Gabriele Tergit

Vom Frühling und von der Einsamkeit

Reportagen aus den Gerichten
Cover: Vom Frühling und von der Einsamkeit
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2020
ISBN 9783895614941
Gebunden, 368 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Nicole Henneberg. Die Gerichtsreportagen, die Gabriele Tergit ab 1924 für den Berliner Börsen-Courier, ab 1925 für das Berliner Tageblatt und ab 1929 auch für die Weltbühne in der ihr eigenen literarischen Sprache schrieb, bilden das Herzstück ihrer journalistischen Arbeit. Tergit verstand den Gerichtssaal als Bühne, auf der sich bei jeder Verhandlung ein neues Stück abspielte. Dabei interessierte sie vorrangig der sonderbare Einzelfall, der interessante, merkwürdige, tragische Charakter des Tatbestands und der Angeklagten. Und doch beobachtete sie in jedem Fall, der bei Gericht verhandelt wurde, stets das Ringen der gesellschaftlichen Kräfte im Hintergrund, die soziale Misere, die die Menschen erst zu verbrecherischen Taten treibt. Kein historischer Bericht, keine Chronik zeigen die Weimarer Republik und die Zwischenkriegszeit klarer, hellsichtiger und vielschichtiger als Tergits journalistische Arbeiten.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.03.2021

Wem die Romane der kürzlich wieder entdeckten Autorin Gabriele Tergit gefallen haben, dem empfiehlt Rezensentin Katrin Bettina Müller auch Tergits gesammelte Gerichtsreportagen. Schon hier erweist sich die damals Mitte Dreißigjährige als genaue Beobachterin ihrer Zeit. Verzweifelte Kindsmörderinnen, Analphabeten und Heiratsschwindler bevölkern ihre Texte und werden dank Tergits treffender Beschreibungen und zitierter Dialoge lebendig. Doch Tergit beschreibt nicht nur einfach, so Müller, sie kommentiert auch, was sie durchschaut und das ist eine Menge: Wie gewöhnliche Kneipenschlägereien zu Konflikten zwischen Links und Rechts umgedeutet werden, wie sich 1930 ein zunehmend militärischer Duktus durchsetzt, wie die Machtverhältnisse sich verschieben, Rollenbilder bröckeln, die Gespanntheit und Unsicherheit steigt. All das ist äußerst aufschlussreich und spannend zu lesen, als sitze man direkt an der Quelle für historischen Krimistoff, erklärt Laszlo. Interessierten empfiehlt sie außerdem die Ausgabe 228 der Zeitschrift Text + Kritik. Hier nämlich wird Tergits Exilzeit thematisiert sowie ihr zwiespältiges Verhältnis zu Palästina.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.09.2020

Rezensent Jens Bisky hat die, wie er findet, sorgfältig und erhellend editierten Gerichtsreportagen von Gabriele Tergit aus den Jahren 1924 bis 1949 begeistert gelesen: Nicht nur war es dem Kritiker eine Freude, so kluge und zugleich witzige Prosa zu lesen, auch spiegeln die Berichte ihm zufolge die explosive Gemengelage in den zwanziger Jahren hervorragend wider, da die Autorin Einzeltaten in den politischen Kontext einzuordnen versteht. Ein intelligenter Versuch, mit einem Dialog über Verbrechen und Strafen nach allgemein verbindlichen Werten zu fragen, so Bisky.
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