elvis oder Ask the King. Elvis antwortet auf alle Fragen des Lebens garantiert. Um weitere Antworten zu finden, besuchen Sie auch "Elvis My Happiness" in Paris oder lesen Sie einfach unsere Post aus New York.
Die Bücherschau gibt sich in dieser Woche politisch: Romain Rosso bespricht ein politisches Pamphlet von Philippe Maniere, der darin kurzen Prozess mit den französischen Eliten macht, welche die Ursache für das Erdbeben "Le Pen" seien. Claude Allegre nimmt die Globalisierung in den Blick und hat dazu ein Werk des amerikanischen Ökonomen Joseph E. Stiglitz und anderes gelesen.
Und: Ein wenig hochommerlicher ist die Reportage über Hossegor an der französischen Atlantikküste, wo sich Anfang des Jahrhunderts nicht Surfer, sondern ein kleiner Kreis von Künstlern in der "Association litteraires des amis du lac d'Hossegor" trafen. Passend dazu legt Actes Sud eine kleine Geschichte des Schwimmens vor. Quel plaisir!
Times Literary Supplement (UK), 17.08.2002
Nur Gutes diesmal im TLS: Raymond Tallis empfiehlt allen, die vom Paradies träumen, Roger Sandalls "brillante, leidenschaftliche und sardonische" Abrechnung mit dem Kult um die Kultur, dem, wie Sandall es nennt, Designer-Tribalismus. Als Beispiel für diesen Gebrauch des Worts "Kultur" nennt Tallis ein Zitat des Präsidenten von Benin, der den Kinderhandel in seinem Land mit "unserer Kultur" rechtfertigte : "'The Culture Cult' explains among other things how the phrase 'in our culture' has come to be used to defend behaviour that would otherwise be seen as quite abhorrent?For adherents of what Sandall calls the culture cult, primitive culture is not inferior to modern civilization - it is different and quite likely better... Nothwithstanding their own doctrine of incommensurability, they take 'a sour view of modernity', forgetting, Sandall argues, that modern civilization not infrequently 'allows changes of government without bloodshed'... whereas most traditional cultures 'feature domestic repression, economic backwardness, endemic disease, religious fanaticism and severe artistic constraints'."
John Bailey hat mit ausgesprochener Genugtuung gelesen, wie Maeve Brennan in ihrer Philip-Larkin-Biografie den Dichter gegen seine politisch korrekten Kritiker verteidigt.
Noch mehr Lob gibt es nur in Auszügen: Jeremy MacClancy stellt Judith Heimanns Buch "The Most Offending Soul Alive" vor, in dem Heimann das bemerkenswerte Leben des begabten, revolutionären, chauvinistischen und frauenverachtenden Anthropologen Tom Harrison erzählt. Und Justin Willis bespricht ebenso freundlich C.S. Nicholls Biografie der Schriftsstellerin Elspeth Huxley.
John Bailey hat mit ausgesprochener Genugtuung gelesen, wie Maeve Brennan in ihrer Philip-Larkin-Biografie den Dichter gegen seine politisch korrekten Kritiker verteidigt.
Noch mehr Lob gibt es nur in Auszügen: Jeremy MacClancy stellt Judith Heimanns Buch "The Most Offending Soul Alive" vor, in dem Heimann das bemerkenswerte Leben des begabten, revolutionären, chauvinistischen und frauenverachtenden Anthropologen Tom Harrison erzählt. Und Justin Willis bespricht ebenso freundlich C.S. Nicholls Biografie der Schriftsstellerin Elspeth Huxley.