Magazinrundschau - Archiv

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3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 24.05.2022 - nonsite

Die Bostoner Soziologin Zine Magubane nimmt in einem eher akademischer Text und aus marxistischer Sicht die verschiedenen Spielarten der Critical Race Theory ins Visier, die ihrer Ansicht nach weder einen Begriff von Geschichte noch von Politischer Ökonomie haben. Das ist anstrengend zu lesen, aber Magubane macht immer wieder einen interessanten Punkt. So bescheinigt sie den Vertretern der Critical Race Theory, "sie konzentrieren sich oft zu sehr auf die Beseitigung der Ungleichheiten, die das Ergebnis kapitalistischer Eigentumsverhältnisse sind, ohne sich kritisch genug mit den Eigentumsverhältnissen selbst auseinanderzusetzen. Selbst wenn sie ein gewisses Bewusstsein dafür zeigen, wie der Kapitalismus zur Produktion und Reproduktion rassistischer Ungleichheit beiträgt, ist ihre Strategie zu ihrer Bekämpfung eher 'von oben nach unten' als 'von unten nach oben'. Mit anderen Worten: Die von ihnen bevorzugten Lösungen konzentrieren sich im Allgemeinen nicht auf die Stärkung der Arbeiterklasse. Vielmehr machen sie sich selbst und die Klasse, der sie angehören, zu den wichtigsten Triebkräften des sozialen Wandels. Diese 'Klassenblindheit' ergibt sich zum Teil aus der politischen Ökonomie der Gegenwart. Die Arbeiterklasse steht seit mehr als einem Jahrhundert unter Beschuss, angefangen beim populist movement im neunzehnten Jahrhundert, über die Unterdrückung der dreißiger Jahre, den McCarthyismus in den fünfziger Jahren und den Neoliberalismus, den sich seitdem jeder amerikanische Präsident, ob Republikaner oder Demokrat, zu eigen gemacht hat. Obwohl sich alle führenden Stimmen der Race Theory der politischen Linken zurechnen, ist ihre Politik zutiefst von der historischen Erosion der Macht der Arbeiterklasse geprägt. Sie nehmen die Notwendigkeit, die  Arbeiterklasse zur Bekämpfung des Rassismus zu stärken, nicht ernst, weil die Linke, der sie angehören, in den Universitäten und den führenden Schichten verankert ist und weder den Wert noch die Notwendigkeit sieht, am Aufbau einer Bewegung mitzuwirken, die weder in erster Linie aus ihnen besteht noch von ihnen angeführt wird."

Magazinrundschau vom 23.11.2021 - nonsite

Christian Parenti untersucht den Ursprung des Privilege Walks, heute ein "Standardelement des Diversitäts-Trainings, das von gemeinnützigen Institutionen, Kirchen, Universitäten, Firmen und sogar einem Teil des amerikanischen Militärs durchgeführt wird", wie er schreibt. Die Sache funktioniert folgendermaßen: Man bekommt Sätze vorgelesen wie "Sie sind ein weißer Mann" oder "Sie haben sich schon mal wegen einer Bemerkung über ihre sexuelle Orientierung oder ihre Hautfarbe unwohl gefühlt" und muss dann je nach Zustimmung oder Ablehnung einen Schritt vor oder zurück machen. Aber den Privilege Walk gibt es schon viel länger als woke Diversitäts-Trainings. Die Idee hatte Erica "Ricky" Sherover-Marcuse, Studentin und später dritte Ehefrau von Herbert, schon in den Siebzigern. Sie mixte Sozialismus mit etwas, das sich "Re-evaluation Counseling" (etwa: Beratung für eine neue Selbsteinschätzung) nennt und von einer Scientology nahestehenden Psychosekte praktiziert wurde, wie sich Parenti von Rickys Schwester Yeshi erklären lässt. "Den Anweisungen von Yeshi folgend, beschäftigte ich mich mit 'Re-Evaluation Counseling', oder RC, wie es oft genannt wird. Das war so, als hätte ich ein fehlendes Glied in der Evolution gefunden: RC gehört zu den Ursprüngen des linken Psychobabbles wie das Fossil Lucy zur Paläontologie der menschlichen Evolution. 'Re-evaluation Counseling' wurde von dem linksgerichteten säkularen Guru Harvey Jackins als direkter Auswuchs von Scientology gegründet und geleitet. Harvey Jackins war in den 1930er Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen, wurde aber ausgeschlossen. Er war Gewerkschaftsorganisator im pazifischen Nordwesten, bis er in den frühen 1950er Jahren auf die schwarze Liste gesetzt und vor das HUAC geladen wurde. Seltsamerweise war Jackins mit L. Ron Hubbard befreundet, und als Hubbard die Dianetik gründete (wie Scientology in ihren Anfangsjahren genannt wurde), war Jackins im Vorstand der Organisation. Im Jahr 1952 brach Jackins mit Hubbard, um seine eigene Version dessen, was Hubbard tat, zu starten. Die Gründungsurkunde von 'Re-evaluation Counseling' gibt die Verbindung zu Scientology sogar zu, indem sie den Zweck der Organisation wie folgt beschreibt: 'sich mit der Kunst und Wissenschaft der Dianetik zu beschäftigen, sie durchzuführen und zu lehren'. … Im Mittelpunkt von Sekten wie Scientology und 'Re-Evaluation Counseling' steht der Akt der Beichte und Selbstverleugnung vor einer Gruppe. Genau darum geht es beim 'Privilege Walk'".

Magazinrundschau vom 29.09.2020 - nonsite

Rassismus existiert, aber er ist nicht der Hauptgrund für Ungleichheit, erklären auch Walter Benn Michaels und Adolph Reed, Jr. auf nonsite.org, einer Website, die dem Emory College of Arts and Sciences in Atlanta, Georgia angeglieder ist. Soziale Ungleichheit wird ihrer Meinung nach nicht beseitigt, wenn man die Disparitäten zwischen Schwarzen und Weißen beseitigt: "Jedes Mal, wenn wir darauf bestehen, dass die grundlegende Ungleichheit die zwischen Schwarzen und Weißen ist, dann sagen wir eigentlich, dass die einzigen Ungleichheiten, um die wir uns kümmern, diejenigen sind, die durch irgendeine Form der Diskriminierung erzeugt werden - dass Ungleichheit selbst nicht das Problem ist, sondern nur die Ungleichheit, die durch Rassismus oder Sexismus usw. erzeugt wird. Was uns der Diskurs über Disparität sagt, ist, dass, wenn in einer Wirtschaft, die immer ungleicher wird, die hauptsächlich Arbeitsplätze schafft, die nicht einmal einen existenzsichernden Lohn zahlen, das Problem nicht darin besteht, wie man diese Ungleichheit verringert oder diese Arbeitsplätze besser macht, sondern wie man dafür sorgt, dass sie nicht unverhältnismäßig stark mit schwarzen und braunen Nenschen besetzt sind."

Außerdem: Michael Fried betrachtet die Fotografien, die Thomas Struth zwischen 2008 und 2015 von technologischen und wissenschaftlichen Objekten gemacht hat.