Kriege wie Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sind getrieben von einer
kulturellen Vision, und darum braucht es eine Kulturgeschichte des Kriegs,
sagt der in Ohio lehrende Militärhistoriker
Bruno Cabanes in einem luziden Gespräch mit Florent Guénard: "Man kämpft immer mit dem,
was man ist: Das ist es, was uns ein halbes Jahrhundert Arbeit an der Kulturgeschichte des Krieges gelehrt hat. Was sich in Konflikten abspielt, ist tief in der
kollektiven Vorstellungswelt vergraben. Wie sonst ließe sich erklären, dass beispielsweise die von Serbien eingeleitete Kampagne der ethnischen Säuberung in einer wortreichen Rede angekündigt wurde, die der nationalistische Führer Slobodan Milosevic am 28. Juni 1989 zum 600. Jahrestag eines Ereignisses hielt, das im übrigen Europa so gut wie unbekannt war: die
Schlacht auf dem Amselfeld? Die Aufgabe der Historiker besteht nun darin, die Fäden zu entwirren, die diese Episode der Militärgeschichte des 14. Jahrhunderts mit den Gräueltaten, die Ende des 20. Jahrhunderts begangen wurden, verknüpfen." Auch durch die
Form der Gewalt gegen Städte und Zivilisten, sinsd Putins Kriege mit denen im ehemaligen Jugoslawien verbunden, sagt Cabanes.
In Frankreich kursiert mehr noch als in Deutschland der Topos, dass
rechte Literaten die
besseren Stilisten seien. Vincent Berthelier
geht diesem Topos in einem sehr kenntnisreichen Essay auf den Grund. Zu den Autoren, die dieses Märchen verbreiteten, gehörten in Frankreich nach dem Krieg die "
Husaren", eine Gruppe reaktionärer Dandys, auf die sich auch die Nouvelle Vague bezog. Die politische Funktion dieses Diskurss war es für Berthelier, "das Engagement der literarischen Rechten für
Vichy und Hitler während der Besatzungszeit zu minimieren und die älteren Kollegen (Louis-Ferdinand Céline, Paul Morand, Jacques Chardonne, Pierre Drieu La Rochelle und so weiter) zu rehabilitieren, indem sie diese als Stilisten darstellen." Die meisten dieser Autoren sind heute nur mehr für Literaturwissenschaftler interessant, aber
bei Céline wirkt der Topos des Stilisten bis heute fort. Über ihn schreibt Berthelier: "Mit der Entwicklung eines Stils, der von der gesprochenen Sprache inspiriert ist, strebt Céline nicht nur nach Authentizität: Er will das Volk als ethnisch gesundes und homogenes Element ansprechen, die '
weiße Bauernrasse' wachrütteln. In der Zeit der Pamphlete (und vielleicht sogar schon vorher) wurde Célines Stil also von seinem Autor als rassistisch, nationalistisch und mobilisierend konzipiert. Erst in der Nachkriegszeit
entpolitisierte Céline aus taktischen Erwägungen seinen Diskurs über den Stil und betonte die formale Dimension seines Werks."