Vom Nachttisch geräumt
"Lass den Kuchen, lass die Sahne!"
Von Arno Widmann
20.12.2018. Köln hatte sein ganz eigenes 1968. Ihm ging die Beerdigung Konrad Adenauers voraus. Und ihm folgte ein historischer Streik bei Ford. Der Ausstellungskatalog "Köln 68! Protest. Pop. Provokation" zeigt davon ein prächtiges Bild.Das Kölnische Stadtmuseum zeigt noch bis zum 24. Februar die Ausstellung "Köln 68! Protest. Pop. Provokation". Dazu ist ein prächtiger Bildband erschienen. Über 1968 ist in diesem Jahr sehr viel geschrieben worden, aber natürlich kann man noch weiter ganze Bibliotheken darüber füllen. Das ist keine Besonderheit dieses Jahres, sondern über alles und jeden lässt sich aus so vielen unterschiedlichen Gesichtspunkten schreiben, dass man niemals sagen darf, nun sei doch wohl alles gesagt, man solle sich endlich anderen Fragen zuwenden.
Der Band hat knapp 500 Seiten, ist vollgestopft mit Informationen und Eindrücken, Erinnerungen und Überblicken. Claudia Pinl, Claus Leggewie, Ulla Hahn, Klaus der Geiger und viele andere packen ihre Erinnerungen aus. Ulla Hahn schreibt: "'Bürger runter vom Balkon, unterstützt den Vietcong', schrie ich aus voller Kehle, hundertprozentig überzeugt, was schon bei 'Lass den Kuchen, lass die Sahne, schnapp dir eine Rote Fahne' nicht mehr ganz zutraf. Auf Seite 214 sieht man zwei junge Menschen neben einem Plakat. Auf dem steht rot auf weiß: Noch keine 21. Hier ist dein Stimmzettel. Und darunter sieht man einen Pflasterstein. Einer von den kleinen, die man werfen kann. Das ist argumentativ nicht sehr stark, aber doch sehr eindrücklich. 1970 wurde das aktive Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
Der Band führt nicht nur hinter 1968 zurück, sondern auch über 1968 hinaus. So spielt der der wilde Streik der Ford-Arbeiter im August 1973 auch eine Rolle. Das bettet die Studenten- und Schülerproteste ein in eine viel weitere Protestbewegung, die auch die Gastarbeiter ergreift. Es gab damals Journalisten, die schrieben über ihre Artikel: "Ford ist fest in türkischer Hand" oder "Übernehmen Gastarbeiter die Macht?" Dabei waren von den 500 gewerkschaftlichen Vertrauensmännern der Kölner Fordwerke gerade mal drei Türken. Aber genau dieses Missverhältnis führte zum wilden Streik.
Erst ab 1972 konnten ausländische Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidieren. Bei Ford erhielt damals ein türkischer Kandidat 31 Prozent aller Stimmen, wurde aber nicht für seine Arbeit im Betriebsrat freigestellt. Als Ford dann etwa 500 Mitarbeitern - die Angaben über ihre Anzahl gehen auseinander - im August 1973 kündigte, die verspätet aus ihrem Urlaub zurückgekommen waren, ging ein Großteil der Belegschaft in Streik. Gewerkschaften und Geschäftsleitung einigten sich nach sechs Tagen auf folgenden Kompromiss: Rücknahme der Kündigungen bei Vorlage eines ärztlichen Attests, eine einmalige Sonderzahlung von 280 DM, die Bezahlung der Streiktage. Die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und einer Erhöhung des Stundenlohns war auf der Strecke geblieben. Also protestierten viele weiter. Andere wollten die Arbeit wieder aufnehmen. Es kam zum Streit zwischen ihnen. Die Polizei intervenierte. Arbeiter wurden verhaftet. Der Streik wurde niedergeschlagen.
Michaela Keim, Stefan Lewejohann: Köln 68! Protest, Pop, Provokation, Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2018, 496 Seiten, 388 farbige und s/w Abbildungen, 29,90 Euro.
Der Band hat knapp 500 Seiten, ist vollgestopft mit Informationen und Eindrücken, Erinnerungen und Überblicken. Claudia Pinl, Claus Leggewie, Ulla Hahn, Klaus der Geiger und viele andere packen ihre Erinnerungen aus. Ulla Hahn schreibt: "'Bürger runter vom Balkon, unterstützt den Vietcong', schrie ich aus voller Kehle, hundertprozentig überzeugt, was schon bei 'Lass den Kuchen, lass die Sahne, schnapp dir eine Rote Fahne' nicht mehr ganz zutraf. Auf Seite 214 sieht man zwei junge Menschen neben einem Plakat. Auf dem steht rot auf weiß: Noch keine 21. Hier ist dein Stimmzettel. Und darunter sieht man einen Pflasterstein. Einer von den kleinen, die man werfen kann. Das ist argumentativ nicht sehr stark, aber doch sehr eindrücklich. 1970 wurde das aktive Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
Der Band führt nicht nur hinter 1968 zurück, sondern auch über 1968 hinaus. So spielt der der wilde Streik der Ford-Arbeiter im August 1973 auch eine Rolle. Das bettet die Studenten- und Schülerproteste ein in eine viel weitere Protestbewegung, die auch die Gastarbeiter ergreift. Es gab damals Journalisten, die schrieben über ihre Artikel: "Ford ist fest in türkischer Hand" oder "Übernehmen Gastarbeiter die Macht?" Dabei waren von den 500 gewerkschaftlichen Vertrauensmännern der Kölner Fordwerke gerade mal drei Türken. Aber genau dieses Missverhältnis führte zum wilden Streik.
Erst ab 1972 konnten ausländische Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidieren. Bei Ford erhielt damals ein türkischer Kandidat 31 Prozent aller Stimmen, wurde aber nicht für seine Arbeit im Betriebsrat freigestellt. Als Ford dann etwa 500 Mitarbeitern - die Angaben über ihre Anzahl gehen auseinander - im August 1973 kündigte, die verspätet aus ihrem Urlaub zurückgekommen waren, ging ein Großteil der Belegschaft in Streik. Gewerkschaften und Geschäftsleitung einigten sich nach sechs Tagen auf folgenden Kompromiss: Rücknahme der Kündigungen bei Vorlage eines ärztlichen Attests, eine einmalige Sonderzahlung von 280 DM, die Bezahlung der Streiktage. Die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und einer Erhöhung des Stundenlohns war auf der Strecke geblieben. Also protestierten viele weiter. Andere wollten die Arbeit wieder aufnehmen. Es kam zum Streit zwischen ihnen. Die Polizei intervenierte. Arbeiter wurden verhaftet. Der Streik wurde niedergeschlagen.
Michaela Keim, Stefan Lewejohann: Köln 68! Protest, Pop, Provokation, Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2018, 496 Seiten, 388 farbige und s/w Abbildungen, 29,90 Euro.
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