
Nach drei Staatsstreichen scheint
Mali unregierbar geworden zu sein. Die Militärjunta dient sich Russland an und verhöhnt den Westen. Rahmane Idrissa will das westafrikanische Land dennoch
nicht aufgeben: "So wie die Verherrlichung der malischen Demokratie durch den Westen übertrieben war, so könnte es auch die derzeitige Enttäuschung darüber sein", meint er. "2021 führte das Büros des Niederländischen Instituts für Mehrparteiendemokratie in Bamako eine anspruchsvolle landesweite Umfrage durch und schloss dabei auch viele von Dschihadisten kontrollierte Gebiete ein, um die
Einstellungen zur Demokratie zu untersuchen. Ich bekam eine Zusammenfassung der Ergebnisse. In der Umfrage wird Mali in '
Kulturregionen' unterteilt, definiert durch Geschichte und Geografie - ein besseres Modell als ethnische Zugehörigkeit. In jeder Region stellte das Institut eine weit verbreitete Abneigung gegen die
repräsentative Demokratie und ihr Prinzip 'ein Mensch, eine Stimme' fest. Mein erster Gedanke war, dass sich hier eine reaktionäre Ansicht zeigte, die auf dem Glauben beruhte, dass einige Stimmen mehr zählen sollten als andere. Doch tatsächlich ergibt 'ein Mensch, eine Stimme' für Malier keinen Sinn, weil damit der Glaube einhergeht, dass die Mehrheitsmeinung der einzige Weg ist, in einer komplexen, heterogenen Gesellschaft über schwierige Fragen der Gerechtigkeit und Macht zu entscheiden. Der Grundsatz der Gerechtigkeit in den alten Sahel-Regimen, auch wenn er oft genug verletzt wird, lautet, dass jeder etwas bekommen muss und
niemand mit leeren Händen dastehen darf. Die hartnäckigste Kritik an der Wahldemokratie in der Region - nicht nur in Mali, sondern auch in Niger und Burkina - besteht darin, dass sie
zu Ausgrenzung führt und die Unterlegenen von jeglicher Teilhabe an Wohltaten oder den Entscheidungen ausschließt, während die Gewinner sich über den Sieg von 'notre régime, notre pouvoir' freuen. Im Westen sind die
Herrschaft der Mehrheit und das Ritual des gnädigen Eingestehens der Niederlage Teil der politischen Kultur (oder waren es früher). Für die Menschen im Sahel sind sie ein Rezept für Konflikt und Spaltung."
Ausführlich
beschäftigt sich Jonathan Rée mit Leben und Denken des Erzliberalen
Friedrich Hayek, dem Bruce Caldwell und Hansjoerg Klausinger eine zweiteilige und offenbar sehr instruktive
Biografie widmen. Am Ende seines Lebens habe der verbitterte Hayek
Reagan, Thatcher und Pinochet nahegestanden, räumt Rée ein, aber er sei nie so ein Fundamentalist des Marktes gewesen wie Ludwig Mises oder Milton Friedman, das hätten schon seine frühen britischen Gegner in den vierziger Jahren falsch eingeschätzt: "'Der Weg zur Knechtschaft' wurde nicht von vielen gelesen, aber seine schärfsten Argumente - dass Sozialisten besessen seien von 'zentraler Lenkung aller wirtschaftlichen Aktivitäten nach einem einzigen Plan' und dass sie 'Totalitaristen' seien, die die liberalen Grundlagen der 'westlichen Zivilisation' zerstören wollten - waren bald berüchtigt, und sein Autor ('
der schreckliche Dr. Hayek', wie Isaiah Berlin ihn nannte) wurde weithin als Verletzung eines wohlmeinenden nationalen Konsenses angesehen.
George Orwell lobte Hayek für den Mut, 'unmodisch' zu sein, zeigte sich aber ansonsten unbeeindruckt. Wir wissen bereits, so Orwell, dass der Kollektivismus nicht von Natur aus demokratisch ist'; aber wir wüssten auch, dass der
Laissez-faire-Kapitalismus 'eine Tyrannei beinhaltet, die wahrscheinlich schlimmer, weil unverantwortlicher ist als die des Staates'. Hätte Orwell den 'Weg zur Knechtschaft' genauer gelesen, hätte er vielleicht mehr Sympathien gehabt. Ihm wäre in erster Linie aufgefallen, dass Hayek ein 'dogmatisches Laissez-faire' ablehnt... Er hätte sicherlich auch Hayeks Unterstützung für staatliche Interventionen begrüßt, die darauf abzielen, 'Mobilität' zu fördern, 'Chancenungleichheit' zu verringern und sogar 'Wissen und Information' zu verbreiten. Orwell hätte vielleicht auch anerkannt, dass Hayek darauf achtete, seine sozialistischen Gegner mit
gewissenhafter Höflichkeit anzusprechen, indem er nicht von Bosheit oder Torheit sprach, sondern von der 'Tragödie', die einträte, wenn wir 'unwissentlich das genaue Gegenteil von dem produzieren, was wir anstreben'. (Der Sozialismus, sagte er, 'kann nur mit Methoden verwirklicht werden, die die meisten Sozialisten missbilligen'). Hayek machte auch die bemerkenswerte Beobachtung, dass ein Land, das sich
den Sozialismus zu eigen macht, zumindest in dem Maße, in dem es all seinen Bürgern das Recht auf einen komfortablen 'Lebensstandard' einräumt, wahrscheinlich einem
fremdenfeindlichen Nationalismus erliegt."