Krise und
Populismus - Luisa Corradini
unterhält sich mit dem französischen Philosophen
Jacques Rancière: "Die Art, wie heutzutage über '
die Krise' geredet wird, gefällt mir nicht. Der Begriff ist nicht nur zu einem Allround-Konzept verkommen - die Demokratien sind in der Krise, die Kunst ist in der Krise, etc. etc. -, sondern er ist auch verantwortlich dafür, dass alles bloß noch unter einer klinischen Perspektive wahrgenommen wird, als Betätigungsfeld für eine
intellektuelle und soziale Ärzteschaft. Es gibt aber keine 'Krise der Demokratie', sondern es gibt
demokratische Defizite, was nicht dasselbe ist. Und so sehr ich dagegen bin, jede Art der Forderung nach Macht durch das Volk als 'Populismus' abzutun, teile ich doch nicht automatisch die Begeisterung so vieler für die neuen Regierungen in Südamerika: Wenn ich sehe, dass
Hugo Chávez zum dritten Mal hintereinander Präsident werden will, sage ich mir, dass er weit davon entfernt ist, ein Demokrat zu sein: Demokrat ist jemand, der die Voraussetzungen dafür schafft, dass ihm so schnell wie möglich
ein anderer nachfolgen kann, beziehungsweise, dass es gar nicht mehr nötig ist, dass es einen Anführer, eine oberste Verkörperung der Nation gibt."