Christian Booß

Im goldenen Käfig

Zwischen SED, Staatssicherheit, Justizministerium und Mandant - die DDR-Anwälte im politischen Prozess. Diss.
Cover: Im goldenen Käfig
Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen 2017
ISBN 9783525351253
Gebunden, 813 Seiten, 45,00 EUR

Klappentext

Zu den ersten prominenten Persönlichkeiten, die in der Friedlichen Revolution unter Stasi-Verdacht gerieten, gehörten auffällig viele Rechtsanwälte, die in den Umbruchzeiten als Politiker antraten. Bewusst oder unbewusst haben diese "Enthüllungen" das Bild der DDR-Anwälte bis heute geprägt. Eine wissenschaftliche Analyse der DDR-Anwaltschaft auf breiter Quellenbasis steht bisher allerdings aus. Dieser Band untersucht die Tätigkeit der Verteidiger in den politischen Prozessen der Honecker-Ära. Dazu wurden über 1000 Prozess- und Ermittlungsakten ausgewertet. Um diese Akten interpretieren zu können, greift die Studie jedoch weit über diese Prozesse hinaus.
Beleuchtet werden die Umstrukturierung der Anwaltschaft in Ostdeutschland seit 1945, die Ausbildung der Anwälte und die Versuche von SED, Justizapparat und Stasi, sie im Sinne des Idealbildes vom "sozialistischen Anwalt" zu beeinflussen. Obwohl die Zahl der inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi unter Anwälten eher höher war als in anderen Berufsgruppen, wurde offenbar meist auf anderen Wegen versucht, das Anwaltsverhalten im Prozess zu beeinflussen.
Zur Verkümmerung der Prozesskultur trug auch bei, dass sich die meisten Verfahren gegen Personen richteten, die die DDR verlassen wollten. Diese wurden oft von der Kanzlei Wolfgang Vogels vertreten. Die engen Handlungsspielräume der DDR-Anwaltschaft sind auch ein Symptom für die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen in der DDR und besonders der Angeklagten in politischen Strafverfahren.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.01.2018

Der weit ausholende Untertitel dieser Dissertation über die zwiespältige Rolle von Anwälten in der DDR verspricht nicht zu viel, versichert Rezensent Christoph Dieckmann. Sachkundig und auf jahrelanger Recherche in der Stasi-Unterlagen-Behörde basierend, führt ihn der in West-Berlin geborene Autor Christian Booß in Milieu und komplexe Strukturen der DDR-Justiz ein, ohne schwungvolle Parolen, dafür exakt in der Sache, wie der Kritiker betont. Er liest hier etwa nach, wie vor allem die erste Generation von Anwälten aus antifaschistischer Überzeugung mit dem Ministerium für Staatssicherheit kooperierte, während die letzte Generation gemäß der SED-Erziehungsdiktatur handelte. Anhand zahlreicher Fakten bringe Booß nicht nur Licht in die mitunter finstere Zwischenwelt der DDR-Justiz, sondern er beleuchte auch das Handeln vieler namhafter Advokaten wie Wolfgang Schnur, Lothar de Maiziere oder Gregor Gysi, lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.01.2018

Der frühre Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland rezensiert diese Dissertation des Journalisten Christian Booß und er betont, dass es sich bei Booß, der auch lange bei der Stasiunterlagenbehörde arbeitete, um keinen Kommunistenfresser handelt. Sehr differenziert sei seine Darstellung der Anwaltschaft in der DDR, ausführlich stellt er die Entwicklung der Justiz und die Bedingungen dar, unter denen DDR-Anwälte arbeiten mussten. Dass das Gesamtbild dennoch düster ausfällt, liegt am Gegenstand, meint Wieland. Viele agierten in einer Grauzone, Prinzlinge wie Gregor Gysi etwa. Doch wie Booß zeigt, waren etliche Juristen auf Übelste verstrickt. Sie verrieten ihre Mandanten und Mittäter und beteiligten sich an Zersetzungsplänen der Stasi: "Sie waren Tschekisten in der Anwaltsrobe."