Magazinrundschau
Fünf Jahre Abwechslung
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.08.2009. Im Merkur streitet Reiner Paris gegen immer mehr Gleichheit. Im Espresso fragt sich Soli Özel, ob der Prozess gegen die Ergenekon-Verschwörer die Demokratie in der Türkei stärken wird. In der Liberation warnt Jamil Sayah davor, ein Verbot der Burka auf die Scharia zu stützen. Alles in allem lief es für Danton ganz gut, findet die London Review of Books. Auch Antisemiten können den polnisch-jüdischen Dialog fördern, meint der Philosoph Jan Hartmann in Tygodnik Powszechny. Warum hat es kein Araber auf den Mond geschafft?, fragt Abdel-Moneim Said in Al Ahram.
Espresso (Italien), 31.07.2009
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Liberation (Frankreich), 31.07.2009
Die französische Regierung erwägt eine Gesetz gegen die Burka und andere Formen der Ganzkörperverschleierung, sieht sich aber durch eine Studie verunsichert, die ergeben hat, dass in Frankreich überhaupt nur 367 Frauen in derartigen Kostümen herumlaufen. Die Sozialisten plädieren nun gegen das Gesetz. Liberation hat ein ganzes Online-Dossier zusammengestellt, in dem man die Diskussion verfolgen kann. Zuletzt warnte die Rechtsprofessorin Jamil Sayah aus Grenoble davor, bei der Diskussion über Burka und Schleier in die "religiöse Falle" zu tappen: "Eine solche Positionierung der Debatte würde uns zwingen, endlose Mäander der Scharia nachzuvollziehen um Aussagen zu finden, die das Tragen solcher Kleidungsstücke verbieten oder erlauben. Nichts ist zerstörerischer für die Laizität. Gleichheit, Freiheit, die öffentliche Ordnung und die Vernunft verurteilen das Tragen solcher Uniformen mit allem Nachdruck. Es ist unnütz, sich auf solche Erklärungen zu stützen."
New Yorker (USA), 17.08.2009
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New Republic (USA), 03.08.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q27/A24789/nrep.jpg)
London Review of Books (UK), 06.08.2009
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Weitere Artikel in einer sehr interessanten Ausgabe: Jenny Diski liest und scherzt sich durch die von Catalin Avramescu verfasste "Ideengeschichte des Kannibalismus" (Verlagswebsite). Der Shakespeare-Forscher Michael Dobson denkt über die besondere Beziehung der Deutschen zu Hamlet (und "Hamlet") nach. Der südafrikanische Autor R.W. Johnson schildert eindrucksvoll, wie er durch eine Infektion mit fleischfressenden Bakterien ein Bein verlor und nur ums Haar mit dem Leben davonkam. Von keinem Geringeren als Eric Hobsbawm stammt die Rezension eines Buchs von Richard Overy über "Großbritannien zwischen den Kriegen". Michael Wood hat Tony Scotts Remake von "The Taking of Pelham 1-2-3" gesehen.
Tygodnik Powszechny (Polen), 02.08.2009
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Auch dieses Jahr wurde der Jahrestag des Warschauer Aufstands von August-Oktober 1944 feierlich begangen. Jacek Zygmunt Sawicki erinnert aus diesem Anlass an die schwierige Entstehungsgeschichte des Denkmals im Zentrum Warschaus, das erst 1989 eingeweiht werden konnte. Und Patrycja Bukalska feiert fünf Jahre Museum des Warschauer Aufstands. "Es wurde im letzten möglichen Moment errichtet - so, dass die Aufständischen nicht nur geehrt, sondern auch verstanden werden konnten."
Im Gespräch mit dem Dokumentarfilmer Jacek Blawut, dessen erster Spielfilm gerade in die Kinos kam, wird das Verhältnis des Künstlers zu seinem Thema diskutiert. "Der Mensch ist außergewöhnlich durch seine Schwächen. Dann erst sieht man seine Größe. Mich fasziniert die Situation des Falls, die jeden betreffen kann. Niemand wird als Bahnhofsbettler geboren, man muss erst fallen, manchmal von ganz weit oben. Filme sind für mich ein Schlüssel, um zu begreifen, warum wir hier sind, warum wir so gemacht wurden, was am Ende des Weges ist. Mit meinem Helden durchschreite ich langsam diesen Weg". Blawuts Spielfilmdebüt wurde jetzt beim Filmfestival "Era Nowe Horyzonty" in Wroclaw gezeigt, für das sich Anita Piotrowska im separaten Artikel begeistert.
Und Przemyslaw Wilczynski beschreibt eine neue Geschäftsidee aus dem Dunstkreis des "Web 2.0". Auf zostawslad.pl (etwa: eine Spur hinterlassen) kann jeder registrierte Nutzer eine Art "virtuelles Testament" hinterlegen, das bestimmte Personen nach seinem Tod einsehen dürfen: Tagebuchnotizen, Fotos, Audiodateien etc. Noch verdienen die beiden Gründer, zwei Studenten, damit kaum Geld. Auch eine Werbestrategie ist schwierig. Andererseits fehlt es nicht an jungen Patienten von Hospizien u.ä., die fast bis zum Schluss das Netz nutzen.
Merkur (Deutschland), 01.08.2009
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Jens Bisky bricht in seiner Architekturkolumne eine Lanze für das Ornament, das einen unaufhaltsamen Tod gestorben ist, seit Leon Battista Alberti es als einen 'die Schönheit unterstützenden Schimmer' bezeichnet hat, also als einen äußeren Zusatz, wie Bisky schreibt: "Besser, in schönerem Deutsch hat vor Adolf Loos keiner über Ornamente geschrieben als Karl Philipp Moritz. Blättert man in seinen Vorbegriffen, werden Momente des Verlustes schlagartig deutlich. Da ist zunächst der Verzicht auf Ansprache des Vorübergehenden. Nicht umsonst kam ja mit den Verzierungen auch die gute Gewohnheit außer Mode, die Fassade als Gesicht des Hauses zu gestalten. Das Angesicht ('acies') verkam zur Außenhaut. Da muss sich keiner wundern, wenn der Zeitgenosse beim Anblick der Kisten, Kästen, Würfel vor sich hin flüstert: 'Du mich auch!'"
Nepszabadsag (Ungarn), 01.08.2009
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ADN cultura (Argentinien), 01.08.2009
Gerardo Garcia unterhält sich mit Javier Cercas über dessen neues Buch "Anatomia de un instante". Es behandelt das Cercas zufolge "wichtigste Ereignis der spanischen Geschichte der letzten fünfzig Jahre", den Putschversuch gegen die junge Demokratie vom 23. Februar 1981: "Beim Schreiben dieses Buches habe ich viel gelernt, zum Beispiel, dass die Gewalt nicht die 'Hebamme' der Geschichte ist, wie Marx glaubte, sondern ihr Steinbruch: das Material, aus dem die Geschichte besteht. Auch mein Blick auf die Politik und die Politiker hat sich geändert: Früher hielt ich den spanischen Übergang von der Diktatur zur Demokratie für mehr oder weniger katastrophal gescheitert, heute erscheint er mir geradezu als Erfolgsgeschichte. Früher fand ich Politiker vor allem seltsam, eigentlich aber uninteressant, manchmal verachtenswert; beim Schreiben an dem Buch dagegen fand ich sie sehr, sehr interessant und jetzt finde ich sie immer noch seltsam, vor allem aber tun sie mir Leid."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 30.07.2009
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Nehad Selaiha erzählt, warum die Theaterregisseurin Laila Soliman Probleme mit der Zensur hatte. Es ging um ihr neues Stück, das offenbar eine Mischung aus Franca Rames "Eine Mutter" und Harold Pinters "Pressekonferenz" ist. Hauptperson bei Pinter ist ein Kulturminister, der früher Chef der Geheimpolizei war und keinen großen Unterschied zwischen beiden Jobs sieht. Für die ägyptische Produktion musste jeder Hinweis auf die neue Position dieses Mannes getilgt werden. "Es scheint, dass die Darstellung eines Kulturministers auf ägyptischen Bühnen inzwischen ein ebenso großes Tabu ist wie die Darstellung des Propheten oder anderer religiöser Figuren", spottet Selaiha.
Weitere Artikel: Statt die Zahlen zu bezweifeln, die ein amerikanischer Report über Menschenhandel - auch - in Ägypten veröffentlicht hat, sollten die Ägypter vielleicht mal damit anfangen, selbst korrekte Daten zu erheben, schlägt Nehal Fahmi vor. Gihan Shahine hatte eine Auseinandersetzung mit ihrem Mann über die Frage, ob man den 2-jährigen Sohn schlagen sollte, wenn er nicht hört, und findet ihre ablehnende Haltung auf der Webseite babycentre.com bestätigt.
Elet es Irodalom (Ungarn), 24.07.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A24793/es.jpg)
New York Times (USA), 02.08.2009
Sehr positiv bespricht der Politologe Fouad Ajami Christopher Caldwells Buch "Reflections on the Revolution in Europe" (Auszug) über den wachsenden Einfluss des Islams in Europa, den Caldwell als durchaus beunruhigend ansieht. Paradoxerweise, so Ajami in der Erinnerung an seine eigene Auswanderung in die USA vor einigen Jahrzehnten, funktionierte Integration früher besser: "Ich war damals ein Teenager und akzeptierte die 'Andersheit' des neuen Landes. Nachrichten aus dem Libanon drangen selten bis zu mir durch, Flüge waren selten und teuer. Ich verlor Jahre meines Familienlebens, aber ich vermisste die Erzählungen aus der alten Heimat auch nicht. Heutzutage sind Flugreisen banaler Alltag, Satellitenstationen aus Dubai und Qatar erreichen die Einwanderer in ihren neuen Ländern, Priester und Imame sind unterwegs und haben eine tragbare Version ihres Glaubens im Gepäck... Man nennt es Globalisierung."
Das Buch ist überhaupt gleich nach Erscheinen auf eine Riesenresonanz in den USA und Großbritannien gestoßen und wurde in der New York Times bereits vor Ajami besprochen (hier). Außerdem gab es Besprechungen im Observer (hier), im Guardian (hier) und von Kenan Malik im New Humanist (hier).
Das Buch ist überhaupt gleich nach Erscheinen auf eine Riesenresonanz in den USA und Großbritannien gestoßen und wurde in der New York Times bereits vor Ajami besprochen (hier). Außerdem gab es Besprechungen im Observer (hier), im Guardian (hier) und von Kenan Malik im New Humanist (hier).
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