Cesar Rendueles

Gegen Chancengleichheit

Ein egalitaristisches Pamphlet
Cover: Gegen Chancengleichheit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518029800
Kartoniert, 329 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Raul Zelik. Freiheit und Gleichheit waren lange gleichrangige Ziele. Trotz anderslautender Lamentos steht Freiheit weiterhin hoch im Kurs, während kaum eine Partei radikale Maßnahmen zur Reduzierung der materiellen Ungleichheit im Programm hat. Der kleinste gemeinsame Nenner ist Chancengleichheit: In der Konkurrenz um knappe Ressourcen sollen alle an derselben Startlinie loslaufen. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung übersetzt sich das in Begriffe wie "Chancenbudget" und "Kinderchancenportal". Die Logik der Chancengleichheit ist die Ideologie einer Gesellschaft, die sich nur noch als Wettbewerb aller gegen alle denken kann. Ihre Basis, so César Rendueles, ist die Zunahme der Ungleichheit seit den achtziger Jahren. Dabei sind wir Menschen, zeigt der spanische Soziologe, eine ausgesprochen egalitäre Spezies. Allerdings beruht Gleichheit auf einem entsprechenden Ethos und Institutionen wie dem Wohlfahrtsstaat. Wollen wir diese wiederherstellen, müssen wir begreifen, dass es um eine Gleichheit der Ergebnisse geht, dass dieser Kampf nie abgeschlossen sein wird - und dass wir ihn nur gemeinsam gewinnen können.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.12.2022

Rezensentin Julia Werthmann hat dieses Buch sehr gern gelesen. César Rendueles, Soziologieprofessor und "Vordenker" der linkspopulistischen spanischen Partei Podemos, verficht in seinem gut lesbar geschriebenen Pamphlet, wie er es selbst nennt, die Idee, dass materielle Gleichheit eigentlich wichtiger ist als Freiheit, oder, wie er es sagt, echte Freiheit gibt es nur, wenn es allen materiell gut geht. Dass Chancengleichheit diesen Zustand nicht herstellen kann, ist für Rendueles klar, weil daran ein Wettbewerb anknüpft. Und die Idee der Leistung - nunja, selbst Steve Jobs hat von staatlichen Leistungen profitiert, lernt Werthmann. Rendueles' Traum ist der "Wohlfahrtsstaat der Nachkriegszeit",  so die Rezensentin, mit augenwässernden Spitzensteuersätzen. Werthmann sagt nicht, wie plausibel sie das findet, aber sie findet Trost in der Vorstellung, das Zukunft immer noch gestaltet werden kann.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.11.2022

Rezensent Pascal Fischer folgt Cesar Rendueles mit viel Sympathie, aber wenig Überzeugung. Wenn ihm der spanische Soziologe darlegt, dass Gleichheit und Chancengleichheit keineswegs dasselbe seien, da die neoliberale Gesellschaft verdeckt doch wieder Ungleichheit produziere, geht der Kritiker erstmal mit. Rendueles' Forderung, in der Schule mehr soziale und demokratische Werte und weniger Marktlogik zu lernen, scheint dem Rezensenten zunächst ebenso plausibel wie dessen Wunsch nach einem Grundeinkommen, einer Beschäftigungsgarantie oder mehr Bürokratie, die die öffentliche Grundversorgung in die Hand nimmt. Mit den Quellen geht der Autor allerdings ziemlich "frei" um, zu schlicht erscheint Fischer auch das Bild vom schwachen Arbeitsnehmer und vom "geldgierigen Leistungsträger". Und dass Planwirtschaft nicht die Lösung ist, lehrt die Geschichte, gibt der Kritiker dem Autor noch mit auf den Weg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.09.2022

Der Soziologe César Rendueles "denkt spitz und schreibt noch spitzer", gibt Rezensent Thomas Kaspar gern zu, aber ein Pamphlet würde er in diesem Buch nicht sehen, eher eine scharfe Gegenwartsanalyse. Rendueles möchte Schluss machen mit dem egoistischen Individualismus, der Idolatrie persönlicher Freiheit und der harmlosen Forderung nach Chancengleichheit und stattdessen wieder die materielle Gleichheit auf die Tagesordnung setzen, erklärt der Rezensent, der sich damit ganz einverstanden zeigt. Am Beispiel der zunehmenden Geschlechtergerechtigkeit zeigt ihm der spanische Soziologe schlüssig, dass die materielle Gleichstellung tatsächlich auch zu einem Freiheitsgewinn für beide Geschlechter führte. Das überzeugt den Rezensenten, der auch von Rendueles mitnimmt, wie verheerend sich das Homeoffice auf solidarisches Handeln am Arbeitsplatz auswirkt.