Kevin Vennemann

Sunset Boulevard

Vom Filmen, Bauen und Sterben in Los Angeles
Cover: Sunset Boulevard
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518126462
Kartoniert, 184 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Vieles von dem, was wir von unserer Welt wissen, wissen wir aus den Bildern Hollywoods. Doch welches Bild machen wir uns von der Stadt Los Angeles? Es scheint, als habe sie schon immer als amoralisches Nichts gegolten, als Ersatzparadies für wenige. Nahezu vergessen ist, daß L. A. einmal die vielleicht modernste aller Städte war, die beinahe ein Paradies geworden wäre für alle. Entlang des Sunset Boulevard hat sich Kevin Vennemann auf die Suche begeben nach dem, was von dieser egalitären Moderne übriggeblieben ist. So entstand ein Essay über die großen Films Noirs, über das Ende der modernen Architektur und über die Bemühungen so unterschiedlicher Figuren wie Sophokles, Roman Vishniac, Billy Wilder und Raphael Soriano, nicht nur ein "Wir" ins Bild zu setzen, sondern auch die anderen, die Opfer der Geschichte, ein "Sie".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.12.2012

Rezensent Helmut Böttiger meint Kevin Vennemann in dessen Essay "Sunset Boulevard" gleich das "Abendland als Ganzes" infrage stellen zu sehen. Der Autor beschreibt die Zeit Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre, die große Zeit des Film Noir, die eine Umbruchzeit war für Hollywood, berichtet der Rezensent: die "Naivität war verflogen, das Vertraute verschwunden, der Traum auf und davon". Übrig blieb ein Los Angeles, dass sich in seinen Träumen verloren hatte und darum rang, sich eine eigene Identität zu geben: mit Villen im spanischen Kolonialstil etwa, wie sie Norma Desmond in Billy Wilders "Sunset Boulevard" bewohnte. Die Architekturmoderne, die in dieser Zeit entstand, lehnte man in Los Angeles dagegen ab, so Böttiger. Das Ergebnis war paradox: eine künstlich-ursprüngliche Identität, eine neue Tradition. Vennemann folgt den Spuren der Veränderung in Filmen, Literatur und Architektur, erklärt Böttiger: er fährt Kamerafahrten aus Filmen wie L.A. Confidential nach und besucht Schauplätze aus Romanen, wo der Sunset Boulevard aufs Meer trifft. Gelegentlich inszeniert er sich dabei selbst als Noir-Held, so der Rezensent, der das nicht übel zu nehmen scheint. Er beschreibt das Buch als anregende Mischung aus Assoziationen, Recherchen, Inszenierungen und filmischen Erzähltechniken.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.08.2012

Eine teilweise mühsame Lektüre bietet Kevin Vennemanns Essay "Sunset Boulevard" nach Ansicht von Jesko Bender. Die bekannten Bilder von Los Angeles, das Glücksversprechen, das sie beinhalten, und der Verrat an diesem Versprechen scheinen ihm im Wesentlichen Thema dieses Buchs. Zahllose Filme werden rekapituliert, ein Treffen mit dem berühmten Architekturfotografen Julius Shulman geschildert. Dass zwischendurch die Bilder vom Holocaust im Text auftauchen, findet Bender durchaus "irritierend". Am Ende aber scheint er zu verstehen, was es damit auf sich hat. Sein Fazit: "'Sunset Boulevard' wirkt auf die Bilder zurück, und das muss ein Buch erst einmal hinbekommen."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.07.2012

Für einen großen Wurf hält Rezensent Felix Stephan Kevin Vennemanns Essay, der seiner Ansicht nach nicht nur bahnbrechend als Auseinandersetzung mit der modernen Architektur in Film und Fotografie ist, sondern auch in seinem Verständnis von Fiktionalität in der Literatur. Vennemann fährt in diesem Buch mit der Autorin Chris Kraus durch Los Angeles und entwickelt beim Anblick all der berühmten Häuser am Sunset Boulevard eine ungeheure Wut auf den Fotografen Julius Shulman, der mit seinen Fotografien dazu beitrug, die Bauten von Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe zu Ikonen der Moderne zu machen. Und genau dies wirft der Autor dem Fotografen vor, so Stephan: Die Architekten der Moderne wollte einen Beitrag zum sozialen Bauen leisten, sie wollten Freiheit, Teilhabe und Zeitgenossenschaft bieten. Shulmans Edelfotografien hätten jedoch genau dies verhindert, sie hätten die Bauten auf die Ästhetik reduziert. Und so ist Vennemanns Essay für den Rezensenten vor allem ein Buch über die Frage, was wir sehen, wenn wir ein Foto betrachten: Nicht die Realität. Aber auch nichts Fiktionales, weil es ohne Realität auch keine Fiktion mehr gibt. Aus dieser Erkenntnis hat Vennemann "eine genuin neuartige Form" entwickelt, die für den Rezensenten einen Weg aus der Sackgasse der Postmoderne aufzeigt.
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