Der am 14. April verstorbene Science-Fiction-Autor
Gene Wolfe war in erster Linie das, was man im englischsprachigen Raum einen "writer's writer" nennt. In Deutschland ist er kaum bekannt (deutsche Ausgaben sind lediglich antiquarisch erhältlich), in den USA galt er als, wenn auch gefeierter, Außenseiter. Insbesondere mit seinen erzählerisch experimentellen "Büchern der Neuen Sonne" hat sich Wolfe als Literat in der Tradition der klassischen Moderne erwiesen,
schreibt Brian Phillips in einem großen Abriss von Leben und Werk dieses Autors, der im Brotjob lange Zeit für die Chips-Marke Pringles und als Redakteur für ein Gärtner-Fachmagazin arbeitete, während er sich in seiner Freizeit nicht so sehr Genrekost, sondern vor allem die großen Klassiker des westlichen Literaturkanons einverleibte. "Die vier 'Bücher der Neuen Sonne' stellen einen dergroßen, sonderbaren
Triumphe der amerikanischen Phantastik dar: eine Geschichte, die Science-Fiction mit Pulp-Fantasy verschmilzt und beides dann wiederum mit modernistischen narrativen Techniken, katholischer Theologie und Proust'scher Meditation (die
New York Times ergänzte das noch um 'Spenser'sche Allegorie, Swift'sche Satire, Dickens'sches gesellschaftliches Bewusstsein und Wagnerianische Mythologie' und das aus gutem Grund). ... Hätten Henri Bergson und St. Augustine gemeinsam eine Ausgabe des Pulpmagazins
Weird Tales aus den 30ern zusammengestellt, wäre das Ergebnis diesem Text wohl ziemlich nahe gekommen. Es ist sonderbar genug, dass er überhaupt von irgend jemandem geschrieben wurde. Dass er von dem Typen geschrieben wurde, der sich seinen Kopf über
die Zubereitung von Pringles-
Chips zerbrochen hat, ist nicht viel aufregender als jede andere Möglichkeit. 'New Sun' wird von Severian erzählt, einem Lehrling aus der Gilde der Folterer, der gemeinsam mit seiner Gilde in einer mysteriösen Festung namens 'die Zitadelle' lebt. Zunächst scheint das Buch in einer mittelalterlichen Fantasywelt angesiedelt zu sein. Doch allmählich wird klar, dass Urth, die Welt dieses Buchs, tatsächlich eine Welt weit in der Zukunft darstellt, deren gegenwärtige Zivilisation sich lediglich in mancher Hinsicht (und, was rasch klar wird, in manch anderen nicht) mittelalterlicher Technologie annähert. Diese Zivilisation ist gebaut auf den Trümmern zahlloser anderer. Die Zitadelle selbst scheint
eine Art zerstörtes Raumschiff zu sein. ... Die Sprache des Buchs ist reich, sonderbar, wunderschön und oft
buchstäblich unverständlich."