Magazinrundschau - Archiv

L'Espresso

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Magazinrundschau vom 22.05.2012 - Espresso

Lange Zeit waren Politik und Spektakel in Italien eins: Die Talkshows nährten sich von unfähigen Politikern und ihrem Versagen. Nun sind die Medien in Verlegenheit, schreibt Roberto Saviano, der übrigens auf La7 selbst eine Talkshow moderiert. Die Inszenierung der Lächerlichkeit sei beendet: "Dies alles war zwar zutiefst traurig, aber eine Garantie für Einschaltquoten. Allzu selten gelang es der Demokratie mit ihrer Langsamkeit, ihrer Strenge und Disziplin für 'Spektakel' zu sorgen. Und nun, wo das alles für uns vorbei ist, bleibt etwas Komplizierteres, nämlich die Konstruktion einer Grammatik, die in der Lage wäre, das zu erzählen, was gerade geschieht - diese Übergangsphase, die wir erleben. Die wirkliche Revolution und Neuerung sind heute die sozialen Netzwerke, die Online-und Digital- Sender, die auf dem Sharing beruhen und darum gerade der Quote nicht unterworfen sind. Darum sind sie siegreich."

Magazinrundschau vom 24.04.2012 - Espresso

Seit Berlusconi weg ist, und Mario Monti die Misere verwaltet, so Eugenio Scalfari in seiner Kolumne, ist die Komik in Italien in die Krise geraten. Sein Beispiel: der Komiker und Blogger Beppe Grillo, der sich für Scalfari in leerem Dagegensein erschöpft. Aber dann ist da ja immer noch Roberto Benigni, der Scalfari mit dem Alter noch mehr bewegt als zu Fellini-Zeiten: "Die Tränen, die den Zuschauern in die Augen steigen, sind solche der Rührung und nicht nur der Heiterkeit. Benigni ist immer noch ein großer Komiker und exzellenter Schauspieler, aber er ist auch ein Poet, der Poeten zum Sprechen bringt, und vor allem ist er ein Darsteller all dessen, was es in diesem Land noch an Zivlität und Menschlichkeit gibt. Die Italiener spiegeln sich in ihm. Sie applaudieren ihm nicht nur, weil er sie unterhält, sondern weil er sie belehrt, wachsen lässt, besser macht."

Magazinrundschau vom 14.02.2012 - Espresso

Maya-Prophezeiung hin oder her, die Welt geht ständig unter, meint Umberto Eco. Zumindest in Italien stülpt sich alles um, und das seit Jahrtausenden. "Für den Weltuntergang spricht sicherlich, dass die Welt schon jetzt durcheinander gerät. Denken Sie nur daran, dass die Reichen einst in luxuriösen Palästen im Zentrum Roms wohnten und die Armen am kargen Rand; heute sind die Häuser rund um das Colosseum heruntergekommen, mit Hängeklo an der Außenwand, sie werden für wenig Geld abgegeben und verschenkt an Leute, die sich nicht darum scheren. Die korrupten Politiker dagegen ziehen ins [ehemalige Immigrantenviertel] Quarticciolo, stellen Sie sich vor! Früher fuhren die Armen mit dem Zug, und nur die Reichen konnten sich einen Flug leisten. Heute kosten Flüge nichts mehr und die Züge werden immer luxuriöser, mit Bars, die nur für die Oberklasse zugänglich sind. Einst fuhren die Reichen nach Riccione oder im schlimmsten Fall nach Rimini, um ihre Knöchel im Mittelmeer zu benetzen, während auf den abgelegenen Inseln im Indischen Ozean Völker in Armut lebten. Heute sind auf den Malediven nur noch die Politiker von Rang, und in Rimini, da sind nur noch russische Aufschneider, die eben erst der Unterdrückung entkommen sind. Wo wird das enden?"

Magazinrundschau vom 31.01.2012 - Espresso

Palo Rossi Monti ist tot. Umberto Eco erinnert an den Pionier der Wissenschaft vom Erinnern. Rossi beschäftigte sich außerdem schon früh mit der "kulturellen Vergesslichkeit" als Folge der Informationsflut. "In seinen Aufsätzen aus den letzten Jahren trieben ihn nicht die Erinnerungsleistungen der Antike um, sondern das heutige Erinnern. Ich möchte an zwei seiner jüngsten Aufsätze erinnern (La storia della scienza: la dimenticanza e la memoria, in Lina Bolzoni, "Memoria e memorie" und "La memoria, le immagini, l'enciclopedia", in Pietro Rossi "La memoria del sapere"). Rossi wusste genau, dass mit der Erfindung des Buchdrucks die Furcht vor dem Vergessen wegen des natürlich-biologischen Verfalls des Gedächtnisses durch eine neue Angst ersetzt wurde: jene vor dem Nicht-Erinnern wegen eines exzessiven kulturellen Datenreichtums (denn die Erfindung des Drucks stellt nicht nur eine enorme Menge an Texten zur Verfügung, sondern macht es für jeden auch sehr einfach, diese anzuzapfen)."

Magazinrundschau vom 20.12.2011 - Espresso

David Letterman gibt es jetzt auch im italienischen Fernsehen, und Umberto Eco empfiehlt die Talkshow als Schnellkurs zum Wesen des Durchschnittsamerikaners. "Lettermann ist in diesem Sinne kein Vertreter der amerikanischen Intelligenz, sondern jener großen Masse, die im Zentrum des Kontinents lebt und Zeitungen liest, die von der Geburt eines Kalbs mit zwei Köpfen im Bezirk berichten und wo der Rest des Planeten nur in vagen Andeutungen erwähnt wird, wo die New York Times nicht ausgeliefert wird oder wo man sie nur an einigen wenigen Stellen kaufen kann (...) Vor einigen Jahren schmeckte auf einer Konferenz in Florenz einer Person, die im Pentagon oder im Weißen Haus arbeitete, ich weiß es nicht mehr genau, beim Mittagessen ein Fisch ganz hervorragend, und nachdem sie hörte, dass er aus dem Mittelmeer stammte, kam die Frage, ob das ein 'salt lake', also ein salziger See sei." (Ach, Umberto, ja es gibt Hinterwäldler in den USA. Aber die NYT gibt es jetzt doch auch im Internet! Und in Kalabrien gibt es genügend Zeitgenossen, die noch nie was vom Great Salt Lake gehört haben.)

Magazinrundschau vom 29.11.2011 - Espresso

"Paolo Lopriore, der jüngst in Alicante mit dem Premio Internacional Lo Mejor de la Gastronomia ausgezeichnet wurde, hat das Publikum mit einem Rezept begeistert, das uns an einen Klassiker der italienischen Küche erinnert: Spaghetti pomodoro e basilico", berichtet L'Espresso. Die recht überraschende Ausführung des Rezepts muss man sich auf der Website des Espresso im Video ansehen.
Stichwörter: Italienische Küche

Magazinrundschau vom 11.10.2011 - Espresso

Nachdem die italienische Wikipedia ihren aufsehenerregenden Online-Protest gegen geplante Gesetzesänderungen erst einmal heruntergefahren hat, macht Umberto Eco munter weiter mit seinen Sticheleien gegen die Regierung. Seine Munition holt er sich aus einem Antiquariatskatalog, der einige Kuriositäten birgt und Silvio Berlusconi nicht nur wegen der Körpergröße näher an Napoleon heranrückt. "Der Titel, der mich wirklich vom Stuhl gehauen hat, weil er so gegenwärtig erscheint, ist 'Das Wörterbuch der Wetterfahnen' von Aymery Alexis. Der vollständige Titel der zweiten Auflage von 1815 lautet : 'Das Lexikon der Wendehälse... Ein Werk, in dem Diskussionen Verlautbarungen, Lieder, Auszüge aus Schriften, die über die Regierenden in den vergangenen 25 Jahren erschienen sind und in denen die Posten, die Gefälligkeiten und die Titel vermerkt sind, die Politiker, Schriftsteller, Generäle, Künstler, Sänger, Bischöfe, Präfekten, Journalisten, Minister und so weiter unter gewissen Umständen erhalten haben....'. Es ist ein riesiges biografisches Lexikon, das sich von Fouche über Murat (der die Treue auf die Republik geschworen hatte nur um später unter Napoelon König von Neapel zu werden) bis zu Chateaubriand und anderen bekannten Opportunisten spannt, die von Napoleon bis zur Restauration mit dem Wechseln der Loyalität nie Probleme hatten. Also, nichts Neues unter der Sonne."

Magazinrundschau vom 27.09.2011 - Espresso

Umberto Eco wirft sich mächtig in die Bresche für die Universitäten, die seiner Meinug nach einer beispiellosen Diffamierungskampagne durch den Regierungschef ausgesetzt sind - Silvio Berlusconi. "Wer sehen will, wie genervt der Ministerpräsident von der Universität ist, der sollte auf www.governoberlusconi.it gehen. Dort rennt die Regierung unseres Landes vehement gegen die Unis an, immerhin eine Institution, die zumindest zum Teil direkt von der Regierung abhängt. Das ist so, als würde die Regierung die Streitkräfte attackieren ... Die Debatten um Einzelheiten der Reform von (Bildungsministerin) Maria Stelli Gelmini und um die nicht nachvollziehbaren aber trotzdem alltäglichen Angriffe Berlusconis auf die Gerichte hat uns gleichsam vergessen lassen, dass Berlusconi auch eine Schlacht gegen die Universitäten führt, ein Hort kritischen Denkens, der ihn stört. Die Kürzungen der Mittel verkrüppeln die Universitäten, und von überallher stürzen dann auch noch furchtbare Meldungen auf sie ein über Professoren, die gute Noten an jene Eleven verteilen, mit denen sie schlafen, während andere ihre Schwestern, Ehefrauen und Geliebten in die Katheder hieven. Dazu kommen dann internationale Rankings, in denen die italienischen Universitäten in Richtung Burkina Faso abstürzen."

Magazinrundschau vom 13.09.2011 - Espresso

Bei Umberto Eco geht es um die Vernunft der Hunde, und wie immer findet Eco seine Referenzlektüre nicht in Dog-Dancing-Traktaten der Gegenwart, sondern in den Klassikern der Ewigkeit: "Die philosophisch interessanteste Diskussion entspann sich im Laufe von drei Jahrhunderten zwischen Stoikern, Akademikern und Epikureern. Im Feld der stoischen Diskussion tauchte ein Argument auf, das Chrysippos von Soli zugesprochen wird, das fünf Jahrhunderte später von Sextus Empiricus aufgegriffen und popularisiert wurde. Hunde seien des Logos fähig, behauptete Sextus, und bewies das mit folgendem Beispiel: ein Hund, der an eine dreifache Weggabelung kommt und durch Schnüffeln festgestellt hat, dass seine Beute nicht in zwei der möglichen Richtungen gehoppelt sein kann, nimmt ohne nochmalige Überprüfung die dritte. Der Hund, so Sextus, stelle folgende logische Operation an: 'Die Beute hat entweder diese oder jene oder die dritte Richtung eingeschlagen; nun ist es weder diese noch jene; also muss es die dritte sein'."
Stichwörter: Eco, Umberto, Logo

Magazinrundschau vom 30.08.2011 - Espresso

Bei einem Preis von 230 Euro ist es kein Schnäppchen. Der bibliophile Umberto Eco kann aber nicht anders und empfiehlt den Nachdruck des "Mundus Subterraneus" des vielleicht letzten Universalgelehrten Athanasius Kircher mit Nachdruck. Kircher sei "wohl am berühmtesten für seine wissenschaftlichen Irrtümer und nicht für seine mehr oder weniger nachvollziehbaren Entdeckungen. Aber es ist dieses Werk, in dem sein Talent zur Beobachtung am besten deutlich wird. Von den Zeitgenossen wurde es damals absolut ernst genommen - noch vor seinem Erscheinen schrieb Oldenburg darüber an Boyle, und Spinoza sandte ein Exemplar an Huygens. Nattürlich bleibt sich Kirchers Werk treu: Unersättlich und maßlos doziert er über die Erde und den Mond, über die Ozeane und die Meeresströmungen, über Sonnenfinsternisse, Aequifere und unterirdische Feuer, über Flüsse, Seen und die Quellen des Nils, über Salinen und Minen, über Fossilien, Metalle, Insekten und Kräuter, die Destillation, Feuerwerke und spontane Zeugung; mit ebensolcher Unbefangenheit aber erzählt er von Drachen und Riesen." Wer nicht die Katze im Sack kaufen möchte, hier ein Scan des Werks aus der Bibliothek der Universität Strasbourg.