Jean Malaquais

Planet ohne Visum

Roman
Cover: Planet ohne Visum
Edition Nautilus, Hamburg 2022
ISBN 9783960542940
Kartoniert, 664 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen übersetzt und mit einem Nachwort von Nadine Püschel. Marseille 1942, einige Monate vor der endgültigen Besetzung der Freien Zone durch die Deutschen. Der große Mittelmeerhafen quillt über von Menschen, die vor dem Krieg fliehen und auf die Überfahrt nach Amerika, in eine ungewisse Zukunft hoffen. Die Stadt ist wie eine Reuse, in der die Unerwünschten und vom Vichy-Regime Verfolgten zappeln und täglich versuchen, den Spitzeln und Denunzianten zu entwischen. Fast dreißig Romanfiguren, deren Schicksale auf mehr oder weniger verhängnisvolle Weise miteinander verstrickt sind, lässt Malaquais auftreten: Flüchtlinge, Aktivisten der Résistance, Vertreter internationaler Hilfsorganisationen, Legionäre, Devisenschieber, Spitzel und Mitläufer aller Art. Zum Teil sind sie angelehnt an historische Figuren wie Victor Serge, Walter Benjamin und Varian Fry, der zahlreichen Verfolgten zur Ausreise verholfen hat - darunter Jean Malaquais selbst - und dem der Roman in der Figur des Aldous Smith ein Denkmal setzt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.12.2022

Großes Leseglück, wenn auch verspätet, überkommt Rezensentin Insa Wilke mit diesem Roman des polnisch-jüdischen Schriftstellers Jean Malaquais von 1947. In seinem Roman "Planet ohne Visum" erzählt er lebensprall vom Marseille des Jahres 1942, in dem Europäer aller Couleur auf der Flucht vor Hitler und Stalin strandeten und auf ein Visum ins rettende Amerika warteten. Die Rezensentin begegnet hier Männern und Frauen unterschiedlichster Klassen, Wissenschaftlern und Arbeitern, Résistance-Kämpfern und Kriegsgewinnlern, Sozialisten und Vichy-Beamten, kaum eine Figur sei ungebrochen oder flach gezeichnet, wie Wilke versichert. Das humanistische Ideal des Romans steht für sie außer Frage, was die literarische Qualität betrifft, druckst sie ein bisschen herum, aber sie empfiehlt ihn als intelligente Unterhaltung, menschlich klug und so modern, dass sie gar nicht verstehen kann, warum Malaquais ihr so lange unbekannt blieb. 
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.11.2022

Zum Ersterscheinungsdatum 1947 war Jean Malaquais' Roman seiner Zeit voraus, heute ist er aktueller denn je, meint Rezensent Fokke Joel. Er spielt 1942 in Marseille, wo sich Flüchtlinge, Vichy-Gegner sowie Gegner der Deutschen tummelten, erklärt Joel, und dabei werde ein Panorama ganz verschiedener Figuren entfaltet, die sich dort durchschlagen: ein italienischer Literaturprofessor und seine Enkelin, ein ehemaliger Bolschewist und marxistischer Theoretiker, ein Cafébesitzer und Mitglied der paramilitärischen Gruppe "Pétains", zählt Joel auf. Dabei gelingen dem Autor sowohl einfühlsame, sehr unterschiedliche Figurenzeichnungen, die trotz großen Personals eine Übersicht erlauben, sowie gleichzeitig eine sehr "atmosphärische" Beschreibung der prekären Zustände in Marseille zu der Zeit, lobt der Kritiker. Er merkt dem Roman auch an, dass Malaquais hier auf den eigenen Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte: Er emigrierte einst selbst aus Polen nach Frankreich und verbrachte zwei Jahre in Marseille, weiß Joel. Ein Buch, aus dem ein "undogmatisches Denken" spricht und das mit seiner Widerstands- und Visathematik hochaktuell ist, schließt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 28.10.2022

Rezensent Marko Martin hält die deutsche Erstveröffentlichung von Jean Malaquais' Roman von 1947 für überfällig. Gegen diesen in Marseille spielenden Exilroman erscheint ihm das Pendant von Anna Seghers geradezu wie "mit angezogener Handbremse" geschrieben. Wie der Autor aus eigener Fluchterfahrung die Gemengelage in Marseille Anfang der 1940er schildert, wie er unvergessliche Helden und Militärs psychologisch fein porträtiert, lebendige Dialoge und Verfolgungsjagden entwirft und Atmosphäre schafft, das zeugt laut Martin von großer Menschenkenntnis und literarischem Stilverständnis. Große Lesefreude, verspricht der Kritiker, auch dank der Übersetzung von Nadine Püschel.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.09.2022

Rezensent Fabian Wolff empfiehlt Jean Malaquais' Emigrantenroman in "sorgfältigster" deutscher Übersetzung von Nadine Püschel. Das selbst erlebte Martyrium von Flucht und Exil im Faschismus schildert der Autor laut Wolff, einsetzend im Sommer 1942, als Zeitgenossen des Autors wie Hannah Arendt oder Heinrich Mann in Marseille ihrer Ausreise harren. Die Vorbilder der Figuren erschließen sich Wolff ohne weiteres. So hat Varian Fry seinen Auftritt, erklärt er. In der Form geschult an Techniken der Montage bleibt Malaquai realistisch, und die Episoden und verschiedenen Handlungsstränge und Charakterporträts des Romans ergeben ein geschlossenes Ganzes, so Wolff. Dass die Figuren nicht nur Ideenträger sind, dass der Autor das Verhältnis von Vichy-Frankreich und "Drittem Reich" und die Kollaboration zu Themen seines Textes macht, hält Wolff für bemerkenswert.