Alan Pauls

Die Vergangenheit

Roman
Cover: Die Vergangenheit
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009
ISBN 9783608937053
Gebunden, 560 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Nach zwölf Jahren absoluter Liebe, die die Welt nach ihrem Ebenbild zu formen schien, trennen sich Rimini und Sofia. Es sind die Achtziger in Buenos Aires, und für den dreißigjährigen Rimini ist alles wieder so funkelnd wie zu Beginn. Er entdeckt das Begehren neu und wirft sich mit einer jüngeren Frau in eine rauschhafte Suche nach der verlorenen Zeit. Aber seine Liebe zu Sofia ist nicht gänzlich erloschen, sie hat nur ihre Form verändert. Und als Sofia überraschend in sein Leben zurückkehrt, trägt die frühere Liebe das Antlitz des Entsetzens. Ein ums andere Mal erscheint sie ihm als Rachegespenst, um ihn zurückzuerobern, zu quälen, vielleicht zu retten. Und so gerät Rimini in ein Inferno aus emotionaler Erpressung, Verrat und Drogen. Am Ende droht ihm, dass er alles verliert. Oder gibt es eine Liebe nach der Liebe?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.2010

Für Florian Borchmeyer ist Alan Pauls ein Vertreter einer neuen Generation lateinamerikanischer Erzähler - und was für einer! Das Buch liest er weniger als Proust-Imitation denn als große Studie über Erfahrung, Vergessen und Erinnern, das zwar Parallelen zu Proust aufweist, jedoch weit mehr zu bieten hat: Komplexe, hypotaktische Reflexionen über Liebe, Tod und Leidenschaft, Mikrodetails übers Koksen, eine Menge Nebenhandlungen und "rabenschwarze parodistische Humorstücke", die Geschichte einer erloschenen Liebe, und in der Mitte von alledem das Loch des Vergessens als Metapher für die Kollektivamnesie der argentinischen Gesellschaft. Bezüglich letzterer, so Borchmeyer, biete der Autor allerdings eher subtile Anspielungen, einen beiläufig eingespielten unheimlichen Subtext. Fazit des Rezensenten: Meisterhaft, wegweisend.  Und auch die Übersetzung: "bravourös".
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.12.2009

Als "schillernd-düsteres Schlachtengemälde der Gefühle" feiert Ijoma Mangold diesen Roman des argentinischen Schriftstellers, den er einen ebenso furchtlosen wie radikalen Autor nennt. Alan Pauls erzähle von den pathologischen Obsessionen der Liebe, von einem Paar, das seit seiner Schulzeit eine "sich selbst erfüllende Einheit" bildete, bis ihre Beziehung zu Ende ging. Doch die Trennung, so Mangold, misslinge und beide Patienten verbluteten, da die gemeinsame Vergangenheit einer Zukunft keinen Raum mehr lasse. Das Gift der Anhänglichkeit kontaminiere den Blutkreislauf des jeweils anderen. Mit der Behandlung des Themas beweist Pauls dem Kritiker, dass es kein philosophischeres Thema als die Liebe gibt. Denn Pauls stelle auch die Frage, wie man leben solle, spiele mit der Etymologie des Wortes Religion, das von religio = Bindung abstamme. Mangold sieht in diesem Roman Parallelen zu Nabokov und Proust. Pauls Sprache sei dabei mit ihren "weit ausholenden Satzperioden", ihrem Beobachtungfuror "rücksichtslos selbstbewusst" und ebenso obsessiv wie das Thema. Auch die Übersetzung findet der Kritiker brillant.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.11.2009

Das offene Ende des Buches passt ganz gut zum Thema, findet Merten Worthmann. Offen wie das Herz nach all den Liebes- und Erinnerungsqualen, dem Stoff, dem Alan Pauls sich laut Worthmann so aufbrausend wie analytisch zuwendet. Worthmann liest über das hundertprozentige Liebesglück und sein jähes Ende. Vor allem über das Ende, das der Autor, wie es bei Worthmann anklingt, mit Proust'scher Fiebrigkeit und Feinnervigkeit erforscht, aber auch mit dessen syntaktischer Akrobatik und Geschmeidigkeit. Zwischendurch, so beruhigt uns Worthmann, kann der Autor auch ganz welthaltig erzählen, naja, so welthaltig wie Kafka jedenfalls, ohne Kafka zu imitieren, darauf legt Worthmann wert.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.11.2009

Karin Ceballos Betancur hat den argentinischen Autor Alan Pauls in einem Hamburger Hotel getroffen und mit ihm über seinen im Original bereits 2003 erschienenen Roman gesprochen, der seit kurzem auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Er erzählt die Geschichte des Übersetzers Rimini, der sich nach 12-jähriger Ehe von seiner Frau trennt, um neu anzufangen, von ihrer obsessiven Liebe aber nicht losgelassen wird, erfahren wir. Obwohl diese Beziehungsgeschichte mitten in die Zeit der argentinischen Militärdiktatur fällt, bildet die Politik eine "auffällige Leerstelle" im Roman, konstatiert die Rezensentin. Sie lässt sich vom Autor erklären, dass die im Zentrum des Romans stehende Liebe den Rückzugsort in einer durch die politischen Ereignisse zerstörten Welt bildet. Diese Liebe in ihrer pathologischen Ausprägung der quälenden, durch Eifersucht geprägten Obsession gewinnt in verschachtelten Sätzen Gestalt, in der "Metaphern wie Tumore wuchern", wie Ceballos Betancur fasziniert festhält.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.11.2009

Man könnte Alan Pauls' Roman "Die Vergangenheit", der immerhin zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien spielt, vorwerfen, dass er so erstaunlich unpolitisch ist. Für Kersten Knipp allerdings zeigt sich darin ein Vorzug, spiegelt der Autor doch damit den Rückzug ins Private, den man als durchaus charakteristische Reaktion der Zeit bezeichnen kann. Der an Handlung eher arme Roman erzählt vom Übersetzer Rimini, der sich von seiner Frau trennt und seine Tage mit Koksen, Übersetzen und mit Onanieren verbringt, fasst der Rezensent zusammen. Sexszenen werden in aller Drastik beschrieben, mit "Romantisierung" hat der Autor nichts am Hut, stellt Knipp fest, der zugleich aber auf den mäandernden, stark an Proust erinnernden Stil hinweist. Während die Handlung auf der Stelle tritt, ergeht sich der Autor in Abschweifungen und hält sich an kleinste "Nuancen und Schattierungen", pflegt, mit einem Wort, einen Proust'schen Rhythmus, wie der Rezensent deutlich macht. Im Stillen regt sich dann bei Knipp zwar mitunter der Wunsch zu Kürzen und zu Raffen, er lässt sich aber immer wieder durch die "Sprachkraft" des argentinischen Autors beeindrucken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.10.2009

Rezensentin Cristina Nord fühlt sich von diesem Roman des argentinischen Autors Alan Pauls offensichtlich gut unterhalten - auch wenn sie beklagt, dass die verschiedenen Zeitebenen die Geschichte eher aufhalten als voranbringen. Dennoch lobt sie die "dichten Beschreibungen" und den "slapstickartigen Humor" des Autors und freut sich darüber, wie er das Funktionieren beziehungsweise Nicht-Funktionieren des Körpers beschreibt. Pauls dringt nach Meinung der Rezensentin damit in den "leicht schummrigen, aber umso spannenderen Bereich" der menschlichen Existenz vor, in dem "der Körper zu denken beginnt". Darüber hinaus wundert sich Nord darüber, wie unverstellt und deutlich der Autor sich auf Marcel Proust beruft, schafft er sich damit doch seine eigene Fallhöhe. Doch den Struz verhindere Pauls, "indem er mit der Referenz spielt, statt sich zu ihrem Sklaven zu machen".
Stichwörter